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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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In Bayern sind seit 1862 die Schüler einiger k. Studienanstalten und
die Zöglinge der Schullehrerseminare zu Turnübungen verpflichtet, auch gibt
die Negierung, 1861 vom Landtag darum angegangen, außer Beiträgen zum
Bau von Turnhallen, jährlich die budgetmäßige Summe von 12 bis 14,000
Fi. für Turnzwecke aus. In Sachsen hat die Regierung, schon 1837 (auf
Antrag Großmanns, des Gründers des Gustav-Adolph-Bereins) von den Stän¬
den dazu angeregt, die "Gymnastik" als nothwendigen Lehrgegenstand in die
Gelehrtenschulen eingeführt und 1850 durch Errichtung einer Turnlehrerbildungs¬
anstalt zu Dresden Sorge getragen, daß es nicht an Leuten fehlt, welche das
Schulturnen zu leiten im Stande find. Mit der Regierung gehen die städtischen
Behörden Hand in Hand. Was Hannover betrifft, so wird hier an den
höheren Schulen ziemlich allgemein geturnt, die Anregung der Stände aber,
das Turnen in den Volksschulen einzuführen, hat bei der Negierung nichts ge¬
fruchtet, und dieselbe zeigt sich der Sache gegenüber überhaupt indifferent. Die
Regierung Würtembergs, die sich früher ähnlich verhielt, hat 1862, um die
allgemeine Einführung des Turnens in den Schulen vorzubereiten, in Stutt¬
gart eine Centralturnanstalt begründet. In gleicher Weise und in demselben
Jahre entschloß man sich in Baden zur Errichtung einer Landesturnanstalt,
und es steht zu erwarten, daß die vielversprechenden Anfänge eines geordneten
Schulturnens hier sehr bald ihre gleichmäßige Entwickelung erhalten werden.
In Hessen-Darmstadt bestand schon seit 1848 eine Turnlehrerbildungsanstalt,
und wenn die Regierung in den letzten Jahren in ihrer Sorge für dieses In¬
stitut sehr nachgelassen hat, so daß dasselbe eingegangen ist, so steht es trotzdem
um das Schulturnen im Lande recht gut, wie das nach dem jahrelangen Wir¬
ken von Adolf Spieß nicht anders sein kann. In Oldenburg ist der Turn¬
unterricht bereits seit 1847 in den Volksschulen obligatorisch, wogegen es in
Mecklenburg-Schwerin nur in den gelehrten Schulen als unerläßlicher
Gegenstand des Unterrichts gilt. In Nassau wird an mehren öffentlichen
Lehranstalten schon seit langer Zeit geturnt, und neuerdings (1861) haben sich
Negierung und Kammern dahin geeinigt, daß das Turnen sowohl bei den höhern
als den Elementarschulen, zunächst nur sür die männliche Jugend, obligatorisch
eingeführt und namentlich bei den Lehrerseminaren zu Montabaur und Usingen
öffentlich betrieben werden müsse.

Ueber die übrigen deutschen Kleinstaaten müssen wir kurz sein: Luxemburg,
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Strelitz -- nichts von einer Sorge der Regie-
rung für das Turnen zu berichten. Weimar und Coburg-Gotha, desgleichen
Frankfurt -- Turnunterricht obligatorisch in allen Schulen, in letzterem Staat
sogar für beide Geschlechter. Braunschweig -- seit geraumer Zeit an den Gym¬
nasien geturnt, in der Hauptstadt an allen Schulen und zwar obligatorisch.
Den Rest wolle man sich von unsrer Schrift selbst schildern lassen, und es ge-


Grcnzlwtcn II. 1863. 69

In Bayern sind seit 1862 die Schüler einiger k. Studienanstalten und
die Zöglinge der Schullehrerseminare zu Turnübungen verpflichtet, auch gibt
die Negierung, 1861 vom Landtag darum angegangen, außer Beiträgen zum
Bau von Turnhallen, jährlich die budgetmäßige Summe von 12 bis 14,000
Fi. für Turnzwecke aus. In Sachsen hat die Regierung, schon 1837 (auf
Antrag Großmanns, des Gründers des Gustav-Adolph-Bereins) von den Stän¬
den dazu angeregt, die „Gymnastik" als nothwendigen Lehrgegenstand in die
Gelehrtenschulen eingeführt und 1850 durch Errichtung einer Turnlehrerbildungs¬
anstalt zu Dresden Sorge getragen, daß es nicht an Leuten fehlt, welche das
Schulturnen zu leiten im Stande find. Mit der Regierung gehen die städtischen
Behörden Hand in Hand. Was Hannover betrifft, so wird hier an den
höheren Schulen ziemlich allgemein geturnt, die Anregung der Stände aber,
das Turnen in den Volksschulen einzuführen, hat bei der Negierung nichts ge¬
fruchtet, und dieselbe zeigt sich der Sache gegenüber überhaupt indifferent. Die
Regierung Würtembergs, die sich früher ähnlich verhielt, hat 1862, um die
allgemeine Einführung des Turnens in den Schulen vorzubereiten, in Stutt¬
gart eine Centralturnanstalt begründet. In gleicher Weise und in demselben
Jahre entschloß man sich in Baden zur Errichtung einer Landesturnanstalt,
und es steht zu erwarten, daß die vielversprechenden Anfänge eines geordneten
Schulturnens hier sehr bald ihre gleichmäßige Entwickelung erhalten werden.
In Hessen-Darmstadt bestand schon seit 1848 eine Turnlehrerbildungsanstalt,
und wenn die Regierung in den letzten Jahren in ihrer Sorge für dieses In¬
stitut sehr nachgelassen hat, so daß dasselbe eingegangen ist, so steht es trotzdem
um das Schulturnen im Lande recht gut, wie das nach dem jahrelangen Wir¬
ken von Adolf Spieß nicht anders sein kann. In Oldenburg ist der Turn¬
unterricht bereits seit 1847 in den Volksschulen obligatorisch, wogegen es in
Mecklenburg-Schwerin nur in den gelehrten Schulen als unerläßlicher
Gegenstand des Unterrichts gilt. In Nassau wird an mehren öffentlichen
Lehranstalten schon seit langer Zeit geturnt, und neuerdings (1861) haben sich
Negierung und Kammern dahin geeinigt, daß das Turnen sowohl bei den höhern
als den Elementarschulen, zunächst nur sür die männliche Jugend, obligatorisch
eingeführt und namentlich bei den Lehrerseminaren zu Montabaur und Usingen
öffentlich betrieben werden müsse.

Ueber die übrigen deutschen Kleinstaaten müssen wir kurz sein: Luxemburg,
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Strelitz — nichts von einer Sorge der Regie-
rung für das Turnen zu berichten. Weimar und Coburg-Gotha, desgleichen
Frankfurt — Turnunterricht obligatorisch in allen Schulen, in letzterem Staat
sogar für beide Geschlechter. Braunschweig — seit geraumer Zeit an den Gym¬
nasien geturnt, in der Hauptstadt an allen Schulen und zwar obligatorisch.
Den Rest wolle man sich von unsrer Schrift selbst schildern lassen, und es ge-


Grcnzlwtcn II. 1863. 69
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[0469] In Bayern sind seit 1862 die Schüler einiger k. Studienanstalten und die Zöglinge der Schullehrerseminare zu Turnübungen verpflichtet, auch gibt die Negierung, 1861 vom Landtag darum angegangen, außer Beiträgen zum Bau von Turnhallen, jährlich die budgetmäßige Summe von 12 bis 14,000 Fi. für Turnzwecke aus. In Sachsen hat die Regierung, schon 1837 (auf Antrag Großmanns, des Gründers des Gustav-Adolph-Bereins) von den Stän¬ den dazu angeregt, die „Gymnastik" als nothwendigen Lehrgegenstand in die Gelehrtenschulen eingeführt und 1850 durch Errichtung einer Turnlehrerbildungs¬ anstalt zu Dresden Sorge getragen, daß es nicht an Leuten fehlt, welche das Schulturnen zu leiten im Stande find. Mit der Regierung gehen die städtischen Behörden Hand in Hand. Was Hannover betrifft, so wird hier an den höheren Schulen ziemlich allgemein geturnt, die Anregung der Stände aber, das Turnen in den Volksschulen einzuführen, hat bei der Negierung nichts ge¬ fruchtet, und dieselbe zeigt sich der Sache gegenüber überhaupt indifferent. Die Regierung Würtembergs, die sich früher ähnlich verhielt, hat 1862, um die allgemeine Einführung des Turnens in den Schulen vorzubereiten, in Stutt¬ gart eine Centralturnanstalt begründet. In gleicher Weise und in demselben Jahre entschloß man sich in Baden zur Errichtung einer Landesturnanstalt, und es steht zu erwarten, daß die vielversprechenden Anfänge eines geordneten Schulturnens hier sehr bald ihre gleichmäßige Entwickelung erhalten werden. In Hessen-Darmstadt bestand schon seit 1848 eine Turnlehrerbildungsanstalt, und wenn die Regierung in den letzten Jahren in ihrer Sorge für dieses In¬ stitut sehr nachgelassen hat, so daß dasselbe eingegangen ist, so steht es trotzdem um das Schulturnen im Lande recht gut, wie das nach dem jahrelangen Wir¬ ken von Adolf Spieß nicht anders sein kann. In Oldenburg ist der Turn¬ unterricht bereits seit 1847 in den Volksschulen obligatorisch, wogegen es in Mecklenburg-Schwerin nur in den gelehrten Schulen als unerläßlicher Gegenstand des Unterrichts gilt. In Nassau wird an mehren öffentlichen Lehranstalten schon seit langer Zeit geturnt, und neuerdings (1861) haben sich Negierung und Kammern dahin geeinigt, daß das Turnen sowohl bei den höhern als den Elementarschulen, zunächst nur sür die männliche Jugend, obligatorisch eingeführt und namentlich bei den Lehrerseminaren zu Montabaur und Usingen öffentlich betrieben werden müsse. Ueber die übrigen deutschen Kleinstaaten müssen wir kurz sein: Luxemburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Strelitz — nichts von einer Sorge der Regie- rung für das Turnen zu berichten. Weimar und Coburg-Gotha, desgleichen Frankfurt — Turnunterricht obligatorisch in allen Schulen, in letzterem Staat sogar für beide Geschlechter. Braunschweig — seit geraumer Zeit an den Gym¬ nasien geturnt, in der Hauptstadt an allen Schulen und zwar obligatorisch. Den Rest wolle man sich von unsrer Schrift selbst schildern lassen, und es ge- Grcnzlwtcn II. 1863. 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/469>, abgerufen am 27.09.2024.