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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Schmuck ein angelogenes Gallaklcid von Stuck, der verkörperte Widersinn: ein
monumentaler übcrtünchter Flitterstaat, der nach dem Verlauf weniger Jahre
abfallen und nichts als das nackte Gerippe zurücklassen wird.


Münzg chaude.

Regierungsgebäude und Nationalmuseum stehen auf dem "Forum" (bei-
läufig: weshalb der Name, ist um so weniger abzusehen, als man sonst dem
Alterthum so entschieden den Rücken kehrt); dieses Gebäude -- wieder von dem
Architekten des ersteren Baues -- in dem engeren Theil der Straße. Daß man
dort der heiteren Pflanzenwelt einen Platz gönnte, um die Natur in die Stadt
gleichsam einzuführen, war, wie schon bemerkt, bei der Weite des Raumes
ganz passend. Aber die Bäume laufen auch in der eigentlichen Straße fort,
und hier hat diese spielende, kindische Einmischung der Natur keinen andern
Zweck, als den Fanden einen verhüllenden Schleier von welken Laub vorzu¬
halten. Von dem neuen Stil kann es freilich nicht Wunder nehmen, daß er
selbst Natur und Kunst ungereimt durcheinandermengt.

Von dem älteren, weiter zurückstehender Münzbau sind zwei hohe Flügel¬
gebäude bis nahe an die Flucht der neuen Straße herausgebaut. Diese ha¬
ben abgewalmte Dächer mit vorspringenden hölzernen Sparren und hölzerner
Dachverschalung. Auf diese Holzdächer werden wir noch bei den Privatbauten
zu sprechen kommen; daß ihre patriarchalisch-ländliche, primitive Gemüthlichkeit
am wenigsten für einen öffentlichen Bau sich eignet, wird auch das Auge des
Laien empfinden. Unter der Höhe dieser Dachkränze schieben sich nochmals et¬
was schmalere in flache Giebel ausgehende Vorhanden aus den Flügelgebäuden
bis an die Flucht der Straße vor: das nüchternste Voreinander zweier Dächer.
Der obere zweistöckige Theil dieser Vorhanden steht auf offenen Spitzbogen-
arkaden, welche durch die zwei unteren Stockwerke gehen und, zwischen den
beiden Flügeln als ihre Verbindung in der Straßenflucht fortlaufend, unten
einen gedeckten, an der Seite offenen, und darüber, wie es scheint, einen un¬
gedeckten Gang bilden. Durch diesen offenen Arkadengang sieht man von der
Straße aus in einen Hof, dessen Rückseite das alte Münzgebäude bildet. Ob
die äußere Form des letzteren eine Aenderung erfahren und wie der Hof aus¬
gestattet werden wird, wissen wir nicht; ob man wohl das nicht ungünstige
malerische Motiv, welches durch diese Anordnung sich gebildet hat, auf eine
schöne Weise architektonisch weiter benutzen wird?

Was man bis jetzt vollendet sieht, läßt daran zweifeln. Die Arkaden ha¬
ben ein unschönes, gestrecktes Verhältniß und entbehren oben des kräftigen Ab¬
schlusses, welches die oberen Gebäudethcile sowohl als die zwischen denselben
laufende Ballustrade scharf von den Arkaden geschieden hätte. Die Pfeiler der
Spitzbogen sind allerdings stark genug aus Hausteinen, jedoch in einer höchst


Schmuck ein angelogenes Gallaklcid von Stuck, der verkörperte Widersinn: ein
monumentaler übcrtünchter Flitterstaat, der nach dem Verlauf weniger Jahre
abfallen und nichts als das nackte Gerippe zurücklassen wird.


Münzg chaude.

Regierungsgebäude und Nationalmuseum stehen auf dem „Forum" (bei-
läufig: weshalb der Name, ist um so weniger abzusehen, als man sonst dem
Alterthum so entschieden den Rücken kehrt); dieses Gebäude — wieder von dem
Architekten des ersteren Baues — in dem engeren Theil der Straße. Daß man
dort der heiteren Pflanzenwelt einen Platz gönnte, um die Natur in die Stadt
gleichsam einzuführen, war, wie schon bemerkt, bei der Weite des Raumes
ganz passend. Aber die Bäume laufen auch in der eigentlichen Straße fort,
und hier hat diese spielende, kindische Einmischung der Natur keinen andern
Zweck, als den Fanden einen verhüllenden Schleier von welken Laub vorzu¬
halten. Von dem neuen Stil kann es freilich nicht Wunder nehmen, daß er
selbst Natur und Kunst ungereimt durcheinandermengt.

Von dem älteren, weiter zurückstehender Münzbau sind zwei hohe Flügel¬
gebäude bis nahe an die Flucht der neuen Straße herausgebaut. Diese ha¬
ben abgewalmte Dächer mit vorspringenden hölzernen Sparren und hölzerner
Dachverschalung. Auf diese Holzdächer werden wir noch bei den Privatbauten
zu sprechen kommen; daß ihre patriarchalisch-ländliche, primitive Gemüthlichkeit
am wenigsten für einen öffentlichen Bau sich eignet, wird auch das Auge des
Laien empfinden. Unter der Höhe dieser Dachkränze schieben sich nochmals et¬
was schmalere in flache Giebel ausgehende Vorhanden aus den Flügelgebäuden
bis an die Flucht der Straße vor: das nüchternste Voreinander zweier Dächer.
Der obere zweistöckige Theil dieser Vorhanden steht auf offenen Spitzbogen-
arkaden, welche durch die zwei unteren Stockwerke gehen und, zwischen den
beiden Flügeln als ihre Verbindung in der Straßenflucht fortlaufend, unten
einen gedeckten, an der Seite offenen, und darüber, wie es scheint, einen un¬
gedeckten Gang bilden. Durch diesen offenen Arkadengang sieht man von der
Straße aus in einen Hof, dessen Rückseite das alte Münzgebäude bildet. Ob
die äußere Form des letzteren eine Aenderung erfahren und wie der Hof aus¬
gestattet werden wird, wissen wir nicht; ob man wohl das nicht ungünstige
malerische Motiv, welches durch diese Anordnung sich gebildet hat, auf eine
schöne Weise architektonisch weiter benutzen wird?

Was man bis jetzt vollendet sieht, läßt daran zweifeln. Die Arkaden ha¬
ben ein unschönes, gestrecktes Verhältniß und entbehren oben des kräftigen Ab¬
schlusses, welches die oberen Gebäudethcile sowohl als die zwischen denselben
laufende Ballustrade scharf von den Arkaden geschieden hätte. Die Pfeiler der
Spitzbogen sind allerdings stark genug aus Hausteinen, jedoch in einer höchst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/425>, abgerufen am 27.09.2024.