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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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war, daß der amerikanische Krieg England zu Grunde richte, klagten jetzt
über den verderblichen Frieden. Pitt erkannte, daß das Gewicht der Gründe
hier ohnmächtig gegen das Parteiinteresse sei; in einer stolzen und gewaltigen
Rede setzte er zuerst ausführlich die Vortheile des Friedens auseinander, brach
dann aber plötzlich ab und rief: "Doch was halte ich die Aufmerksamkeit zweck¬
los hin, es ist ja nicht der Friedensvertrag, den die Gegner tadeln, ihr Be¬
streben geht nur darauf aus. den Grafen von Shelburnc zu stürzen, das ist
der Gegenstand der unnatürlichen Coalition, auf die ich angespielt. Ist aber
diese schmachvolle Verbindung noch nicht vollendet, ist diese Unglück weissagende
Ehe noch nicht geschlossen, so thueich im Namen des öffentlichen Wohles Ein¬
spruch gegen das Aufgebot." Das Ministerium ward geschlagen, aber der
König gab nicht sogleich nach, auf den Rath von Dundas entließ er zwar
Shelburne, bot aber Pitt dessen Stelle an. Der Posten eines Ministerprä¬
sidenten hatte sicher für einen vierundzwanzigjährigen Mann etwas höchst Ver-
lockendes, aber Pitt ward nicht geblendet, er bat sich ruhig Bedenkzeit aus,
der König drang lebhaft in ihn, gewährte ihm freie Wahl seiner Collegen,
aber Pitt konnte nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß auf eine Majorität zu
rechnen sei und lehnte ab. Als so wichtig aber galt er schon damals, daß, als nun
der König sich zu Fox und North bequemen mußte, diese doch noch einen Versuch
machten, Pitt zu gewinnen, aber er erklärte sich unabhängig, er werde sich zurück'
halten und die Partei nehmen, die ihm im einzelnen Falle Recht zu haben scheine.

Lord Thurlow hatte dem König gesagt, das beste Mittel die Coalition
zu stürzen, sei. ihr die Regierung zu geben, und er behielt Recht. Foxs
Negierung sollte nicht lange dauern, er fiel durch seine berühmte Jndia-
oill. Die Mihregierung in Indien war durch die Gewaltmaßregeln der engli¬
schen Proconsuln zu einem erschreckenden Grade gediehen, dazu herrschte durch
die Uneinigkeit von Directoren, Eigenthümern und Cabinet vollkommne Anar¬
chie in der Leitung der innern Angelegenheiten. Schon Chatham hatte den
Plan einer großen Reform dieser Verhältnisse gefaßt, Fox nahm diese Idee
umfassenderer Weise wieder auf. Von dem unzweifelhaft richtigen Gesichts¬
punkt ausgehend, daß Indien unter die Botmäßigkeit der englischen Regierung
gebracht werden müsse, schlug er vor, eine Behörde von sieben Directoren zu
bilden, denen die Macht der bisherigen Directoren der Gesellschaft übertragen
werden solle, ihnen zur Seite sollten acht andre stehen, um die Handelsbezie¬
hungen der Eigenthümer unter ihre Obhut zu nehmen. Alle fünfzehn sollten auf
Vier Jahre vom Parlament ernannt werden, später sollte die Ernennung der
Directoren der Krone zufallen. Man ist zu weit gegangen, wenn man in der
Bill nichts weiter als ein Parteimanöver hat sehen wollen, wodurch Fox die
Oberhoheit der Whigaristvkratie über den König habe sichern wollen, aber es
sügt sich dabei die für diesen Staatsmann so charakteristische Mischung von


Grenzboten It. 1803.

war, daß der amerikanische Krieg England zu Grunde richte, klagten jetzt
über den verderblichen Frieden. Pitt erkannte, daß das Gewicht der Gründe
hier ohnmächtig gegen das Parteiinteresse sei; in einer stolzen und gewaltigen
Rede setzte er zuerst ausführlich die Vortheile des Friedens auseinander, brach
dann aber plötzlich ab und rief: „Doch was halte ich die Aufmerksamkeit zweck¬
los hin, es ist ja nicht der Friedensvertrag, den die Gegner tadeln, ihr Be¬
streben geht nur darauf aus. den Grafen von Shelburnc zu stürzen, das ist
der Gegenstand der unnatürlichen Coalition, auf die ich angespielt. Ist aber
diese schmachvolle Verbindung noch nicht vollendet, ist diese Unglück weissagende
Ehe noch nicht geschlossen, so thueich im Namen des öffentlichen Wohles Ein¬
spruch gegen das Aufgebot." Das Ministerium ward geschlagen, aber der
König gab nicht sogleich nach, auf den Rath von Dundas entließ er zwar
Shelburne, bot aber Pitt dessen Stelle an. Der Posten eines Ministerprä¬
sidenten hatte sicher für einen vierundzwanzigjährigen Mann etwas höchst Ver-
lockendes, aber Pitt ward nicht geblendet, er bat sich ruhig Bedenkzeit aus,
der König drang lebhaft in ihn, gewährte ihm freie Wahl seiner Collegen,
aber Pitt konnte nicht die Ueberzeugung gewinnen, daß auf eine Majorität zu
rechnen sei und lehnte ab. Als so wichtig aber galt er schon damals, daß, als nun
der König sich zu Fox und North bequemen mußte, diese doch noch einen Versuch
machten, Pitt zu gewinnen, aber er erklärte sich unabhängig, er werde sich zurück'
halten und die Partei nehmen, die ihm im einzelnen Falle Recht zu haben scheine.

Lord Thurlow hatte dem König gesagt, das beste Mittel die Coalition
zu stürzen, sei. ihr die Regierung zu geben, und er behielt Recht. Foxs
Negierung sollte nicht lange dauern, er fiel durch seine berühmte Jndia-
oill. Die Mihregierung in Indien war durch die Gewaltmaßregeln der engli¬
schen Proconsuln zu einem erschreckenden Grade gediehen, dazu herrschte durch
die Uneinigkeit von Directoren, Eigenthümern und Cabinet vollkommne Anar¬
chie in der Leitung der innern Angelegenheiten. Schon Chatham hatte den
Plan einer großen Reform dieser Verhältnisse gefaßt, Fox nahm diese Idee
umfassenderer Weise wieder auf. Von dem unzweifelhaft richtigen Gesichts¬
punkt ausgehend, daß Indien unter die Botmäßigkeit der englischen Regierung
gebracht werden müsse, schlug er vor, eine Behörde von sieben Directoren zu
bilden, denen die Macht der bisherigen Directoren der Gesellschaft übertragen
werden solle, ihnen zur Seite sollten acht andre stehen, um die Handelsbezie¬
hungen der Eigenthümer unter ihre Obhut zu nehmen. Alle fünfzehn sollten auf
Vier Jahre vom Parlament ernannt werden, später sollte die Ernennung der
Directoren der Krone zufallen. Man ist zu weit gegangen, wenn man in der
Bill nichts weiter als ein Parteimanöver hat sehen wollen, wodurch Fox die
Oberhoheit der Whigaristvkratie über den König habe sichern wollen, aber es
sügt sich dabei die für diesen Staatsmann so charakteristische Mischung von


Grenzboten It. 1803.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/53>, abgerufen am 28.09.2024.