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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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daß sich bier wie dort der Lohn noch der am Orte möglichen anspruchslosesten
Lebensweise richte, daß also in Berlin oder Leipzig oder einem andern Orte
der Arbeiter nur mit sechs Thalern die Woche zur Noth auskommen könne,
der in Schlesien aber, den dortigen Preisverhältnissen gemäß, schon mit zwei und
einem halben Thaler dasselbe elende Leben sich beschaffen könne, so möchte das
Gesetz recht behalten. Allein in Berlin, Leipzig und allen den Orten, wo
Arbeiter sechs Thaler und mehr die Woche verdienen, leben und arbeiten Men¬
schen, die noch weniger erreichen als den Lohn, von dem der schlesische Arbei¬
ter lebt.

Nach dem "ehernen Gesetz" müßten mindestens alle Arbeiter einer Ge¬
gend, gleichviel in welcher Branche der Fabrikation sie beschäftigt wären,
um gleichen Lohn arbeiten, da für alle die äußerste Grenze der Lebensnothdurft
auf derselben Linie hinliefe. Unausgesprochen muß es in den lassalleschen
Projecten liegen, daß bei der Association im großen Stil, in welcher der ge¬
stimmte Arbeiterstand untergebracht werden soll, alle Arbeiter auf gleiche Höhe
des Arbcitcrtrages Anspruch haben müßten. Warum sollte auch der Arbei¬
ter, der in einer Druckerei die Schnellpresse einrichtet und mit geübter Hand
die Form in Ordnung bringt, damit die Maschine einen schönen Druck liefert
mehr als der erhalten, der den bedruckten Bogen abfängt? Sind ja doch beide
Arbeiter, beide die gleiche Zeit und zu gleichem Zwecke beschäftigt.

Ferner steigen die Arbeitslöhne mit den Preisen der Fabrikate und zwar
ohne Rücksicht auf den Lebensunterhalt der Arbeiter und es fällt dies mit der
Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Endlich aber steigen sie auch zu Zeiten
trotz des Rückganges der Preise der Arbeitserzcugnisse und ungeachtet der leb¬
haften Nachfrage nach dieser, wenn das Angebot der Rohmaterialien sich steigerte
oder die Concurrenz sich ausdehnte. Dann sinkt der Unternehmergewinn gegen¬
über dem steigenden Arbeitslohn herab.

Und schließlich, wenn der Arbeitslohn dem "ehernen Gesetz" folgt
meint man denn, daß nicht auch der Arbeitsertrag solchem Gesetze unterliegt?
Die projectirte Association müßte eine auf gesunde Grundsätze basirte Concur¬
renz ausschließen, da hier nicht die Speculation des Einzelnen oder Einiger
vereint sich ein Arbeitsfeld wählen, nicht die individuelle Begabung zu einem
Unternehmen veranlassen würde. Die Association müßte Alles unterbringen,
Alles treiben, weil sie einmal da wäre. Daraus aber würde sich eine un¬
natürliche Concurrenz entwickeln, und so würde vermöge des ehernen Gesetzes
sich dann bald der Preis der Arbeit, die Höhe des Arbeitsertrages aus die¬
selbe Linie Herabdrücken, welche von der äußersten Lebensnothdurft gezogen
wird. Dann wäre das Gesetz in seiner vollen Macht wirksam geworden; denn
bei dem gleichen Antheil am Arbeitsertrag würde das gleiche Elend bei Allen
erreicht werden.


daß sich bier wie dort der Lohn noch der am Orte möglichen anspruchslosesten
Lebensweise richte, daß also in Berlin oder Leipzig oder einem andern Orte
der Arbeiter nur mit sechs Thalern die Woche zur Noth auskommen könne,
der in Schlesien aber, den dortigen Preisverhältnissen gemäß, schon mit zwei und
einem halben Thaler dasselbe elende Leben sich beschaffen könne, so möchte das
Gesetz recht behalten. Allein in Berlin, Leipzig und allen den Orten, wo
Arbeiter sechs Thaler und mehr die Woche verdienen, leben und arbeiten Men¬
schen, die noch weniger erreichen als den Lohn, von dem der schlesische Arbei¬
ter lebt.

Nach dem „ehernen Gesetz" müßten mindestens alle Arbeiter einer Ge¬
gend, gleichviel in welcher Branche der Fabrikation sie beschäftigt wären,
um gleichen Lohn arbeiten, da für alle die äußerste Grenze der Lebensnothdurft
auf derselben Linie hinliefe. Unausgesprochen muß es in den lassalleschen
Projecten liegen, daß bei der Association im großen Stil, in welcher der ge¬
stimmte Arbeiterstand untergebracht werden soll, alle Arbeiter auf gleiche Höhe
des Arbcitcrtrages Anspruch haben müßten. Warum sollte auch der Arbei¬
ter, der in einer Druckerei die Schnellpresse einrichtet und mit geübter Hand
die Form in Ordnung bringt, damit die Maschine einen schönen Druck liefert
mehr als der erhalten, der den bedruckten Bogen abfängt? Sind ja doch beide
Arbeiter, beide die gleiche Zeit und zu gleichem Zwecke beschäftigt.

Ferner steigen die Arbeitslöhne mit den Preisen der Fabrikate und zwar
ohne Rücksicht auf den Lebensunterhalt der Arbeiter und es fällt dies mit der
Nachfrage nach Arbeitskräften zusammen. Endlich aber steigen sie auch zu Zeiten
trotz des Rückganges der Preise der Arbeitserzcugnisse und ungeachtet der leb¬
haften Nachfrage nach dieser, wenn das Angebot der Rohmaterialien sich steigerte
oder die Concurrenz sich ausdehnte. Dann sinkt der Unternehmergewinn gegen¬
über dem steigenden Arbeitslohn herab.

Und schließlich, wenn der Arbeitslohn dem „ehernen Gesetz" folgt
meint man denn, daß nicht auch der Arbeitsertrag solchem Gesetze unterliegt?
Die projectirte Association müßte eine auf gesunde Grundsätze basirte Concur¬
renz ausschließen, da hier nicht die Speculation des Einzelnen oder Einiger
vereint sich ein Arbeitsfeld wählen, nicht die individuelle Begabung zu einem
Unternehmen veranlassen würde. Die Association müßte Alles unterbringen,
Alles treiben, weil sie einmal da wäre. Daraus aber würde sich eine un¬
natürliche Concurrenz entwickeln, und so würde vermöge des ehernen Gesetzes
sich dann bald der Preis der Arbeit, die Höhe des Arbeitsertrages aus die¬
selbe Linie Herabdrücken, welche von der äußersten Lebensnothdurft gezogen
wird. Dann wäre das Gesetz in seiner vollen Macht wirksam geworden; denn
bei dem gleichen Antheil am Arbeitsertrag würde das gleiche Elend bei Allen
erreicht werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/340>, abgerufen am 27.09.2024.