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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Und wer weiß: er hätte vielleicht den Willen desjenigen, dessen Kopfe der
Plan der Straße in seinen allgemeinen Umrissen entsprungen war, richtiger
aufgefaßt und wiedergegeben, als der Schreiber jenes seltsamen Programms.
Der Könige Sache ist es nickt, dem Künstler die Art und Weise an die Hand
zu geben, wie er ihre Ideen zur Ausführung bringen soll. Ein Hadrian wohl
suchte als Dilettant den Architekten zu spielen, den Mangel an echter Fach¬
kenntniß durch Neuerungen, durch Pracht des Stoffes die Entartung der For¬
men und der Erfindung zu verdecken und mit einem willkürlichen Spiel sich den
Schein des Talents anzueignen. Ihm blieb freilich nichts Anderes übrig, als
sich Baumeister zu suchen, die in seine bizarren Pläne sich fügten und ihn sel¬
ber für den genialsten Architekten erklärten, den echten Künstler aber, den ihm
sein Vorgänger hinterlassen hatte und der sich dazu nicht bequemen konnte/
seine ganze Ungnade fühlen zu lassen. Allein für die Hadriane hat das neun¬
zehnte Jahrhundert keinen Platz mehr, und unsere Könige thun besser, die Rolle
des Trajan zu übernehmen, der es dem gebildeten Talente seines Apollodor
überließ, dem architektonischen Rom eine noch größere Pracht als bisher und
durch das Zurückgreifen nach dem Adel der griechischen Formen eine reinere
Schönheit zu geben. Vielleicht, daß ein ähnlicher Plan Maximilian von
Bayern vorgeschwebt und ihn der Dolmetscher seines Gedankens, die Münchener
Akademie, auf die ungeschickteste Weise mißverstanden, seiner nur unbestimmten
Idee die falscheste Auslegung gegeben hat.

Denn die anordnende Idee des Ganzen, die vom König ausging, ist vor¬
trefflich. Ihm schien es darum zu thun, nachdem er auf dem Felde des Staats¬
lebens, wie der Wissenschaft freisinniger für sein Volk gesorgt hatte, als alle
bisherigen bayerischen Herrscher, nun auch dem Sinn desselben für die heitere
Welt der Kunst einen neuen Aufschwung zu geben. Nichts konnte besser dazu
geeignet sein, als die bauliche Ausbildung der Stadt in künstlerischem und
monumentalen Sinne, und als das Musterbild derselben die Herstellung von
öffentlichen Bauten mit allem Schmuck der bildenden Künste. Dazu kam der
wirklich schön angelegte Plan der neuen Straße. Die Baukunst, indem sie sich
Von der Natur abhebt, nimmt zugleich ihren Platz mitten in derselben, und
es zeugt von einem feinen, künstlerischen Sinn der Anordnung, wenn sie sich
auf den natürlichen Boden und in die Landschaft so zu stellen weiß, daß sie,
frei und doch wie aus der Erde herausgewachsen, sich mit dieser zu einem har¬
monischen Ganzen verbindet. Das ließ sich durch den Plan der Max-milians-
straße leicht erreichen; während die neuen Stadttheile, die der vorhergehende
König mit nicht geringem Aufwand und manche nicht ohne Geschmack und rich¬
tige Einsicht in die Bedingungen der heutigen Architektur herstellen ließ, dadurch
wirkungslos und nüchtern sind, daß sie alle in die Oede der unbegrenzten Fläche
und den dürren Sand verlaufen. Von dem Nesidenzplatze und damit vom


Und wer weiß: er hätte vielleicht den Willen desjenigen, dessen Kopfe der
Plan der Straße in seinen allgemeinen Umrissen entsprungen war, richtiger
aufgefaßt und wiedergegeben, als der Schreiber jenes seltsamen Programms.
Der Könige Sache ist es nickt, dem Künstler die Art und Weise an die Hand
zu geben, wie er ihre Ideen zur Ausführung bringen soll. Ein Hadrian wohl
suchte als Dilettant den Architekten zu spielen, den Mangel an echter Fach¬
kenntniß durch Neuerungen, durch Pracht des Stoffes die Entartung der For¬
men und der Erfindung zu verdecken und mit einem willkürlichen Spiel sich den
Schein des Talents anzueignen. Ihm blieb freilich nichts Anderes übrig, als
sich Baumeister zu suchen, die in seine bizarren Pläne sich fügten und ihn sel¬
ber für den genialsten Architekten erklärten, den echten Künstler aber, den ihm
sein Vorgänger hinterlassen hatte und der sich dazu nicht bequemen konnte/
seine ganze Ungnade fühlen zu lassen. Allein für die Hadriane hat das neun¬
zehnte Jahrhundert keinen Platz mehr, und unsere Könige thun besser, die Rolle
des Trajan zu übernehmen, der es dem gebildeten Talente seines Apollodor
überließ, dem architektonischen Rom eine noch größere Pracht als bisher und
durch das Zurückgreifen nach dem Adel der griechischen Formen eine reinere
Schönheit zu geben. Vielleicht, daß ein ähnlicher Plan Maximilian von
Bayern vorgeschwebt und ihn der Dolmetscher seines Gedankens, die Münchener
Akademie, auf die ungeschickteste Weise mißverstanden, seiner nur unbestimmten
Idee die falscheste Auslegung gegeben hat.

Denn die anordnende Idee des Ganzen, die vom König ausging, ist vor¬
trefflich. Ihm schien es darum zu thun, nachdem er auf dem Felde des Staats¬
lebens, wie der Wissenschaft freisinniger für sein Volk gesorgt hatte, als alle
bisherigen bayerischen Herrscher, nun auch dem Sinn desselben für die heitere
Welt der Kunst einen neuen Aufschwung zu geben. Nichts konnte besser dazu
geeignet sein, als die bauliche Ausbildung der Stadt in künstlerischem und
monumentalen Sinne, und als das Musterbild derselben die Herstellung von
öffentlichen Bauten mit allem Schmuck der bildenden Künste. Dazu kam der
wirklich schön angelegte Plan der neuen Straße. Die Baukunst, indem sie sich
Von der Natur abhebt, nimmt zugleich ihren Platz mitten in derselben, und
es zeugt von einem feinen, künstlerischen Sinn der Anordnung, wenn sie sich
auf den natürlichen Boden und in die Landschaft so zu stellen weiß, daß sie,
frei und doch wie aus der Erde herausgewachsen, sich mit dieser zu einem har¬
monischen Ganzen verbindet. Das ließ sich durch den Plan der Max-milians-
straße leicht erreichen; während die neuen Stadttheile, die der vorhergehende
König mit nicht geringem Aufwand und manche nicht ohne Geschmack und rich¬
tige Einsicht in die Bedingungen der heutigen Architektur herstellen ließ, dadurch
wirkungslos und nüchtern sind, daß sie alle in die Oede der unbegrenzten Fläche
und den dürren Sand verlaufen. Von dem Nesidenzplatze und damit vom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/371>, abgerufen am 27.09.2024.