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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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hatten ihn, als er auf dem Boden lag, noch zwei Kugeln, beide wieder von
seinen eigenen Leuten getroffen, von denen ihm eine durch das Handgelenk
des zerschmetterten Armes, die andere durch die Fläche der linken Hand gegan¬
gen war. Man trug ihn sofort hinter die Schlachtlinie, wo er ohne Verzug
mit Anwendung von Chloroform amputirt wurde.

Nie zeigte sich deutlicher, was Jacksons Gegenwart und Einfluß bei seinen
Leuten bedeutete, als diesen Abend. Mit seiner Verwundung ließ das Feuer
ihres Anstürmens sogleich nach. Die Kunde von ihr verbreitete sich wie ein
Lauffeuer durch die Reihen. Die geworfenen Unionisten sahen sich nicht mehr
energisch bedrängt und faßten sich ein Herz, indem ihre Artillerie über den Knüp¬
peldamm hinab mit Shrapnells und Kartätschen feuerte. Zwischen neun und
zehn Uhr wurde Hill von einem Granatsplitter an der Wade getroffen, so daß
er, sehr gegen seinen Willen, genöthigt war, das Schlachtfeld zu verlassen, wor¬
auf Stuart von Lee angewiesen wurde, vorläufig an seine Stelle zu treten.

Am Sonntag begann der Kampf bei Chancellorsville, der in der Nacht
kaum geruht hatte, mit dem ersten Morgengrauen aufs Furchtbarste. Hatte er
am Abend vorher vorzüglich auf der Seite des Knüppeldamms gewüthet, welche
dem von Orange Court House nach Chancellorsville Gehenden links liegen bleibt,
so begann er jetzt auf der rechten, da der rechte Flügel der Unionisten, vor
Jacksons Anstürmen zurückgewichen, sich hinter dem Centrum derselben auf¬
gestellt hatte. Der Morgen fand die Unionisten gänzlich innerhalb ihrer Linien,
welche von dem Flußufer quer über die Chaussee und den Knüppeldamm, dann
wieder im rechten Winkel nach letzterem zurück und auf die Stelle zuliefen, wo
dieser jenseits Chancellorsville sich südwärts wendet. Der Abhang, welchen die
Straße von Orange Court House hinaufsteigt, und welcher zu den wenigen
Punkten in dieser dichtbewaldeten Gegend gehört, die ohne Bäume sind, war
von einfachen Schanzen vertheidigt, aber hinter denselben stand eine so gewaltige
Masse von Geschützen aufgefahren, wie sie Wohl noch keines der heutigen Schlacht¬
felder gesehen hat. Gegen diesen Abhang rückte nun das Corps zum Sturm
heran, welches für alle Zeiten den Namen Stoncwall Jacksons führen wird:
zuerst die Division Hills, jetzt von General Heath geführt, dann Coulsons Re¬
gimenter, zuletzt Notes mit seiner Division. Durch einen förmlichen Tomato
von Granaten und Kartätschen, der durch den Wald pfiff und brüllte und
Stämme, Aeste und junge Bäume wie von eisernem Hagel getroffen zerbrochen
und zersplittert umherfliegen ließ, rückten mit festem Tritt wie reguläre Truppen,
unaufhaltsam wie das Schicksal Division nach Division die heldenmüthigen
Milizen des Südens heran. Wer diese gleichgültigen, zerlumpten, bettlerhaft
aussehenden Haufen gesehen hat, welche das Heer des Südens bilden, wie sie
sich schwerfällig und mühsam mit mattem Blick und niedergeschlagener Miene
nach der Front schleppen, kann sich kaum vorstellen, in was für einen Donner-


hatten ihn, als er auf dem Boden lag, noch zwei Kugeln, beide wieder von
seinen eigenen Leuten getroffen, von denen ihm eine durch das Handgelenk
des zerschmetterten Armes, die andere durch die Fläche der linken Hand gegan¬
gen war. Man trug ihn sofort hinter die Schlachtlinie, wo er ohne Verzug
mit Anwendung von Chloroform amputirt wurde.

Nie zeigte sich deutlicher, was Jacksons Gegenwart und Einfluß bei seinen
Leuten bedeutete, als diesen Abend. Mit seiner Verwundung ließ das Feuer
ihres Anstürmens sogleich nach. Die Kunde von ihr verbreitete sich wie ein
Lauffeuer durch die Reihen. Die geworfenen Unionisten sahen sich nicht mehr
energisch bedrängt und faßten sich ein Herz, indem ihre Artillerie über den Knüp¬
peldamm hinab mit Shrapnells und Kartätschen feuerte. Zwischen neun und
zehn Uhr wurde Hill von einem Granatsplitter an der Wade getroffen, so daß
er, sehr gegen seinen Willen, genöthigt war, das Schlachtfeld zu verlassen, wor¬
auf Stuart von Lee angewiesen wurde, vorläufig an seine Stelle zu treten.

Am Sonntag begann der Kampf bei Chancellorsville, der in der Nacht
kaum geruht hatte, mit dem ersten Morgengrauen aufs Furchtbarste. Hatte er
am Abend vorher vorzüglich auf der Seite des Knüppeldamms gewüthet, welche
dem von Orange Court House nach Chancellorsville Gehenden links liegen bleibt,
so begann er jetzt auf der rechten, da der rechte Flügel der Unionisten, vor
Jacksons Anstürmen zurückgewichen, sich hinter dem Centrum derselben auf¬
gestellt hatte. Der Morgen fand die Unionisten gänzlich innerhalb ihrer Linien,
welche von dem Flußufer quer über die Chaussee und den Knüppeldamm, dann
wieder im rechten Winkel nach letzterem zurück und auf die Stelle zuliefen, wo
dieser jenseits Chancellorsville sich südwärts wendet. Der Abhang, welchen die
Straße von Orange Court House hinaufsteigt, und welcher zu den wenigen
Punkten in dieser dichtbewaldeten Gegend gehört, die ohne Bäume sind, war
von einfachen Schanzen vertheidigt, aber hinter denselben stand eine so gewaltige
Masse von Geschützen aufgefahren, wie sie Wohl noch keines der heutigen Schlacht¬
felder gesehen hat. Gegen diesen Abhang rückte nun das Corps zum Sturm
heran, welches für alle Zeiten den Namen Stoncwall Jacksons führen wird:
zuerst die Division Hills, jetzt von General Heath geführt, dann Coulsons Re¬
gimenter, zuletzt Notes mit seiner Division. Durch einen förmlichen Tomato
von Granaten und Kartätschen, der durch den Wald pfiff und brüllte und
Stämme, Aeste und junge Bäume wie von eisernem Hagel getroffen zerbrochen
und zersplittert umherfliegen ließ, rückten mit festem Tritt wie reguläre Truppen,
unaufhaltsam wie das Schicksal Division nach Division die heldenmüthigen
Milizen des Südens heran. Wer diese gleichgültigen, zerlumpten, bettlerhaft
aussehenden Haufen gesehen hat, welche das Heer des Südens bilden, wie sie
sich schwerfällig und mühsam mit mattem Blick und niedergeschlagener Miene
nach der Front schleppen, kann sich kaum vorstellen, in was für einen Donner-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/504>, abgerufen am 27.09.2024.