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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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aber um so lebhafter ist seine Mißstimmung darüber, daß bei Untersuchung
einer Rechtsverletzung gegen die Negierung diese die einfachsten Garantien für
die Ermittelung des Sachverhalts außer Augen läßt, daß ihre Organe, bestellt
zum Schutze des Gesetzes, um politischer Zwecke willen das Gesetz umgehen.
Geschworene bilden die einzige, die nothwendige Abhilfe; denn wer zöge es
nicht vor, als Opfer einer empörten Lynchjustiz zu fallen, anstatt solcher em¬
pörenden Justizpflege unterworfen zu werden."

Das hohe persönliche Interesse, welches Herr v. Schröter dem Gelingen
des neuen Unternehmens widmete, trat gleich zu Anfang darin recht deutlich
hervor, daß er in eigner Person mit den hinckeldeyschen Polizisten sich nach
Rostock begab, um hier eine unmittelbar eingreifende Thätigkeit bei der Ein¬
leitung der Untersuchung zu üben. Während unter den Auspickn des mecklen¬
burgischen Ministers der Gerechtigkeit preußische Polizeidiener auf mecklenbur¬
gischem Gebiet gcsetzwidrigerweise Haussuchungen und Verhaftungen vornahmen,
hatte Herr v. Schröter sein Hauptquartier im "Hotel de Russie" zu Rostock
aufgeschlagen, nahm hier die Rapporte des preußischen Polizeilieutcnants Gold-
Heim über den Fortgang und die Erfolge der von diesem vollführten Haus¬
suchungen entgegen und ertheilte dem von Goldheim einzelnen Gehaussuchtcn
auferlegten Hausarrest seine hohe Sanction. Ob Herr v. Schröter schon vor¬
her von dem hinckeldey-hcntzcschcn Vorhaben wenigstens im Allgemeinen unter¬
richtet war, muß einstweilen dahingestellt bleiben; gewiß aber ist, daß der Gent¬
leman, welcher in diesem Hochverrathsproceß die dreifache Rolle eines Anstifters,
Denuncianten und beeidigten Zeugen auf so völlig neue Weise in sich vereinigte,
seine ersten Aussagen nicht an dem Sitze des Criminalcollcgiums, sondern an
dem Sitze der Staatsregierung, wohin Bolle ihn bestellt hatte, zu Proto¬
koll gab.

Von den weiteren administrativen Eingriffen in den Gang der Justiz,
welche die Minister bei diesem Hochverrathsproceß sich erlaubten, möge hier
nur noch einer der hervorstechendsten erwähnt werden, welcher in zwei, mit der
Unterschrift des Ministers des Innern versehenen Rescripten vom 12. April
und 13. Mai 1833 vorliegt, durch welche das Criminalcollegium angewiesen
wird, eine Freilassung der in dieser Untersuchung zur Hast gebrachten Personen
nicht anders in Ausführung zu bringen, als bis die specielle Autorisation des
Ministeriums dazu eingeholt und ertheilt worden sei. Durch diese Maßregel
ward eine in keinem civilisirten Lande jemals erhörte, auch mit ausdrücklichen
Vorschriften der mecklenburgischen Gesetze in directem Widerspruch stehende Ab¬
hängigkeit der Pcrsonalhaft eines Angeschuldigten von dem Willen eines Mini¬
sters in die mecklenburgische Rechtspflege eingefühlt. Das Criminalcollegium
hatte gegen die ihm durch diese Rescripta auferlegte Verpflichtung, einen An¬
geschuldigten, auch wenn von Rechtswegen seine Entlassung aus der Unter-


aber um so lebhafter ist seine Mißstimmung darüber, daß bei Untersuchung
einer Rechtsverletzung gegen die Negierung diese die einfachsten Garantien für
die Ermittelung des Sachverhalts außer Augen läßt, daß ihre Organe, bestellt
zum Schutze des Gesetzes, um politischer Zwecke willen das Gesetz umgehen.
Geschworene bilden die einzige, die nothwendige Abhilfe; denn wer zöge es
nicht vor, als Opfer einer empörten Lynchjustiz zu fallen, anstatt solcher em¬
pörenden Justizpflege unterworfen zu werden."

Das hohe persönliche Interesse, welches Herr v. Schröter dem Gelingen
des neuen Unternehmens widmete, trat gleich zu Anfang darin recht deutlich
hervor, daß er in eigner Person mit den hinckeldeyschen Polizisten sich nach
Rostock begab, um hier eine unmittelbar eingreifende Thätigkeit bei der Ein¬
leitung der Untersuchung zu üben. Während unter den Auspickn des mecklen¬
burgischen Ministers der Gerechtigkeit preußische Polizeidiener auf mecklenbur¬
gischem Gebiet gcsetzwidrigerweise Haussuchungen und Verhaftungen vornahmen,
hatte Herr v. Schröter sein Hauptquartier im „Hotel de Russie" zu Rostock
aufgeschlagen, nahm hier die Rapporte des preußischen Polizeilieutcnants Gold-
Heim über den Fortgang und die Erfolge der von diesem vollführten Haus¬
suchungen entgegen und ertheilte dem von Goldheim einzelnen Gehaussuchtcn
auferlegten Hausarrest seine hohe Sanction. Ob Herr v. Schröter schon vor¬
her von dem hinckeldey-hcntzcschcn Vorhaben wenigstens im Allgemeinen unter¬
richtet war, muß einstweilen dahingestellt bleiben; gewiß aber ist, daß der Gent¬
leman, welcher in diesem Hochverrathsproceß die dreifache Rolle eines Anstifters,
Denuncianten und beeidigten Zeugen auf so völlig neue Weise in sich vereinigte,
seine ersten Aussagen nicht an dem Sitze des Criminalcollcgiums, sondern an
dem Sitze der Staatsregierung, wohin Bolle ihn bestellt hatte, zu Proto¬
koll gab.

Von den weiteren administrativen Eingriffen in den Gang der Justiz,
welche die Minister bei diesem Hochverrathsproceß sich erlaubten, möge hier
nur noch einer der hervorstechendsten erwähnt werden, welcher in zwei, mit der
Unterschrift des Ministers des Innern versehenen Rescripten vom 12. April
und 13. Mai 1833 vorliegt, durch welche das Criminalcollegium angewiesen
wird, eine Freilassung der in dieser Untersuchung zur Hast gebrachten Personen
nicht anders in Ausführung zu bringen, als bis die specielle Autorisation des
Ministeriums dazu eingeholt und ertheilt worden sei. Durch diese Maßregel
ward eine in keinem civilisirten Lande jemals erhörte, auch mit ausdrücklichen
Vorschriften der mecklenburgischen Gesetze in directem Widerspruch stehende Ab¬
hängigkeit der Pcrsonalhaft eines Angeschuldigten von dem Willen eines Mini¬
sters in die mecklenburgische Rechtspflege eingefühlt. Das Criminalcollegium
hatte gegen die ihm durch diese Rescripta auferlegte Verpflichtung, einen An¬
geschuldigten, auch wenn von Rechtswegen seine Entlassung aus der Unter-


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[0346] aber um so lebhafter ist seine Mißstimmung darüber, daß bei Untersuchung einer Rechtsverletzung gegen die Negierung diese die einfachsten Garantien für die Ermittelung des Sachverhalts außer Augen läßt, daß ihre Organe, bestellt zum Schutze des Gesetzes, um politischer Zwecke willen das Gesetz umgehen. Geschworene bilden die einzige, die nothwendige Abhilfe; denn wer zöge es nicht vor, als Opfer einer empörten Lynchjustiz zu fallen, anstatt solcher em¬ pörenden Justizpflege unterworfen zu werden." Das hohe persönliche Interesse, welches Herr v. Schröter dem Gelingen des neuen Unternehmens widmete, trat gleich zu Anfang darin recht deutlich hervor, daß er in eigner Person mit den hinckeldeyschen Polizisten sich nach Rostock begab, um hier eine unmittelbar eingreifende Thätigkeit bei der Ein¬ leitung der Untersuchung zu üben. Während unter den Auspickn des mecklen¬ burgischen Ministers der Gerechtigkeit preußische Polizeidiener auf mecklenbur¬ gischem Gebiet gcsetzwidrigerweise Haussuchungen und Verhaftungen vornahmen, hatte Herr v. Schröter sein Hauptquartier im „Hotel de Russie" zu Rostock aufgeschlagen, nahm hier die Rapporte des preußischen Polizeilieutcnants Gold- Heim über den Fortgang und die Erfolge der von diesem vollführten Haus¬ suchungen entgegen und ertheilte dem von Goldheim einzelnen Gehaussuchtcn auferlegten Hausarrest seine hohe Sanction. Ob Herr v. Schröter schon vor¬ her von dem hinckeldey-hcntzcschcn Vorhaben wenigstens im Allgemeinen unter¬ richtet war, muß einstweilen dahingestellt bleiben; gewiß aber ist, daß der Gent¬ leman, welcher in diesem Hochverrathsproceß die dreifache Rolle eines Anstifters, Denuncianten und beeidigten Zeugen auf so völlig neue Weise in sich vereinigte, seine ersten Aussagen nicht an dem Sitze des Criminalcollcgiums, sondern an dem Sitze der Staatsregierung, wohin Bolle ihn bestellt hatte, zu Proto¬ koll gab. Von den weiteren administrativen Eingriffen in den Gang der Justiz, welche die Minister bei diesem Hochverrathsproceß sich erlaubten, möge hier nur noch einer der hervorstechendsten erwähnt werden, welcher in zwei, mit der Unterschrift des Ministers des Innern versehenen Rescripten vom 12. April und 13. Mai 1833 vorliegt, durch welche das Criminalcollegium angewiesen wird, eine Freilassung der in dieser Untersuchung zur Hast gebrachten Personen nicht anders in Ausführung zu bringen, als bis die specielle Autorisation des Ministeriums dazu eingeholt und ertheilt worden sei. Durch diese Maßregel ward eine in keinem civilisirten Lande jemals erhörte, auch mit ausdrücklichen Vorschriften der mecklenburgischen Gesetze in directem Widerspruch stehende Ab¬ hängigkeit der Pcrsonalhaft eines Angeschuldigten von dem Willen eines Mini¬ sters in die mecklenburgische Rechtspflege eingefühlt. Das Criminalcollegium hatte gegen die ihm durch diese Rescripta auferlegte Verpflichtung, einen An¬ geschuldigten, auch wenn von Rechtswegen seine Entlassung aus der Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/346>, abgerufen am 27.09.2024.