Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.Mittelpunkt der Stadt aus steigt die neue, breite Straße allmälig an, führt in Man sieht', der Plan bot der modernen Architektur ein weites und Mittelpunkt der Stadt aus steigt die neue, breite Straße allmälig an, führt in Man sieht', der Plan bot der modernen Architektur ein weites und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188399"/> <p xml:id="ID_1183" prev="#ID_1182"> Mittelpunkt der Stadt aus steigt die neue, breite Straße allmälig an, führt in<lb/> gerader Linie an die Jsar und ihre Seitcnkanälc, überbrückt dieselben in der<lb/> Höhe, die das Hochwasser erfordert, und findet ihren Schlußpunkt in dem<lb/> großen, zu einer höheren Bildungsanstalt bestimmten Gebäude, das seinen Platz<lb/> auf dem jenseitigen Hochufer in der verlängerten Achse der Straße hat und von<lb/> hier aus die Stadt gleichsam zu beherrschen scheint, Das Hochufer selbst, mit<lb/> freier Aussicht nach dem Gebirge und dem Park, ist zu einer freundlichen An¬<lb/> lage umgeschaffen. Die Hydrotechnik hat ihre Aufgabe vortrefflich gelöst, die<lb/> Jsar in ein schmäleres Rinnsal gebannt und ein breites Borland zu heiteren<lb/> Spaziergängen gewonnen. So sehen wir die Stadt zwanglos und anmuthig<lb/> in die Natur auslaufen, wie sich umgekehrt die Natur in die Straße hinein-<lb/> zustrcckcu scheint. Denn zu beiden Seiten mit Platanen bepflanzt, breitet sie<lb/> da, wo sie zu einem f. g. „Forum" sich erweitert, vor den Gebäuden Rasen¬<lb/> stücke mit Blumenbeeten und Pflanzengruppen aus. Beiläufig gesagt, ist diese<lb/> Beimischung von Stadt und Natur wohl da am Platze, wo, wie beim Forum,<lb/> ein breiter passender Raum beide bequem nebeneinander bestehen läßt; in den<lb/> Straßen dagegen, wo die Bäume den Häuser» Licht und Ansehen nehmen und<lb/> doch nur eine greisenhafte Welkheit zur Schau tragen, ist dieses freundliche<lb/> Grünthun nur ein armseliges Kvtettiren mit der Natur. — Die öffentlichen<lb/> Gebäude stehen sich gegenüber: dem für die Regierung Oberbayerns das Maxi-<lb/> milianeum, zur Aufnahme für eine herrliche Sammlung deutscher Alterthümer<lb/> jeder Gattung bestimmt, der Seitenfront des Theaters die Verlängerung der<lb/> Münze. So sind die Hauptzwecke des öffentlichen Lebens vertreten; dazwischen<lb/> stehen in belebendem Wechsel die Privathäuser mit Belkaufsläden, Schenken<lb/> und Herbergen, ebenfalls — so war wohl die Absicht des Königs — nicht im<lb/> gemeine» Alltagsrvck unserer Miethbehältnisse, sondern im festlichen Kleide der<lb/> Kunst, das den Bewohner wie den Vorübergehenden über die Prosa des Da¬<lb/> seins freundlich hinwegtäuschen soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1184" next="#ID_1185"> Man sieht', der Plan bot der modernen Architektur ein weites und<lb/> fruchtbares Feld. Es konnten Werke, und von mannigfaltiger Art, entstehen,<lb/> mit denen sich das neue München vor der Welt hätte können sehen lassen.<lb/> Kam die Aufgabe an gebildete Architekten, denen man innerhalb der allgemei¬<lb/> nen Bedingungen volle Freiheit ließ, so hätte wohl, wie oben vom einzelnen<lb/> Bau bemerkt worden, mehr noch das Ganze ein lebendiges und stattliches Zei¬<lb/> chen der durchgebildeten und auf humane Entwickelung angelegten Zeit werden<lb/> können; ein Beispiel, wie die moderne Kunst, ohne auf Originalität der Erfin¬<lb/> dung Anspruch zu machen, den Erwerb der schönen Vergangenheit zur organi¬<lb/> schen Wiedergeburt für ihre Zwecke in sich aufzunehmen hat. Vielleicht, daß<lb/> dann in die neue Straße etwas von dem heiteren, weltlichen, vornehmen Wesen<lb/> gekommen wäre, das die Bauwerke der Renaissance in ihren kräftigen Unter-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0372]
Mittelpunkt der Stadt aus steigt die neue, breite Straße allmälig an, führt in
gerader Linie an die Jsar und ihre Seitcnkanälc, überbrückt dieselben in der
Höhe, die das Hochwasser erfordert, und findet ihren Schlußpunkt in dem
großen, zu einer höheren Bildungsanstalt bestimmten Gebäude, das seinen Platz
auf dem jenseitigen Hochufer in der verlängerten Achse der Straße hat und von
hier aus die Stadt gleichsam zu beherrschen scheint, Das Hochufer selbst, mit
freier Aussicht nach dem Gebirge und dem Park, ist zu einer freundlichen An¬
lage umgeschaffen. Die Hydrotechnik hat ihre Aufgabe vortrefflich gelöst, die
Jsar in ein schmäleres Rinnsal gebannt und ein breites Borland zu heiteren
Spaziergängen gewonnen. So sehen wir die Stadt zwanglos und anmuthig
in die Natur auslaufen, wie sich umgekehrt die Natur in die Straße hinein-
zustrcckcu scheint. Denn zu beiden Seiten mit Platanen bepflanzt, breitet sie
da, wo sie zu einem f. g. „Forum" sich erweitert, vor den Gebäuden Rasen¬
stücke mit Blumenbeeten und Pflanzengruppen aus. Beiläufig gesagt, ist diese
Beimischung von Stadt und Natur wohl da am Platze, wo, wie beim Forum,
ein breiter passender Raum beide bequem nebeneinander bestehen läßt; in den
Straßen dagegen, wo die Bäume den Häuser» Licht und Ansehen nehmen und
doch nur eine greisenhafte Welkheit zur Schau tragen, ist dieses freundliche
Grünthun nur ein armseliges Kvtettiren mit der Natur. — Die öffentlichen
Gebäude stehen sich gegenüber: dem für die Regierung Oberbayerns das Maxi-
milianeum, zur Aufnahme für eine herrliche Sammlung deutscher Alterthümer
jeder Gattung bestimmt, der Seitenfront des Theaters die Verlängerung der
Münze. So sind die Hauptzwecke des öffentlichen Lebens vertreten; dazwischen
stehen in belebendem Wechsel die Privathäuser mit Belkaufsläden, Schenken
und Herbergen, ebenfalls — so war wohl die Absicht des Königs — nicht im
gemeine» Alltagsrvck unserer Miethbehältnisse, sondern im festlichen Kleide der
Kunst, das den Bewohner wie den Vorübergehenden über die Prosa des Da¬
seins freundlich hinwegtäuschen soll.
Man sieht', der Plan bot der modernen Architektur ein weites und
fruchtbares Feld. Es konnten Werke, und von mannigfaltiger Art, entstehen,
mit denen sich das neue München vor der Welt hätte können sehen lassen.
Kam die Aufgabe an gebildete Architekten, denen man innerhalb der allgemei¬
nen Bedingungen volle Freiheit ließ, so hätte wohl, wie oben vom einzelnen
Bau bemerkt worden, mehr noch das Ganze ein lebendiges und stattliches Zei¬
chen der durchgebildeten und auf humane Entwickelung angelegten Zeit werden
können; ein Beispiel, wie die moderne Kunst, ohne auf Originalität der Erfin¬
dung Anspruch zu machen, den Erwerb der schönen Vergangenheit zur organi¬
schen Wiedergeburt für ihre Zwecke in sich aufzunehmen hat. Vielleicht, daß
dann in die neue Straße etwas von dem heiteren, weltlichen, vornehmen Wesen
gekommen wäre, das die Bauwerke der Renaissance in ihren kräftigen Unter-
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