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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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die Forderung des engeren Bundesstaates gestellt, hieran die Forderung des
weiteren Bundes knüpft, so limitirt es offenbar die erste Forderung durch die
zweite, da ja beide Forderungen in Widerspruch gegen einander treten können.
Es ist ganz unzweifelhaft, daß der politische Gedanke, auf dem das Programm
beruht, ein völlig richtiger, und daß das in demselben ausgesprochene Ziel
mit allen Kräften zu erstreben ist. Nichts desto weniger ist der Gedanke eben
wegen des inneren Widerspruchs, der in den gegenwärtig zwischen Preußen
und Oestreich bestehenden Verhältnissen liegt, einer gefährlichen 'Mißdeutung
ausgesetzt. Es liegt nämlich die Folgerung sehr nahe, daß Preußen in allen
europäischen Fragen ohne Weiteres auf Seiten Oestreichs sich zu stellen habe;
und in der That ist diese Forderung gelegentlich, wenn auch nicht mit voller
Schärfe und klarem Bewußtsein, selbst von Anhängern Preußens gestellt worden.
Oestreich hat bekanntlich stets die Neigung gehabt, in alle Verwickelungen,
denen seine auswärtige Politik es aussetzt, Deutschland hineinzuziehen und bei
jeder Gelegenheit die deutsche Bundcshilfe als ein Recht in Anspruch zu nehmen.
Wollte ihm Deutschland dies Recht zugestehen, nun so wäre eben das Sicbzig-
millionenreich verwirklicht. Dieser Auffassung wird aber durch das nationale
Programm selbst Vorschub geleistet, da es zu dem Mißverständniß Veranlas¬
sung gibt, als ob die östreichischen und deutschen Interessen ohne Weiteres
identisch wären. Wäre dies in der That der Fall, so wäre es allerdings eine
chikcmösc Politik, wenn Deutschland das Zusammengehen mit Oestreich von
vorhergehenden Concessionen Oestreichs abhängig macht. Es ist klar, daß bei
dieser Lage der Dinge die Herstellung des Bundesstaats stets ein frommer
Wunsch bleiben wird. Es ist also nothwendig, den Gedanken, daß Deutsch¬
land auf ein dauerndes Bündnis) mit Oestreich angewiesen sei. auf ein rich¬
tiges Maß zurückzuführen. Wir werden in dem folgenden Abschnitte dieses
Aufsatzes näher auf diesen Punkt, der lediglich im Zusammenhang mit den
concreten Verhältnissen der europäischen Politik beurtheilt werden kann, ein¬
gehen. Hier nur so viel, daß die Forderung nicht eine absolute, sondern nur
eine relative ist. und ferner, daß es erst von Oestreichs Verhalten in der deut¬
schen, und der hiervon bedingten Haltung in der auswärtigen Politik abhängt,
ob seine Interessen mit denen Deutschlands identisch werden 'können. Wer den
deutschen Bundesstaat nicht blos träumt, sondern will, darf sich hierüber keine
Illusionen machen. Es sind nun aber die beiden Forderungen: Herstellung
des Bundesstaats und Alliance mit Oestreich noch vom Standpunkte Preußens
aus zu betrachten.

Die an Preußen gestellte Forderung, die Consolidirung der nicht östrei¬
chischen Länder Deuschlands zum Mittelpunkt seiner Politik zu machen, ist eine
vollkommen gerechtfertigte, da sie nicht allein den'Interessen Deutschlands ent¬
spricht, sondern auch aus der klaren Erkenntniß der Preußen von dem bis-


die Forderung des engeren Bundesstaates gestellt, hieran die Forderung des
weiteren Bundes knüpft, so limitirt es offenbar die erste Forderung durch die
zweite, da ja beide Forderungen in Widerspruch gegen einander treten können.
Es ist ganz unzweifelhaft, daß der politische Gedanke, auf dem das Programm
beruht, ein völlig richtiger, und daß das in demselben ausgesprochene Ziel
mit allen Kräften zu erstreben ist. Nichts desto weniger ist der Gedanke eben
wegen des inneren Widerspruchs, der in den gegenwärtig zwischen Preußen
und Oestreich bestehenden Verhältnissen liegt, einer gefährlichen 'Mißdeutung
ausgesetzt. Es liegt nämlich die Folgerung sehr nahe, daß Preußen in allen
europäischen Fragen ohne Weiteres auf Seiten Oestreichs sich zu stellen habe;
und in der That ist diese Forderung gelegentlich, wenn auch nicht mit voller
Schärfe und klarem Bewußtsein, selbst von Anhängern Preußens gestellt worden.
Oestreich hat bekanntlich stets die Neigung gehabt, in alle Verwickelungen,
denen seine auswärtige Politik es aussetzt, Deutschland hineinzuziehen und bei
jeder Gelegenheit die deutsche Bundcshilfe als ein Recht in Anspruch zu nehmen.
Wollte ihm Deutschland dies Recht zugestehen, nun so wäre eben das Sicbzig-
millionenreich verwirklicht. Dieser Auffassung wird aber durch das nationale
Programm selbst Vorschub geleistet, da es zu dem Mißverständniß Veranlas¬
sung gibt, als ob die östreichischen und deutschen Interessen ohne Weiteres
identisch wären. Wäre dies in der That der Fall, so wäre es allerdings eine
chikcmösc Politik, wenn Deutschland das Zusammengehen mit Oestreich von
vorhergehenden Concessionen Oestreichs abhängig macht. Es ist klar, daß bei
dieser Lage der Dinge die Herstellung des Bundesstaats stets ein frommer
Wunsch bleiben wird. Es ist also nothwendig, den Gedanken, daß Deutsch¬
land auf ein dauerndes Bündnis) mit Oestreich angewiesen sei. auf ein rich¬
tiges Maß zurückzuführen. Wir werden in dem folgenden Abschnitte dieses
Aufsatzes näher auf diesen Punkt, der lediglich im Zusammenhang mit den
concreten Verhältnissen der europäischen Politik beurtheilt werden kann, ein¬
gehen. Hier nur so viel, daß die Forderung nicht eine absolute, sondern nur
eine relative ist. und ferner, daß es erst von Oestreichs Verhalten in der deut¬
schen, und der hiervon bedingten Haltung in der auswärtigen Politik abhängt,
ob seine Interessen mit denen Deutschlands identisch werden 'können. Wer den
deutschen Bundesstaat nicht blos träumt, sondern will, darf sich hierüber keine
Illusionen machen. Es sind nun aber die beiden Forderungen: Herstellung
des Bundesstaats und Alliance mit Oestreich noch vom Standpunkte Preußens
aus zu betrachten.

Die an Preußen gestellte Forderung, die Consolidirung der nicht östrei¬
chischen Länder Deuschlands zum Mittelpunkt seiner Politik zu machen, ist eine
vollkommen gerechtfertigte, da sie nicht allein den'Interessen Deutschlands ent¬
spricht, sondern auch aus der klaren Erkenntniß der Preußen von dem bis-


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[0358] die Forderung des engeren Bundesstaates gestellt, hieran die Forderung des weiteren Bundes knüpft, so limitirt es offenbar die erste Forderung durch die zweite, da ja beide Forderungen in Widerspruch gegen einander treten können. Es ist ganz unzweifelhaft, daß der politische Gedanke, auf dem das Programm beruht, ein völlig richtiger, und daß das in demselben ausgesprochene Ziel mit allen Kräften zu erstreben ist. Nichts desto weniger ist der Gedanke eben wegen des inneren Widerspruchs, der in den gegenwärtig zwischen Preußen und Oestreich bestehenden Verhältnissen liegt, einer gefährlichen 'Mißdeutung ausgesetzt. Es liegt nämlich die Folgerung sehr nahe, daß Preußen in allen europäischen Fragen ohne Weiteres auf Seiten Oestreichs sich zu stellen habe; und in der That ist diese Forderung gelegentlich, wenn auch nicht mit voller Schärfe und klarem Bewußtsein, selbst von Anhängern Preußens gestellt worden. Oestreich hat bekanntlich stets die Neigung gehabt, in alle Verwickelungen, denen seine auswärtige Politik es aussetzt, Deutschland hineinzuziehen und bei jeder Gelegenheit die deutsche Bundcshilfe als ein Recht in Anspruch zu nehmen. Wollte ihm Deutschland dies Recht zugestehen, nun so wäre eben das Sicbzig- millionenreich verwirklicht. Dieser Auffassung wird aber durch das nationale Programm selbst Vorschub geleistet, da es zu dem Mißverständniß Veranlas¬ sung gibt, als ob die östreichischen und deutschen Interessen ohne Weiteres identisch wären. Wäre dies in der That der Fall, so wäre es allerdings eine chikcmösc Politik, wenn Deutschland das Zusammengehen mit Oestreich von vorhergehenden Concessionen Oestreichs abhängig macht. Es ist klar, daß bei dieser Lage der Dinge die Herstellung des Bundesstaats stets ein frommer Wunsch bleiben wird. Es ist also nothwendig, den Gedanken, daß Deutsch¬ land auf ein dauerndes Bündnis) mit Oestreich angewiesen sei. auf ein rich¬ tiges Maß zurückzuführen. Wir werden in dem folgenden Abschnitte dieses Aufsatzes näher auf diesen Punkt, der lediglich im Zusammenhang mit den concreten Verhältnissen der europäischen Politik beurtheilt werden kann, ein¬ gehen. Hier nur so viel, daß die Forderung nicht eine absolute, sondern nur eine relative ist. und ferner, daß es erst von Oestreichs Verhalten in der deut¬ schen, und der hiervon bedingten Haltung in der auswärtigen Politik abhängt, ob seine Interessen mit denen Deutschlands identisch werden 'können. Wer den deutschen Bundesstaat nicht blos träumt, sondern will, darf sich hierüber keine Illusionen machen. Es sind nun aber die beiden Forderungen: Herstellung des Bundesstaats und Alliance mit Oestreich noch vom Standpunkte Preußens aus zu betrachten. Die an Preußen gestellte Forderung, die Consolidirung der nicht östrei¬ chischen Länder Deuschlands zum Mittelpunkt seiner Politik zu machen, ist eine vollkommen gerechtfertigte, da sie nicht allein den'Interessen Deutschlands ent¬ spricht, sondern auch aus der klaren Erkenntniß der Preußen von dem bis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/358>, abgerufen am 27.09.2024.