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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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ausgestreuten Samen der Zwietracht und Verfolgung seine Mittel zur Ver¬
fügung zu stellen, machen sie ihn selbst wider sein Wissen zum Urheber des
gehässigen Treibens, welches in demi genannten Organ seinen Sitz hat.

In der auswärtigen Presse stehen den jetzigen Ministern nur einige ultra-
rcactionäre Journale in Preußen und Sachsen zur Disposition, weiche aus
schweriner Negierungskreisen ihre mecklenburgische Correspondenz beziehen. Eine
Hoffnung, welche sich an die von der Würzburger Coalition in ihren Dienst ge¬
nommenen zu Frankfurt a. M. von Hannibal Fischers Sohn redigirten früheren
"Deutschen Blätter" knüpfte, daß sie auch eine Stütze der mecklenburgischen
Ncgierungspolitik werden würden, hat sich bitter getäuscht gefunden. Denn
selbst dieses reactionäre Journal sagte sich in einer Reihe von Artikeln über
"mecklenburgische Zustände" von der in Mecklenburg noch conservirten feudali¬
stischen Wirthschaft sörmlich los und ging^ so weit, daß es die Zustände in
Mecklenburg für "positive Angriffe auf Recht und Vernunft" und für "wahre
Herausforderungen zu Widerstand und Umwälzung" erklärte. Der Minister
des Auswärtigen, v. Oertzen. welcher als Theilnehmer an den Würzburger
Conferenzen zu den Mitbegründern dieses Organs der Koalition gehörte und
in der Hoffnung, an demselben eine recht kräftige Unterstützung zu gewinnen,
für Rechnung der großherzoglichen Kasse sechzig Exemplare davon bestellt hatte,
soll bei dem Anblick dieser Artikel nicht wenig betroffen gewesen sein. Die
sechzig Exemplare wurden eiligst bei Seite geschafft und die Fortsetzung ab¬
bestellt.

Mecklenburg steht darin hinter allen übrigen deutschen Staaten zurück,
daß es dort überhaupt an der Möglichkeit fehlt, der in der Bevölkerung leben¬
den politischen Ueberzeugung einen gemeinsamen öffentlichen Ausdruck zu schaffen.
In Kurhessen haben doch selbst zur Zeit der schlimmsten Reaction wenigstens
die Abgeordnctenwahlen und die Abgeordnetcnversanunlung dem Rechtsbewußt-
sein die Gelegenheit geboten sich zu manifestiren und zu bethätigen. In Meck¬
lenburg tagt eine Landesvertretung, welche vom Volke keinen Auftrag hat, auf
welche es keinerlei Einfluß übt, und über deren Rechtsbeständigkeit sich ab¬
zusprechen es weder Anlaß noch die erforderliche Freiheit hat. Selbst in der
Landtagsvcrsammlung finden diejenigen Mitglieder derselben, welche auf eine
Reform der Landssverfassung ihre Bestrebungen richten, keinen Zulaß für ihre
darauf zielenden Anträge. Die letzteren werden einfach von der Verhandlung
ausgeschlossen, und eine Beschwerde über solche Zurückweisung wird durch das
Geschrei der Feudalen und durch tumultuarische Scenen beantwortet. Mecklen¬
burg kann wegen dieser gänzlichen Gebundenheit seiner Bevölkerung erst dann
auf Rettung mittelst eigener Kraftanstrengung hoffen, wenn das herrschende
Regierungssystem nicht mehr an den verbündeten Regierungen und namentlich
an Preußen einen Stütz- und Anhaltepunkt findet. Nach Beseitigung dieser


ausgestreuten Samen der Zwietracht und Verfolgung seine Mittel zur Ver¬
fügung zu stellen, machen sie ihn selbst wider sein Wissen zum Urheber des
gehässigen Treibens, welches in demi genannten Organ seinen Sitz hat.

In der auswärtigen Presse stehen den jetzigen Ministern nur einige ultra-
rcactionäre Journale in Preußen und Sachsen zur Disposition, weiche aus
schweriner Negierungskreisen ihre mecklenburgische Correspondenz beziehen. Eine
Hoffnung, welche sich an die von der Würzburger Coalition in ihren Dienst ge¬
nommenen zu Frankfurt a. M. von Hannibal Fischers Sohn redigirten früheren
„Deutschen Blätter" knüpfte, daß sie auch eine Stütze der mecklenburgischen
Ncgierungspolitik werden würden, hat sich bitter getäuscht gefunden. Denn
selbst dieses reactionäre Journal sagte sich in einer Reihe von Artikeln über
„mecklenburgische Zustände" von der in Mecklenburg noch conservirten feudali¬
stischen Wirthschaft sörmlich los und ging^ so weit, daß es die Zustände in
Mecklenburg für „positive Angriffe auf Recht und Vernunft" und für „wahre
Herausforderungen zu Widerstand und Umwälzung" erklärte. Der Minister
des Auswärtigen, v. Oertzen. welcher als Theilnehmer an den Würzburger
Conferenzen zu den Mitbegründern dieses Organs der Koalition gehörte und
in der Hoffnung, an demselben eine recht kräftige Unterstützung zu gewinnen,
für Rechnung der großherzoglichen Kasse sechzig Exemplare davon bestellt hatte,
soll bei dem Anblick dieser Artikel nicht wenig betroffen gewesen sein. Die
sechzig Exemplare wurden eiligst bei Seite geschafft und die Fortsetzung ab¬
bestellt.

Mecklenburg steht darin hinter allen übrigen deutschen Staaten zurück,
daß es dort überhaupt an der Möglichkeit fehlt, der in der Bevölkerung leben¬
den politischen Ueberzeugung einen gemeinsamen öffentlichen Ausdruck zu schaffen.
In Kurhessen haben doch selbst zur Zeit der schlimmsten Reaction wenigstens
die Abgeordnctenwahlen und die Abgeordnetcnversanunlung dem Rechtsbewußt-
sein die Gelegenheit geboten sich zu manifestiren und zu bethätigen. In Meck¬
lenburg tagt eine Landesvertretung, welche vom Volke keinen Auftrag hat, auf
welche es keinerlei Einfluß übt, und über deren Rechtsbeständigkeit sich ab¬
zusprechen es weder Anlaß noch die erforderliche Freiheit hat. Selbst in der
Landtagsvcrsammlung finden diejenigen Mitglieder derselben, welche auf eine
Reform der Landssverfassung ihre Bestrebungen richten, keinen Zulaß für ihre
darauf zielenden Anträge. Die letzteren werden einfach von der Verhandlung
ausgeschlossen, und eine Beschwerde über solche Zurückweisung wird durch das
Geschrei der Feudalen und durch tumultuarische Scenen beantwortet. Mecklen¬
burg kann wegen dieser gänzlichen Gebundenheit seiner Bevölkerung erst dann
auf Rettung mittelst eigener Kraftanstrengung hoffen, wenn das herrschende
Regierungssystem nicht mehr an den verbündeten Regierungen und namentlich
an Preußen einen Stütz- und Anhaltepunkt findet. Nach Beseitigung dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/352>, abgerufen am 27.09.2024.