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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Druck der Feudallasten gewesen. Dergleichen einschneidende Maßregeln lagen
indessen dem System des Kaiser Franz sehr fern. Es blieb nichts Anderes
übrig, als seine Zuflucht zu wiederholten drückenden Anleihen, zur Ausgabe
von Bankozettcln und zur Verschlechterung der Münze zu nehmen. Am ver-
hängnißvollsten wurden die Ausgaben der Bankvzettel. Nachdem man sich be¬
reits in den Jahren 1788 einmal über jede Controle hinweggesetzt und zehn
Millionen Bankvzettel ohne jede Ankündigung unter der Hand ausgegeben
hatte, ging man in rascher Progression auf dem eingeschlagenen Wege vorwärts.
Die natürliche Folge war, daß diese Operationen das äußerste Mißtrauen er¬
regten und daß die Zettel, die Anfangs gleichen Cours mit dem Metall ge¬
habt hatten, von Jahr zu Jahr tiefer sanken. Es traten ganz ähnliche Zu¬
stände ein, wie in Frankreich zur Zeit der Assignatcnwirthschaft, eine Analogie,
auf die auch Springer aufmerksam macht. An Versuchen, dem Uebel Einhalt
zu thun, fehlte es natürlich nicht. Indessen mußten alle derartigen Versuche
Spiegelfechtereien bleiben, so lange die Ausgaben stiegen, und neue Einnahme¬
quellen nicht eröffnet wurden. Ein Finanzpalent folgte dem andern, eins blieb
so wirkungslos, wie das andre, da die Regierung unfähig war, die Sachlage
anders, als von dem kleinlichsten Gesichtspunkte aus aufzufassen. So wurde im
Jahre 1809 alles Silbergeräth mit wenigen in dem Patente bezeichneten Aus¬
nahmen eingezogen, um Silber in den Verkehr zu bringen. Die Besitzes er¬
hielten entweder Antheilscheine an einer Lotterieanleihc oder den Werth des
Silbers in Bankozettcln, zu dem viel zu wenig angenommenen Cours von drei¬
hundert (d. h. 300 Gulden Bankvzettel -- 100 Silbergulden). Die Folge
der Maßregel war, daß das Papiergeld nur noch tiefer sank. Die Wir¬
kungen eines Zustandes, in dem das ausschließlich circulirende Verkehrs¬
mittel von Jahr zu Jahr sank, und überdies als Gegenstand der Speculation
fast täglichen Schwankungen unterworfen war, waren auf allen Gebieten des
öffentlichen und Privatlebens sehr traurig. Alles verfiel der rasendsten Specu¬
lation; selbst in dem sonst festesten Besitz, dem Grundbesitze, trat ein unerhör¬
ter Wechsel ein, dem die Negierung ohne besondern Erfolg zu steuern suchte.
Ganz zu schweigen von der Dcmoralisirung aller Volksschichten, die bei einer
derartigen Zerrüttung unausbleiblich war. Die Regierung entschloß sich end¬
lich zu einem verzweifelten Schritt, zu dessen Durchführung der im Jahre 1810
zum Hofkammerpräsidentcn ernannte Graf Wallis, ein Mann, der seine Nei¬
gung zu dem rücksichtslosesten Verfahren schon als Oberstburggras von Böhmen
bewährt hatte, bestimmt war. Durch das Finanzpatcnt vom 20. Februar 1811,
welches am Is. März, Morgens 6 Uhr gleichzeitig in allen Provinzen publicirt
wurde, wurden die Bart'ozcttel, die um Betrage von mehr als 1000 Millionen
Gulden circulirten, auf den fünften Theil ihres Ncnnwerthes herabgesetzt. Die
alten Bankvzettel waren gegen Einlösungsscheine (3 Gulden Bankozettel---1 Gul-


Grenzbotcn II. 1863. 62

Druck der Feudallasten gewesen. Dergleichen einschneidende Maßregeln lagen
indessen dem System des Kaiser Franz sehr fern. Es blieb nichts Anderes
übrig, als seine Zuflucht zu wiederholten drückenden Anleihen, zur Ausgabe
von Bankozettcln und zur Verschlechterung der Münze zu nehmen. Am ver-
hängnißvollsten wurden die Ausgaben der Bankvzettel. Nachdem man sich be¬
reits in den Jahren 1788 einmal über jede Controle hinweggesetzt und zehn
Millionen Bankvzettel ohne jede Ankündigung unter der Hand ausgegeben
hatte, ging man in rascher Progression auf dem eingeschlagenen Wege vorwärts.
Die natürliche Folge war, daß diese Operationen das äußerste Mißtrauen er¬
regten und daß die Zettel, die Anfangs gleichen Cours mit dem Metall ge¬
habt hatten, von Jahr zu Jahr tiefer sanken. Es traten ganz ähnliche Zu¬
stände ein, wie in Frankreich zur Zeit der Assignatcnwirthschaft, eine Analogie,
auf die auch Springer aufmerksam macht. An Versuchen, dem Uebel Einhalt
zu thun, fehlte es natürlich nicht. Indessen mußten alle derartigen Versuche
Spiegelfechtereien bleiben, so lange die Ausgaben stiegen, und neue Einnahme¬
quellen nicht eröffnet wurden. Ein Finanzpalent folgte dem andern, eins blieb
so wirkungslos, wie das andre, da die Regierung unfähig war, die Sachlage
anders, als von dem kleinlichsten Gesichtspunkte aus aufzufassen. So wurde im
Jahre 1809 alles Silbergeräth mit wenigen in dem Patente bezeichneten Aus¬
nahmen eingezogen, um Silber in den Verkehr zu bringen. Die Besitzes er¬
hielten entweder Antheilscheine an einer Lotterieanleihc oder den Werth des
Silbers in Bankozettcln, zu dem viel zu wenig angenommenen Cours von drei¬
hundert (d. h. 300 Gulden Bankvzettel — 100 Silbergulden). Die Folge
der Maßregel war, daß das Papiergeld nur noch tiefer sank. Die Wir¬
kungen eines Zustandes, in dem das ausschließlich circulirende Verkehrs¬
mittel von Jahr zu Jahr sank, und überdies als Gegenstand der Speculation
fast täglichen Schwankungen unterworfen war, waren auf allen Gebieten des
öffentlichen und Privatlebens sehr traurig. Alles verfiel der rasendsten Specu¬
lation; selbst in dem sonst festesten Besitz, dem Grundbesitze, trat ein unerhör¬
ter Wechsel ein, dem die Negierung ohne besondern Erfolg zu steuern suchte.
Ganz zu schweigen von der Dcmoralisirung aller Volksschichten, die bei einer
derartigen Zerrüttung unausbleiblich war. Die Regierung entschloß sich end¬
lich zu einem verzweifelten Schritt, zu dessen Durchführung der im Jahre 1810
zum Hofkammerpräsidentcn ernannte Graf Wallis, ein Mann, der seine Nei¬
gung zu dem rücksichtslosesten Verfahren schon als Oberstburggras von Böhmen
bewährt hatte, bestimmt war. Durch das Finanzpatcnt vom 20. Februar 1811,
welches am Is. März, Morgens 6 Uhr gleichzeitig in allen Provinzen publicirt
wurde, wurden die Bart'ozcttel, die um Betrage von mehr als 1000 Millionen
Gulden circulirten, auf den fünften Theil ihres Ncnnwerthes herabgesetzt. Die
alten Bankvzettel waren gegen Einlösungsscheine (3 Gulden Bankozettel---1 Gul-


Grenzbotcn II. 1863. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/493>, abgerufen am 27.09.2024.