Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.fand, einen näheren Verkehr einzuleiten, wurde zu diesem Zweck ein Beiblatt, Um diese Wichtigkeit des historischen Archivs für Italien zu würdigen, fand, einen näheren Verkehr einzuleiten, wurde zu diesem Zweck ein Beiblatt, Um diese Wichtigkeit des historischen Archivs für Italien zu würdigen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188460"/> <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> fand, einen näheren Verkehr einzuleiten, wurde zu diesem Zweck ein Beiblatt,<lb/> die sogenannte appencliee, herausgegeben, das kleinere Notizen, Correspon-<lb/> denzen, eine Uebersicht über die neu erschienenen Werke, bald auch größere<lb/> Kritiken und selbständige Aufsähe enthielt. Mit dem Jahre 1854 wurde die<lb/> Sammlung der Documente abgeschlossen, und das historische Archiv erscheint<lb/> seitdem in Form einer Revue, unter deren ausgezeichneten Mitarbeitern wir<lb/> nur Giuv Capponi, Niccolo Tommasev, Leop. Galeotti, Otto Vanucci,<lb/> G. Rosa, M. Amari, Glüh. Canestrini und — in der Reihe der Fleißigsten<lb/> — unsern Landsmann Alfred Neumond nennen. Ihr Inhalt erstreckt sich be¬<lb/> kanntlich über alle Perioden der italienischen Geschichte, die altrömische nicht<lb/> ausgeschlossen; doch behielt sie ihren Schwerpunkt in den Arbeiten über das<lb/> Mittelalter. Selbständige Studien wechseln ab mit kritischen Besprechungen,<lb/> auch was von der fremdländischen Literatur, von der deutschen zumal und von<lb/> der französischen, in das Fach der, italienischen Geschichte schlägt, findet immer<lb/> in der Regel gerechte Würdigung; es ist eine Stätte, wo inmitten politischer<lb/> Verstimmungen deutsche und italienische Wissenschaft nicht aufgehört daven, sich<lb/> zu gegenseitiger Förderung zu berühren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Um diese Wichtigkeit des historischen Archivs für Italien zu würdigen,<lb/> muß man im Auge behalten, welchen Einfluß die historischen Studien über¬<lb/> haupt auf die Hebung des Volksgeistes ausgeübt haben. Die wirkliche Er¬<lb/> forschung der Vergangenheit war im Grunde noch der geringste Gewinn. Weit<lb/> wichtiger war, daß die Italiener in lebendigstem Wetteifer sich in ernstliche Stu¬<lb/> dien vertieften, welche zu dem Phantasieleben der Nation ein heilsames Gegen¬<lb/> gewicht bildeten, daß an der Ergründung der vaterländischen Geschichte der pa¬<lb/> triotische Sinn erstarkte, und daß durch die auf allen Seiten gleichmäßig er¬<lb/> weckte Thätigkeit die ganze Geschichtsauffassung eine freiere wurde, die<lb/> municipale Befangenheit überall nationalen Gesichtspunkten weichen mußte.<lb/> Die Berührung mit den Interessen der Gegenwart ergab sich dabei ganz Von<lb/> selbst. Bestand im Herzen von Italien noch ein Stück echtes Mittelalter, und<lb/> zwar dasselbe, welches seit Macchiavell mit Recht als das principielle Hinder¬<lb/> niß der Einheit Italiens betrachtet wurde, so mußte die Erforschung mittel¬<lb/> alterlicher Geschichten nothwendig ein Interesse erhalten, das über das rein ge¬<lb/> schichtliche hinausging. Keine Parthie der italienischen Geschichte wurde<lb/> unermüdlicher durchforscht und war Gegenstand hartnäckigeren Kampfes, als das<lb/> Ende der longobardischen Herrschaft durch das abendländische Kaiserthum und<lb/> später der Untergang des hohenstaufischen Hauses. Ganz natürlich an diese<lb/> beiden großen Katastrophen knüpften sich dieselben Probleme, die jetzt wieder<lb/> alle Gemüther beschäftigten, die Frage nach der weltlichen Gewalt des Papstes<lb/> und die Frage von der Einheit Italiens. Retteten die Päpste Italien, indem<lb/> sie gegen die barbarischen Longobarden die Franken, gegen das schwäbische</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0433]
fand, einen näheren Verkehr einzuleiten, wurde zu diesem Zweck ein Beiblatt,
die sogenannte appencliee, herausgegeben, das kleinere Notizen, Correspon-
denzen, eine Uebersicht über die neu erschienenen Werke, bald auch größere
Kritiken und selbständige Aufsähe enthielt. Mit dem Jahre 1854 wurde die
Sammlung der Documente abgeschlossen, und das historische Archiv erscheint
seitdem in Form einer Revue, unter deren ausgezeichneten Mitarbeitern wir
nur Giuv Capponi, Niccolo Tommasev, Leop. Galeotti, Otto Vanucci,
G. Rosa, M. Amari, Glüh. Canestrini und — in der Reihe der Fleißigsten
— unsern Landsmann Alfred Neumond nennen. Ihr Inhalt erstreckt sich be¬
kanntlich über alle Perioden der italienischen Geschichte, die altrömische nicht
ausgeschlossen; doch behielt sie ihren Schwerpunkt in den Arbeiten über das
Mittelalter. Selbständige Studien wechseln ab mit kritischen Besprechungen,
auch was von der fremdländischen Literatur, von der deutschen zumal und von
der französischen, in das Fach der, italienischen Geschichte schlägt, findet immer
in der Regel gerechte Würdigung; es ist eine Stätte, wo inmitten politischer
Verstimmungen deutsche und italienische Wissenschaft nicht aufgehört daven, sich
zu gegenseitiger Förderung zu berühren.
Um diese Wichtigkeit des historischen Archivs für Italien zu würdigen,
muß man im Auge behalten, welchen Einfluß die historischen Studien über¬
haupt auf die Hebung des Volksgeistes ausgeübt haben. Die wirkliche Er¬
forschung der Vergangenheit war im Grunde noch der geringste Gewinn. Weit
wichtiger war, daß die Italiener in lebendigstem Wetteifer sich in ernstliche Stu¬
dien vertieften, welche zu dem Phantasieleben der Nation ein heilsames Gegen¬
gewicht bildeten, daß an der Ergründung der vaterländischen Geschichte der pa¬
triotische Sinn erstarkte, und daß durch die auf allen Seiten gleichmäßig er¬
weckte Thätigkeit die ganze Geschichtsauffassung eine freiere wurde, die
municipale Befangenheit überall nationalen Gesichtspunkten weichen mußte.
Die Berührung mit den Interessen der Gegenwart ergab sich dabei ganz Von
selbst. Bestand im Herzen von Italien noch ein Stück echtes Mittelalter, und
zwar dasselbe, welches seit Macchiavell mit Recht als das principielle Hinder¬
niß der Einheit Italiens betrachtet wurde, so mußte die Erforschung mittel¬
alterlicher Geschichten nothwendig ein Interesse erhalten, das über das rein ge¬
schichtliche hinausging. Keine Parthie der italienischen Geschichte wurde
unermüdlicher durchforscht und war Gegenstand hartnäckigeren Kampfes, als das
Ende der longobardischen Herrschaft durch das abendländische Kaiserthum und
später der Untergang des hohenstaufischen Hauses. Ganz natürlich an diese
beiden großen Katastrophen knüpften sich dieselben Probleme, die jetzt wieder
alle Gemüther beschäftigten, die Frage nach der weltlichen Gewalt des Papstes
und die Frage von der Einheit Italiens. Retteten die Päpste Italien, indem
sie gegen die barbarischen Longobarden die Franken, gegen das schwäbische
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