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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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deutung. da der nächstfolgende Abschnitt demselben eine fast unbeschränkte
Macht in die Hand gibt. Es heißt dort, daß über die innere Organisation,
den Geschäftsgang, die Förderungsmittel auf den §. 1 gedachten Wegen
Schreib- und Kassenwcsen nach einfacher Majorität respective Comite und
später Vorstand entscheiden. In dringenden Fällen kann der Präsident so¬
fort, vorbehaltlich der in drei Monaten einzuholenden Genehmigung des Vor¬
standes, Anordnungen treffen. Eine Generalversammlung muß alljährlich ab¬
gehalten werden, so wie auf Antrag der Majorität des Vorstandes zu
jeder Zeit.

Diese letzten Bestimmungen zeigen klar, daß es sich im Grunde nicht darum
handelt, den Verein zu gründen, damit der deutsche Arbeiterstand seine Sache
selbst in die Hand nehme, vielmehr läuft Alles darauf hinaus, daß der Vor¬
stand und vor Allen der Präsident eine nahezu absolute Macht ausüben könne,
hinter der man eine möglichst große Zahl der Mitglieder, wenn auch in lauter
Nullen stehen haben möchte. Oder hat die Generalversammlung etwas Anderes
zu thun als jährlich einige ausscheidende ober alle Mitglieder des Vorstandes
durch Neuwahlen zu ersetzen? Alles Uebrige geschieht durch Bevormundung,
und zwar durch eine solche, wie man sie nur völlig unselbständigen Menschen
zumuthen kann.

Der letzte Abschnitt behandelt die Finanzen des Arbeitervereines in sy<z.
"Behufs der Organisation hat jedes Mitglied beim Eintritt zwei Silbergroschen
zu zahlen und von da ab einen halben Slbgr. wöchentlich." Wenn sich, wie der
offne Brief hoffte, nur hunderttausend Arbeiter in Deutschland finden, welche
dem Comite aus dem Altare des allgemeinen Wahlrechtes jährlich 90,000 Thaler
opfern, so hat allerdings der Vorstand und sein souveräner Präsident dadurch
einen recht stattlichen Hebel für seine Pläne in den Händen. Auch behält sich der
Vorstand vor, noch weitere Geldopfer zu verlangen, da es am Schlüsse des Sta¬
tuts etwas unklar heißt, daß man für später etwa nothwendig werdende Ausgaben
auf dreißig Jahre eine deutsche Arbeitervcrsichcrungsgcsellschaft gründen wolle,
deren Sitz man, wie es die Kassenverhältnisse nothwendig machen, verlegen
werde. Dieses Dunkel wurde in der Versammlung dahin aufgeklärt, daß diese
Kasse zur Unterstützung gemaßregeltcr Arbeiter dienen solle.

Lassalle hat in seiner Schrift an das Comitü. wie in seinem Vortrage in
Leipzig mit leichtesten Sinne Alles übergangen, was nöthig gewesen wäre, die
Ausführbarkeit seiner Pläne im praktischen Leben darzulegen. Er hat keinen
Zweifel gelöst, keinen von den lautgewordenen Einwürfen widerlegt und schlie߬
lich im Verein mit dem Comite an den deutschen Arbeiterstand die Zumuthunz
gerichtet, für unbegriffene Zwecke Thätigkeit und Opferwilligst zu entwickeln.
Man hat sich auf das allgemeine Wahlrecht zurückgezogen und erklärt, wenn
das geschaffen sei, so wäre die Zeit gekommen, die eigentliche Frage zu dis-


deutung. da der nächstfolgende Abschnitt demselben eine fast unbeschränkte
Macht in die Hand gibt. Es heißt dort, daß über die innere Organisation,
den Geschäftsgang, die Förderungsmittel auf den §. 1 gedachten Wegen
Schreib- und Kassenwcsen nach einfacher Majorität respective Comite und
später Vorstand entscheiden. In dringenden Fällen kann der Präsident so¬
fort, vorbehaltlich der in drei Monaten einzuholenden Genehmigung des Vor¬
standes, Anordnungen treffen. Eine Generalversammlung muß alljährlich ab¬
gehalten werden, so wie auf Antrag der Majorität des Vorstandes zu
jeder Zeit.

Diese letzten Bestimmungen zeigen klar, daß es sich im Grunde nicht darum
handelt, den Verein zu gründen, damit der deutsche Arbeiterstand seine Sache
selbst in die Hand nehme, vielmehr läuft Alles darauf hinaus, daß der Vor¬
stand und vor Allen der Präsident eine nahezu absolute Macht ausüben könne,
hinter der man eine möglichst große Zahl der Mitglieder, wenn auch in lauter
Nullen stehen haben möchte. Oder hat die Generalversammlung etwas Anderes
zu thun als jährlich einige ausscheidende ober alle Mitglieder des Vorstandes
durch Neuwahlen zu ersetzen? Alles Uebrige geschieht durch Bevormundung,
und zwar durch eine solche, wie man sie nur völlig unselbständigen Menschen
zumuthen kann.

Der letzte Abschnitt behandelt die Finanzen des Arbeitervereines in sy<z.
„Behufs der Organisation hat jedes Mitglied beim Eintritt zwei Silbergroschen
zu zahlen und von da ab einen halben Slbgr. wöchentlich." Wenn sich, wie der
offne Brief hoffte, nur hunderttausend Arbeiter in Deutschland finden, welche
dem Comite aus dem Altare des allgemeinen Wahlrechtes jährlich 90,000 Thaler
opfern, so hat allerdings der Vorstand und sein souveräner Präsident dadurch
einen recht stattlichen Hebel für seine Pläne in den Händen. Auch behält sich der
Vorstand vor, noch weitere Geldopfer zu verlangen, da es am Schlüsse des Sta¬
tuts etwas unklar heißt, daß man für später etwa nothwendig werdende Ausgaben
auf dreißig Jahre eine deutsche Arbeitervcrsichcrungsgcsellschaft gründen wolle,
deren Sitz man, wie es die Kassenverhältnisse nothwendig machen, verlegen
werde. Dieses Dunkel wurde in der Versammlung dahin aufgeklärt, daß diese
Kasse zur Unterstützung gemaßregeltcr Arbeiter dienen solle.

Lassalle hat in seiner Schrift an das Comitü. wie in seinem Vortrage in
Leipzig mit leichtesten Sinne Alles übergangen, was nöthig gewesen wäre, die
Ausführbarkeit seiner Pläne im praktischen Leben darzulegen. Er hat keinen
Zweifel gelöst, keinen von den lautgewordenen Einwürfen widerlegt und schlie߬
lich im Verein mit dem Comite an den deutschen Arbeiterstand die Zumuthunz
gerichtet, für unbegriffene Zwecke Thätigkeit und Opferwilligst zu entwickeln.
Man hat sich auf das allgemeine Wahlrecht zurückgezogen und erklärt, wenn
das geschaffen sei, so wäre die Zeit gekommen, die eigentliche Frage zu dis-


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[0393] deutung. da der nächstfolgende Abschnitt demselben eine fast unbeschränkte Macht in die Hand gibt. Es heißt dort, daß über die innere Organisation, den Geschäftsgang, die Förderungsmittel auf den §. 1 gedachten Wegen Schreib- und Kassenwcsen nach einfacher Majorität respective Comite und später Vorstand entscheiden. In dringenden Fällen kann der Präsident so¬ fort, vorbehaltlich der in drei Monaten einzuholenden Genehmigung des Vor¬ standes, Anordnungen treffen. Eine Generalversammlung muß alljährlich ab¬ gehalten werden, so wie auf Antrag der Majorität des Vorstandes zu jeder Zeit. Diese letzten Bestimmungen zeigen klar, daß es sich im Grunde nicht darum handelt, den Verein zu gründen, damit der deutsche Arbeiterstand seine Sache selbst in die Hand nehme, vielmehr läuft Alles darauf hinaus, daß der Vor¬ stand und vor Allen der Präsident eine nahezu absolute Macht ausüben könne, hinter der man eine möglichst große Zahl der Mitglieder, wenn auch in lauter Nullen stehen haben möchte. Oder hat die Generalversammlung etwas Anderes zu thun als jährlich einige ausscheidende ober alle Mitglieder des Vorstandes durch Neuwahlen zu ersetzen? Alles Uebrige geschieht durch Bevormundung, und zwar durch eine solche, wie man sie nur völlig unselbständigen Menschen zumuthen kann. Der letzte Abschnitt behandelt die Finanzen des Arbeitervereines in sy<z. „Behufs der Organisation hat jedes Mitglied beim Eintritt zwei Silbergroschen zu zahlen und von da ab einen halben Slbgr. wöchentlich." Wenn sich, wie der offne Brief hoffte, nur hunderttausend Arbeiter in Deutschland finden, welche dem Comite aus dem Altare des allgemeinen Wahlrechtes jährlich 90,000 Thaler opfern, so hat allerdings der Vorstand und sein souveräner Präsident dadurch einen recht stattlichen Hebel für seine Pläne in den Händen. Auch behält sich der Vorstand vor, noch weitere Geldopfer zu verlangen, da es am Schlüsse des Sta¬ tuts etwas unklar heißt, daß man für später etwa nothwendig werdende Ausgaben auf dreißig Jahre eine deutsche Arbeitervcrsichcrungsgcsellschaft gründen wolle, deren Sitz man, wie es die Kassenverhältnisse nothwendig machen, verlegen werde. Dieses Dunkel wurde in der Versammlung dahin aufgeklärt, daß diese Kasse zur Unterstützung gemaßregeltcr Arbeiter dienen solle. Lassalle hat in seiner Schrift an das Comitü. wie in seinem Vortrage in Leipzig mit leichtesten Sinne Alles übergangen, was nöthig gewesen wäre, die Ausführbarkeit seiner Pläne im praktischen Leben darzulegen. Er hat keinen Zweifel gelöst, keinen von den lautgewordenen Einwürfen widerlegt und schlie߬ lich im Verein mit dem Comite an den deutschen Arbeiterstand die Zumuthunz gerichtet, für unbegriffene Zwecke Thätigkeit und Opferwilligst zu entwickeln. Man hat sich auf das allgemeine Wahlrecht zurückgezogen und erklärt, wenn das geschaffen sei, so wäre die Zeit gekommen, die eigentliche Frage zu dis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/393>, abgerufen am 27.09.2024.