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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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von Seiten der Feinde entdeckt und lebhaft, aber ohne Schaden Mit Granaten
beschossen wurde. Mit seiner gewohnten Raschheit ließ er Lee melden, daß der
Hügel bei der Eisenhütte von einem Regimente gehalten werden müsse, bis seine
Artillerie vorüber sei. Ein Regiment von Südcarolina besetzte den Punkt,
verließ ihn aber bald wieder mit der Kavallerie, und drei oder vier Compagnien
eines Regiments von Georgia nahmen seine Stelle ein. Der Feind, deren
Schwäche bemerkend, griff sie an und nahm sie gefangen. In diesem Augen¬
blicke aber passirte die letzte von Jacksons Batterien den Hügel, sie protzte ab,
eröffnete das Feuer und verjagte dadurch die Unionisten, worauf sie ihrem Ge¬
neral folgte. Merkwürdig, daß es dem General Hooker, obwohl dieser starke
Heerhaufe von Conföderirten unmittelbar vor ihm vorüberzog, nie in den Sinn
kam, daß sein Rücken gefährdet war, oder daß General Lee. durch Jacksons
Operation sehr geschwächt, nur ein paar hundert Aards vor der Front des
gewaltigen unionistischen Heeres stand.

Um vier Uhr Nachmittags eröffnete Lee. sich bewußt, daß Jackson nicht weit
von seinem Ziele mehr sein konnte, auf seiner ganzen Linie das Feuer, um sich über
die Vertheilung der feindlichen Massen Gewißheit zu verschaffen. Letztere antwor¬
teten, und die Kanonade währte ununterbrochen dritthalb Stunden fort. Plötz¬
lich hörte man -- es war gegen halb sieben Uhr Abends -- in der Ferne das
Knattern von Musketcnfcuer gefolgt von dem dumpfen Knall von Kanonen¬
schüssen, und augenblicklich ertheilte General Lee den Befehl an seine Reihen:
"Jackson bei der Arbeit. Mit Macht überall vorwärtsdrängen." Rasch und
unverhofft wie der Falke auf seine Beute herabstößt, war Jackson über die
Nachhut des Feindes hergefallen und hatte sie niedergeworfen, ehe an Wider¬
stand zu denken gewesen. Indem sie über den Knüppeldamm gingen und
sich fast bis zur Straße nach Elys Fort ausbreiteten, waren die drei
tapfern Divisionen hinter Chancellorsville gelangt und hatten sich mit stürmi¬
scher Hast, trunken von Schlachtenmuth auf die Feinde geworfen. Kein Graben
war hier gezogen, kein Baum gefällt, kein Pfahl aufgerichtet, ihnen zu widerstehen.
Arglos kochten sie ihr Abendessen, ein Regiment war in Parade aufgestellt, da
hörten sie auf einmal Jacksons Musketen und Kanonen und mit ihnen ihr
Schicksal. Ein intelligenter virginischer Farmer, Mr. Green, der sich bei ihnen
als Gefangner befand, vernahm, wie einer ihrer Generale noch um sechs Uhr
zu ihnen sagte: "Jackson und seine Rcbellenbande wagen uns heute Nacht nicht
vors Gesicht zu kommen. Setzt euch euer Abendessen zurecht, Jungens, und
macht euch lustig." Die Gesichter nach Osten gewendet, gesichert, wie sie wähn¬
ten, durch die dichten Massen ihrer Kameraden in den Schanzen, ohne einen
Gedanken an ihren Rücken kramten die Unionisten aus ihren Tornistern die
Leckerbissen, mit denen Boston, Neuyork und Philadelphia ihre sybaritische Sol¬
dateska versehen. Aber bevor dieses Abendessen verspeist werden sollte, waren


von Seiten der Feinde entdeckt und lebhaft, aber ohne Schaden Mit Granaten
beschossen wurde. Mit seiner gewohnten Raschheit ließ er Lee melden, daß der
Hügel bei der Eisenhütte von einem Regimente gehalten werden müsse, bis seine
Artillerie vorüber sei. Ein Regiment von Südcarolina besetzte den Punkt,
verließ ihn aber bald wieder mit der Kavallerie, und drei oder vier Compagnien
eines Regiments von Georgia nahmen seine Stelle ein. Der Feind, deren
Schwäche bemerkend, griff sie an und nahm sie gefangen. In diesem Augen¬
blicke aber passirte die letzte von Jacksons Batterien den Hügel, sie protzte ab,
eröffnete das Feuer und verjagte dadurch die Unionisten, worauf sie ihrem Ge¬
neral folgte. Merkwürdig, daß es dem General Hooker, obwohl dieser starke
Heerhaufe von Conföderirten unmittelbar vor ihm vorüberzog, nie in den Sinn
kam, daß sein Rücken gefährdet war, oder daß General Lee. durch Jacksons
Operation sehr geschwächt, nur ein paar hundert Aards vor der Front des
gewaltigen unionistischen Heeres stand.

Um vier Uhr Nachmittags eröffnete Lee. sich bewußt, daß Jackson nicht weit
von seinem Ziele mehr sein konnte, auf seiner ganzen Linie das Feuer, um sich über
die Vertheilung der feindlichen Massen Gewißheit zu verschaffen. Letztere antwor¬
teten, und die Kanonade währte ununterbrochen dritthalb Stunden fort. Plötz¬
lich hörte man — es war gegen halb sieben Uhr Abends — in der Ferne das
Knattern von Musketcnfcuer gefolgt von dem dumpfen Knall von Kanonen¬
schüssen, und augenblicklich ertheilte General Lee den Befehl an seine Reihen:
„Jackson bei der Arbeit. Mit Macht überall vorwärtsdrängen." Rasch und
unverhofft wie der Falke auf seine Beute herabstößt, war Jackson über die
Nachhut des Feindes hergefallen und hatte sie niedergeworfen, ehe an Wider¬
stand zu denken gewesen. Indem sie über den Knüppeldamm gingen und
sich fast bis zur Straße nach Elys Fort ausbreiteten, waren die drei
tapfern Divisionen hinter Chancellorsville gelangt und hatten sich mit stürmi¬
scher Hast, trunken von Schlachtenmuth auf die Feinde geworfen. Kein Graben
war hier gezogen, kein Baum gefällt, kein Pfahl aufgerichtet, ihnen zu widerstehen.
Arglos kochten sie ihr Abendessen, ein Regiment war in Parade aufgestellt, da
hörten sie auf einmal Jacksons Musketen und Kanonen und mit ihnen ihr
Schicksal. Ein intelligenter virginischer Farmer, Mr. Green, der sich bei ihnen
als Gefangner befand, vernahm, wie einer ihrer Generale noch um sechs Uhr
zu ihnen sagte: „Jackson und seine Rcbellenbande wagen uns heute Nacht nicht
vors Gesicht zu kommen. Setzt euch euer Abendessen zurecht, Jungens, und
macht euch lustig." Die Gesichter nach Osten gewendet, gesichert, wie sie wähn¬
ten, durch die dichten Massen ihrer Kameraden in den Schanzen, ohne einen
Gedanken an ihren Rücken kramten die Unionisten aus ihren Tornistern die
Leckerbissen, mit denen Boston, Neuyork und Philadelphia ihre sybaritische Sol¬
dateska versehen. Aber bevor dieses Abendessen verspeist werden sollte, waren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/502>, abgerufen am 27.09.2024.