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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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wegte sich langsam auf Chancellorsville zu, indem er alle seine Truppen mit
Ausnahme von Carlys Division nahe bei sich behielt. Aber als General
Andersons Division, in der Nachbarschaft von United States Fort, durch ihren
Rückzug vor der ungeheuren feindlichen Uebermacht das Anrücken derselben ver¬
kündete, warf er zwischen Fredericksburg und Chancellorsville Erdwerke auf und
hielt hier den Weitermarsch der Unionisten an. General Hooker drang nicht
hitzig auf ihn ein, sondern bewegte sich seinerseits langsam auf Chancellorsville
zurück, wohin ihm die Cvnföderirten noch langsamer folgten. Am Abend dieses
Tages griff General Stuart die Unionisten auf der Spotlsylvania-Straße an
und führte so eines jener unregelmäßigen Gefechte herbei, in welche in diesem
Kriege nächtliche Zusammenstöße gewöhnlich ausarten. Das dritte virginische
Regiment sprengte auf das fünfte, das fünfte seinerseits auf das dritte los;
Major von Borcke von Stuarts Stab sah sein Pferd von einem seiner eignen
Leute getödtet. Jedermann feuerte auf Jedermann, aber das Resultat war Ende
gut alles gut: die Unionisten zogen sich nach Verlust von fünfzig Gefangnen
trotz ihrer großen Ueberzahl zurück und ließen auf der Spottsylvaniastraße nichts
mehr von sich hören.

Der folgende Freitag verging ohne besondere Ereignisse. Lee fuhr fort
vorzurücken. Hooker, sich zurückzuziehen. Aber als sie sich Chancellorsville
näherten, erkannte jener, was der Rückzug der Uankees bedeutete, indem er be¬
merkte. daß die Pioniere derselben circa S00 Uards vor Chancellorsville in
einem Dickicht von Black Jack sehr starke Schanzwerke aufgeworfen hatten,
welche sich im rechten Winkel mit der Chaussee und dem Knüppeldamm befanden
und vor sich ein Verhau von gefällten Baumstämmen hatten, das jedem Vor¬
dringen Halt gebot. Bis eine Meile weit südlich von dem Knüppeldamm lau¬
fend wendeten sich diese Schanzen dann westlich, bis sie zwischen Chancellors¬
ville und Orange Court House wieder auf den Knüppeldamm trafen. Inner¬
halb dieser Schanzen standen die Uanl'ees dicht gedrängt zu grimmiger Gegen¬
wehr bereit, hinter sich auf ansteigendem Terrain ihre gewaltige Artillerie. Ihre
Stellung war furchtbar stark; wurden sie in der Front angegriffen, so war die
Niederlage der Angreifenden unausbleiblich und der Verlust an Leben mußte
für letztere geradezu entsetzlich sein. Unter solchen Umständen entschloß sich Lee,
die ihn in der Flanke Bedrohenden seinerseits in der Flanke zu fassen.

Wenn jemals Jemand für diesen Plan geeignet war, der, außerordentlich
kühn und gefahrvoll, lediglich durch Blitzschnelle und unerschrockne Ausführung ge¬
lingen konnte, so war dies sicherlich Stonewall Jackson. Mit dem ersten Morgen¬
grauen am Sonnabend stürzte er sich mit seinen berühmten drei Divisionen,
der ersten unter Hills, der zweiten unter Coulsvns, der dritten unter Notes
Befehl auf den Dorfweg, der nach der Eisengießerei führt. Hier erstieg er
einen Hügel, auf welchem er von einer benachbarten Anhöhe, Fairview genannt,


Grenzboten II. 1863. - 63

wegte sich langsam auf Chancellorsville zu, indem er alle seine Truppen mit
Ausnahme von Carlys Division nahe bei sich behielt. Aber als General
Andersons Division, in der Nachbarschaft von United States Fort, durch ihren
Rückzug vor der ungeheuren feindlichen Uebermacht das Anrücken derselben ver¬
kündete, warf er zwischen Fredericksburg und Chancellorsville Erdwerke auf und
hielt hier den Weitermarsch der Unionisten an. General Hooker drang nicht
hitzig auf ihn ein, sondern bewegte sich seinerseits langsam auf Chancellorsville
zurück, wohin ihm die Cvnföderirten noch langsamer folgten. Am Abend dieses
Tages griff General Stuart die Unionisten auf der Spotlsylvania-Straße an
und führte so eines jener unregelmäßigen Gefechte herbei, in welche in diesem
Kriege nächtliche Zusammenstöße gewöhnlich ausarten. Das dritte virginische
Regiment sprengte auf das fünfte, das fünfte seinerseits auf das dritte los;
Major von Borcke von Stuarts Stab sah sein Pferd von einem seiner eignen
Leute getödtet. Jedermann feuerte auf Jedermann, aber das Resultat war Ende
gut alles gut: die Unionisten zogen sich nach Verlust von fünfzig Gefangnen
trotz ihrer großen Ueberzahl zurück und ließen auf der Spottsylvaniastraße nichts
mehr von sich hören.

Der folgende Freitag verging ohne besondere Ereignisse. Lee fuhr fort
vorzurücken. Hooker, sich zurückzuziehen. Aber als sie sich Chancellorsville
näherten, erkannte jener, was der Rückzug der Uankees bedeutete, indem er be¬
merkte. daß die Pioniere derselben circa S00 Uards vor Chancellorsville in
einem Dickicht von Black Jack sehr starke Schanzwerke aufgeworfen hatten,
welche sich im rechten Winkel mit der Chaussee und dem Knüppeldamm befanden
und vor sich ein Verhau von gefällten Baumstämmen hatten, das jedem Vor¬
dringen Halt gebot. Bis eine Meile weit südlich von dem Knüppeldamm lau¬
fend wendeten sich diese Schanzen dann westlich, bis sie zwischen Chancellors¬
ville und Orange Court House wieder auf den Knüppeldamm trafen. Inner¬
halb dieser Schanzen standen die Uanl'ees dicht gedrängt zu grimmiger Gegen¬
wehr bereit, hinter sich auf ansteigendem Terrain ihre gewaltige Artillerie. Ihre
Stellung war furchtbar stark; wurden sie in der Front angegriffen, so war die
Niederlage der Angreifenden unausbleiblich und der Verlust an Leben mußte
für letztere geradezu entsetzlich sein. Unter solchen Umständen entschloß sich Lee,
die ihn in der Flanke Bedrohenden seinerseits in der Flanke zu fassen.

Wenn jemals Jemand für diesen Plan geeignet war, der, außerordentlich
kühn und gefahrvoll, lediglich durch Blitzschnelle und unerschrockne Ausführung ge¬
lingen konnte, so war dies sicherlich Stonewall Jackson. Mit dem ersten Morgen¬
grauen am Sonnabend stürzte er sich mit seinen berühmten drei Divisionen,
der ersten unter Hills, der zweiten unter Coulsvns, der dritten unter Notes
Befehl auf den Dorfweg, der nach der Eisengießerei führt. Hier erstieg er
einen Hügel, auf welchem er von einer benachbarten Anhöhe, Fairview genannt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/501>, abgerufen am 27.09.2024.