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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Die dänische Negierung hat den Zeitpunkt für ihre neuesten Schritte nicht nur
in Bezug auf Preußen, sondern auch auf die allgemeine Lage der Dinge mit
großem Geschick gewählt. Denn el" Vorgehen von Seiten Dänemarks wird
durch eine Vereinigung Englands und Frankreichs zu gemeinsamer Action, ein
Vorgehen Deutschlands durch eine divergirende Politik dieser deiden Staaten
begünstigt. England und Frankreich vereinigt werden sich der Sache Dänemarks,
die sich der Sympathien beider seemächtigen Nationen zu erfreuen hat. anzunehmen
geneigt sein. Haben sic sich dagegen über eine beide noch näher berührende
Frage verfeindet, so wird bei England natürlich das Interesse, dem Gegner
zu schaden, stärker sein, als die Sympathien für Dänemark. Daher liegt es
augenscheinlich in Preußens Interesse, die Frage der Herzogthümer mit der
orientalischen Frage in unmittelbare Beziehung zu setzen, und einen Moment
für die Lösung derselben zu wählen, wo England, um im Orient freie Hand
zu haben, um die Freundschaft Deutschlands werben muß. Wenn unsere
Ansicht richtig ist, daß die gegenwärtige Spannung zwischen Nußland und
Frankreich zu einem um so innigeren EinVerständniß führen wird, so würde der
Zeitpunkt nicht fern sein, wo Preußen für die Sache Schleswigs in die
Schranken wird treten können -- vorausgesetzt natürlich, daß es bis dahin sich
selbst wiedergefunden haben wird.

Aber auch selbst für den Fall, daß Napoleon nicht daran denken sollte,
schon in der nächsten Zeit im Verein mit Nußland zu einer thätigen Politik
im Orient überzugehen, würde ein kräftiges Eintreten für die Herzogthümer
das einzige Mittel für Preußen sein, sich ohne eine Aufopferung seiner wichtigsten
Interessen aus seiner isolirten Stellung zu befreien. Deutschland muß ihm
auf diesen Bahnen folgen, und Oestreich kann ihm nicht widerstreben. Eine
diplomatische Kooperation Frankreichs und Englands gegen die deutschen An¬
sprüche, die allerdings wahrscheinlicherweise eintreten würde, brauchen wir
aber nicht zu scheuen, da jeder Versuch Frankreichs, über die Grenze einer di¬
plomatischen Intervention hinauszugehen, sofort in eine Bedrohung der Rhein¬
provinz und Belgiens umschlagen und daher selbstverständlich auf den entschie¬
densten Widerstand Englands stoßen würde. Das Bündniß Preußens mit
England und Oestreich, viel empfohlen und vielfach gehofft, ist eine Seifenblase,
wenn Preußen seine Thätigkeit von dem Zustandekommen desselben abhangig
machen will; das Bündniß ist da, sowie Preußen, im Innern einig und ge¬
sammelt, auf den Bahnen einer kräftigen Neformpvlitik sicher und besonnen
vorwärtsschreitend, es wagt, mit kräftiger Hand die Aufgabe zu ergreifen, die
ihm von seiner Geschichte vorgeschrieben ist.




Grenzboten II. 1863.49

Die dänische Negierung hat den Zeitpunkt für ihre neuesten Schritte nicht nur
in Bezug auf Preußen, sondern auch auf die allgemeine Lage der Dinge mit
großem Geschick gewählt. Denn el» Vorgehen von Seiten Dänemarks wird
durch eine Vereinigung Englands und Frankreichs zu gemeinsamer Action, ein
Vorgehen Deutschlands durch eine divergirende Politik dieser deiden Staaten
begünstigt. England und Frankreich vereinigt werden sich der Sache Dänemarks,
die sich der Sympathien beider seemächtigen Nationen zu erfreuen hat. anzunehmen
geneigt sein. Haben sic sich dagegen über eine beide noch näher berührende
Frage verfeindet, so wird bei England natürlich das Interesse, dem Gegner
zu schaden, stärker sein, als die Sympathien für Dänemark. Daher liegt es
augenscheinlich in Preußens Interesse, die Frage der Herzogthümer mit der
orientalischen Frage in unmittelbare Beziehung zu setzen, und einen Moment
für die Lösung derselben zu wählen, wo England, um im Orient freie Hand
zu haben, um die Freundschaft Deutschlands werben muß. Wenn unsere
Ansicht richtig ist, daß die gegenwärtige Spannung zwischen Nußland und
Frankreich zu einem um so innigeren EinVerständniß führen wird, so würde der
Zeitpunkt nicht fern sein, wo Preußen für die Sache Schleswigs in die
Schranken wird treten können — vorausgesetzt natürlich, daß es bis dahin sich
selbst wiedergefunden haben wird.

Aber auch selbst für den Fall, daß Napoleon nicht daran denken sollte,
schon in der nächsten Zeit im Verein mit Nußland zu einer thätigen Politik
im Orient überzugehen, würde ein kräftiges Eintreten für die Herzogthümer
das einzige Mittel für Preußen sein, sich ohne eine Aufopferung seiner wichtigsten
Interessen aus seiner isolirten Stellung zu befreien. Deutschland muß ihm
auf diesen Bahnen folgen, und Oestreich kann ihm nicht widerstreben. Eine
diplomatische Kooperation Frankreichs und Englands gegen die deutschen An¬
sprüche, die allerdings wahrscheinlicherweise eintreten würde, brauchen wir
aber nicht zu scheuen, da jeder Versuch Frankreichs, über die Grenze einer di¬
plomatischen Intervention hinauszugehen, sofort in eine Bedrohung der Rhein¬
provinz und Belgiens umschlagen und daher selbstverständlich auf den entschie¬
densten Widerstand Englands stoßen würde. Das Bündniß Preußens mit
England und Oestreich, viel empfohlen und vielfach gehofft, ist eine Seifenblase,
wenn Preußen seine Thätigkeit von dem Zustandekommen desselben abhangig
machen will; das Bündniß ist da, sowie Preußen, im Innern einig und ge¬
sammelt, auf den Bahnen einer kräftigen Neformpvlitik sicher und besonnen
vorwärtsschreitend, es wagt, mit kräftiger Hand die Aufgabe zu ergreifen, die
ihm von seiner Geschichte vorgeschrieben ist.




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[0389] Die dänische Negierung hat den Zeitpunkt für ihre neuesten Schritte nicht nur in Bezug auf Preußen, sondern auch auf die allgemeine Lage der Dinge mit großem Geschick gewählt. Denn el» Vorgehen von Seiten Dänemarks wird durch eine Vereinigung Englands und Frankreichs zu gemeinsamer Action, ein Vorgehen Deutschlands durch eine divergirende Politik dieser deiden Staaten begünstigt. England und Frankreich vereinigt werden sich der Sache Dänemarks, die sich der Sympathien beider seemächtigen Nationen zu erfreuen hat. anzunehmen geneigt sein. Haben sic sich dagegen über eine beide noch näher berührende Frage verfeindet, so wird bei England natürlich das Interesse, dem Gegner zu schaden, stärker sein, als die Sympathien für Dänemark. Daher liegt es augenscheinlich in Preußens Interesse, die Frage der Herzogthümer mit der orientalischen Frage in unmittelbare Beziehung zu setzen, und einen Moment für die Lösung derselben zu wählen, wo England, um im Orient freie Hand zu haben, um die Freundschaft Deutschlands werben muß. Wenn unsere Ansicht richtig ist, daß die gegenwärtige Spannung zwischen Nußland und Frankreich zu einem um so innigeren EinVerständniß führen wird, so würde der Zeitpunkt nicht fern sein, wo Preußen für die Sache Schleswigs in die Schranken wird treten können — vorausgesetzt natürlich, daß es bis dahin sich selbst wiedergefunden haben wird. Aber auch selbst für den Fall, daß Napoleon nicht daran denken sollte, schon in der nächsten Zeit im Verein mit Nußland zu einer thätigen Politik im Orient überzugehen, würde ein kräftiges Eintreten für die Herzogthümer das einzige Mittel für Preußen sein, sich ohne eine Aufopferung seiner wichtigsten Interessen aus seiner isolirten Stellung zu befreien. Deutschland muß ihm auf diesen Bahnen folgen, und Oestreich kann ihm nicht widerstreben. Eine diplomatische Kooperation Frankreichs und Englands gegen die deutschen An¬ sprüche, die allerdings wahrscheinlicherweise eintreten würde, brauchen wir aber nicht zu scheuen, da jeder Versuch Frankreichs, über die Grenze einer di¬ plomatischen Intervention hinauszugehen, sofort in eine Bedrohung der Rhein¬ provinz und Belgiens umschlagen und daher selbstverständlich auf den entschie¬ densten Widerstand Englands stoßen würde. Das Bündniß Preußens mit England und Oestreich, viel empfohlen und vielfach gehofft, ist eine Seifenblase, wenn Preußen seine Thätigkeit von dem Zustandekommen desselben abhangig machen will; das Bündniß ist da, sowie Preußen, im Innern einig und ge¬ sammelt, auf den Bahnen einer kräftigen Neformpvlitik sicher und besonnen vorwärtsschreitend, es wagt, mit kräftiger Hand die Aufgabe zu ergreifen, die ihm von seiner Geschichte vorgeschrieben ist. Grenzboten II. 1863.49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/389>, abgerufen am 27.09.2024.