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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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noch seine bedeutende Ausdehnung haben werde. Darauf erfolgte die Wahl
von 16 Ausschuß- oder Vorstandsmitgliedern. Dann Schluß der constituirenden
Versammlung mit einem Hoch auf den neuen Herrn Präsidenten, und hiernach
eine Festfeier, bei welcher Lassalle, nachdem er der Deutschen Allgemeinen Zei¬
tung das für ihre Unterstützung seiner Sache in der That gebührende Lob ge¬
spendet, mit folgender erschrecklichen Drohung gegen die liberale Presse vorging!

"Meine Herren, wir wollen der liberalen Presse noch eine Frist von vier
Wochen geben und ihre Verhaltungsweise während dieser Zeit beobachten. Ich
hoffe, daß sie dieselbe ändern werde, und glaube es; denn alle ihre Anstren¬
gungen haben zu nichts geführt. Wir sind heute bereits eine mächtige Partei,
und in diesem Augenblicke erwarten acht- bis zehntausend deutsche Arbeiter un¬
geduldig den Moment (wirklich acht-bis zehntausend und wirtlich so ungeduldig?),
wo Listen aufgelegt werden, in welche sie sich als Mitglieder einzeichnen kön¬
nen. Diese Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen wird die liberale Presse in ih¬
rem eignen Interesse zum Bewußtsein bringen. Wenn sie nach Ablauf der
vier Wochen ihre Kampfweise nicht geändert hat, so werdeich dann als gegen¬
wärtiger Präsident des deutschen Arbeitervereins bei dessen Vorstand beantragen,
daß wir uns zu entschiedenen Feinden der liberalen Presse und der liberalen
Partei erkläre"."

"Stolz liebe ich den Spanier", aber wir fürchten, die liberale Presse wird
die ihr von Herrn Lassalles Güte gestellte Frist, in sich zu gehen, zu bereuen
und sich zu bessern, nicht benutzen, und die liberale Partei wird die volle
Größe des Unglücks, eine Kraft wie die des Vereins, dem er präsidire, ein¬
zubüßen, so wenig wie bisher zu würdigen wissen. Wir werden es also wirk¬
lich erleben, daß die Propheten des leipziger Colosseums aus bloßen einfachen
Feinden unsrer Partei zu entschiedenen Feinden werden und, wie man doch
wohl annehmen muß, sich mittelbar oder unmittelbar in einem der Lager unse¬
rer bisherigen entschiedenen Feinde ihre Bundesgenossen suchen. In welchem,
scheint noch nicht ausgemacht. Gewiß ist nur, wohin sie eigentlich gehören.

Herr Lassalle hat, so viel uns bekannt, unter den vielen Gewährsmännern,
die er wohl oder übel für seinen socialistischen Humbug citirte, einen anzuführen
vergessen, der sich ganz besonders und ohne Zwang der Interpretation für seine
Zwecke eignete, und an den wir daher für Fälle weiteren Bedarfs von Stützen
des Systems erinnern.

Wir meinen den seligen Professor Stahl in Berlin und seine Vor¬
lesungen über die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche^). Allerdings



") Das Buch ist soeben unter dem Titel: "Die gegenwärtigen Parteien in
Staat und Kirche. -- neunundzwanzig akademische Vorlesungen von Stahl", zu Ber¬
lin im Verlag von Wilhelm Hertz (3S3 S,) erschienen.

noch seine bedeutende Ausdehnung haben werde. Darauf erfolgte die Wahl
von 16 Ausschuß- oder Vorstandsmitgliedern. Dann Schluß der constituirenden
Versammlung mit einem Hoch auf den neuen Herrn Präsidenten, und hiernach
eine Festfeier, bei welcher Lassalle, nachdem er der Deutschen Allgemeinen Zei¬
tung das für ihre Unterstützung seiner Sache in der That gebührende Lob ge¬
spendet, mit folgender erschrecklichen Drohung gegen die liberale Presse vorging!

„Meine Herren, wir wollen der liberalen Presse noch eine Frist von vier
Wochen geben und ihre Verhaltungsweise während dieser Zeit beobachten. Ich
hoffe, daß sie dieselbe ändern werde, und glaube es; denn alle ihre Anstren¬
gungen haben zu nichts geführt. Wir sind heute bereits eine mächtige Partei,
und in diesem Augenblicke erwarten acht- bis zehntausend deutsche Arbeiter un¬
geduldig den Moment (wirklich acht-bis zehntausend und wirtlich so ungeduldig?),
wo Listen aufgelegt werden, in welche sie sich als Mitglieder einzeichnen kön¬
nen. Diese Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen wird die liberale Presse in ih¬
rem eignen Interesse zum Bewußtsein bringen. Wenn sie nach Ablauf der
vier Wochen ihre Kampfweise nicht geändert hat, so werdeich dann als gegen¬
wärtiger Präsident des deutschen Arbeitervereins bei dessen Vorstand beantragen,
daß wir uns zu entschiedenen Feinden der liberalen Presse und der liberalen
Partei erkläre»."

„Stolz liebe ich den Spanier", aber wir fürchten, die liberale Presse wird
die ihr von Herrn Lassalles Güte gestellte Frist, in sich zu gehen, zu bereuen
und sich zu bessern, nicht benutzen, und die liberale Partei wird die volle
Größe des Unglücks, eine Kraft wie die des Vereins, dem er präsidire, ein¬
zubüßen, so wenig wie bisher zu würdigen wissen. Wir werden es also wirk¬
lich erleben, daß die Propheten des leipziger Colosseums aus bloßen einfachen
Feinden unsrer Partei zu entschiedenen Feinden werden und, wie man doch
wohl annehmen muß, sich mittelbar oder unmittelbar in einem der Lager unse¬
rer bisherigen entschiedenen Feinde ihre Bundesgenossen suchen. In welchem,
scheint noch nicht ausgemacht. Gewiß ist nur, wohin sie eigentlich gehören.

Herr Lassalle hat, so viel uns bekannt, unter den vielen Gewährsmännern,
die er wohl oder übel für seinen socialistischen Humbug citirte, einen anzuführen
vergessen, der sich ganz besonders und ohne Zwang der Interpretation für seine
Zwecke eignete, und an den wir daher für Fälle weiteren Bedarfs von Stützen
des Systems erinnern.

Wir meinen den seligen Professor Stahl in Berlin und seine Vor¬
lesungen über die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche^). Allerdings



") Das Buch ist soeben unter dem Titel: „Die gegenwärtigen Parteien in
Staat und Kirche. — neunundzwanzig akademische Vorlesungen von Stahl", zu Ber¬
lin im Verlag von Wilhelm Hertz (3S3 S,) erschienen.
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[0411] noch seine bedeutende Ausdehnung haben werde. Darauf erfolgte die Wahl von 16 Ausschuß- oder Vorstandsmitgliedern. Dann Schluß der constituirenden Versammlung mit einem Hoch auf den neuen Herrn Präsidenten, und hiernach eine Festfeier, bei welcher Lassalle, nachdem er der Deutschen Allgemeinen Zei¬ tung das für ihre Unterstützung seiner Sache in der That gebührende Lob ge¬ spendet, mit folgender erschrecklichen Drohung gegen die liberale Presse vorging! „Meine Herren, wir wollen der liberalen Presse noch eine Frist von vier Wochen geben und ihre Verhaltungsweise während dieser Zeit beobachten. Ich hoffe, daß sie dieselbe ändern werde, und glaube es; denn alle ihre Anstren¬ gungen haben zu nichts geführt. Wir sind heute bereits eine mächtige Partei, und in diesem Augenblicke erwarten acht- bis zehntausend deutsche Arbeiter un¬ geduldig den Moment (wirklich acht-bis zehntausend und wirtlich so ungeduldig?), wo Listen aufgelegt werden, in welche sie sich als Mitglieder einzeichnen kön¬ nen. Diese Vergeblichkeit ihrer Anstrengungen wird die liberale Presse in ih¬ rem eignen Interesse zum Bewußtsein bringen. Wenn sie nach Ablauf der vier Wochen ihre Kampfweise nicht geändert hat, so werdeich dann als gegen¬ wärtiger Präsident des deutschen Arbeitervereins bei dessen Vorstand beantragen, daß wir uns zu entschiedenen Feinden der liberalen Presse und der liberalen Partei erkläre»." „Stolz liebe ich den Spanier", aber wir fürchten, die liberale Presse wird die ihr von Herrn Lassalles Güte gestellte Frist, in sich zu gehen, zu bereuen und sich zu bessern, nicht benutzen, und die liberale Partei wird die volle Größe des Unglücks, eine Kraft wie die des Vereins, dem er präsidire, ein¬ zubüßen, so wenig wie bisher zu würdigen wissen. Wir werden es also wirk¬ lich erleben, daß die Propheten des leipziger Colosseums aus bloßen einfachen Feinden unsrer Partei zu entschiedenen Feinden werden und, wie man doch wohl annehmen muß, sich mittelbar oder unmittelbar in einem der Lager unse¬ rer bisherigen entschiedenen Feinde ihre Bundesgenossen suchen. In welchem, scheint noch nicht ausgemacht. Gewiß ist nur, wohin sie eigentlich gehören. Herr Lassalle hat, so viel uns bekannt, unter den vielen Gewährsmännern, die er wohl oder übel für seinen socialistischen Humbug citirte, einen anzuführen vergessen, der sich ganz besonders und ohne Zwang der Interpretation für seine Zwecke eignete, und an den wir daher für Fälle weiteren Bedarfs von Stützen des Systems erinnern. Wir meinen den seligen Professor Stahl in Berlin und seine Vor¬ lesungen über die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche^). Allerdings ") Das Buch ist soeben unter dem Titel: „Die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche. — neunundzwanzig akademische Vorlesungen von Stahl", zu Ber¬ lin im Verlag von Wilhelm Hertz (3S3 S,) erschienen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/411>, abgerufen am 27.09.2024.