Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.Macht, die politische Macht der gesetzgebenden und richterlichen Körper, die "Die liberale Partei steht dann mit ihrer Intention der Herrschaft des Und weiter lesen wir bei Stahl: "Für die materielle Sphäre fordert die Grenzboten II. 1863. 52
Macht, die politische Macht der gesetzgebenden und richterlichen Körper, die „Die liberale Partei steht dann mit ihrer Intention der Herrschaft des Und weiter lesen wir bei Stahl: „Für die materielle Sphäre fordert die Grenzboten II. 1863. 52
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Macht, die politische Macht der gesetzgebenden und richterlichen Körper, die
militärische der Bürgerwehr, die geistige der Presse ausschließlich in die Hand
der Vermöglichen gelegt. In Verbindung damit steht die indirecte Wahl. Wo
nämlich der Census nicht hoch genug angesetzt werden kann, da soll durch mehre
Wahlstufen gleichsam als durch eine Art Destillation, der Einfluß der Volks¬
masse abgeklärt werden, daß zuletzt der Kandidat des Mittelstandes, der mode¬
rate, sich herausstelle."
„Die liberale Partei steht dann mit ihrer Intention der Herrschaft des
Mittelstandes nicht blos auf dem falschen Princip, welches der ganzen Revolu¬
tion gemeinsam ist, der Volkssouveränetät, sondern befindet sich noch in dem be¬
sondern Mißvcrhältinß, daß sie inconsequent gegen dieses ihr eignes Princip
ist, und zwar, wenn auch nickt aus Selbstsucht, so doch dem Scheine nach aus
Selbstsucht. Denn, wenn der Wille des Menschen die einzige berechtigte Macht
in der gesellschaftlichen Ordnung ist, warum blos der Wille der Begüterten und
Gebildeten? ist der besitzlose Arbeiier weniger Mensch? Wenn die Bourgeoisie
das Königthum nicht über sich erträgt, ja keine etwas hervorragende Grund¬
aristokratie über sich erträgt, warum soll der pizuplo die Bourgeoisie über sich
ertragen? Wenn die Majorität derjenigen, die tausend Franken Steuer zahlen,
Herr im Staat sein soll, warum nicht die noch größre Majorität derjenigen,
welche nur zehn Franken ober gar keine Franken zahlen?" „Die beiden privile-
girten Stände des Mittelalters verdienten sich ihr Privilegium, der Adel da¬
durch, daß er das Leben wagte, der Klerus dadurch, daß er dem Leben ent¬
sagte, der gegenwärtige privilegirte Stand, die Mittelclasse, will sein Privilegium
nur in Behagen genießen. Deshalb, wenn er sich überhebt und nach der
Intention des Liberalismus das Königthum unter sich beugt, mittelst seiner
parlamentarischen Majorität das Land beherrscht, so ist die Erbitterung
der untern Classen gegen ihn stärker, als je gegen die Geburts¬
aristokratie."
Und weiter lesen wir bei Stahl: „Für die materielle Sphäre fordert die
liberale Partei freien Verkehr und freie Concurrenz. Es sollen keine Schran¬
ken individueller Erwerbthätigkeit bestehen, wie nach dem alten conservativen
System: keine Schranken in Veräußerung und Zerstückelung der Rittergüter und
Bauerngüter, keine Schranken in Betrieb der Gewerbe, keine Schranken in
der Ansässigmachung. Es soll aber auch keine Leitung der Erwerbthätigkeit
durch die Gesammtheit bestehen, wie das neuere socialistische System sie an¬
strebt. Die conservative Partei will Schranken durch die Institutionen, die
socialistische Partei Leitung durch die Gesammtheit. Dort steht der Mensch un¬
ter einem Gesetze, hier unter der Mehrheit der andern Menschen, die ihm seine
Arbeit vorschreiben. Die liberale Partei verwirft beides und fordert unbedingt
die individuelle Freiheit. Weder in jener noch in dieser Weise soll der Staat
Grenzboten II. 1863. 52
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