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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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tretung mit der Regierung auszukämpfen hat, ist nur siegreich durchzuführen
durch fortgesetzte Schläge bis zur Ermattung des Gegners.

Das Haus der Abgeordneten hat, so scheint es, jetzt keine andre Aufgabe,
als dem Ministerium seine Auflösung nothwendig zu machen. Jedes Mittel,
welches dazu hilft, und den Abgeordneten die Sympathien ihrer Wähler ver¬
mehrt, soll uns willkommen sein. Welchen Weg das Haus dafür einschlagen
werde, wissen wir nicht. Die Lage, in , welche die Minister sich und die
Volksvertretung dadurch gebracht haben, daß sie ihr Erscheinen im Hause ver¬
sagen, als ob dies eine unter Umständen zu versagende Gunst und nicht eine
ihrer unabweisbaren Pflichten wäre, legt dem Haus die Nothwendigkeit auf, an¬
dere schwebende Fragen bei Seite zu lassen, um sich gegen die demüthigenden
Ansprüche des Ministeriums zu schützen. Wenn das Haus eine Commission
niedersetzen sollte, um Vorschläge zu machen, wie die Ehre und Würde des
Hauses gegenüber dem Ministerium zu wahren sei, so könnte diese Commission
der Ausgangspunkt für eine neue Reihe politischer Kämpfe werden. Die Ver¬
fassung enthält darüber zur Zeit noch nichts, das Haus darf sich aber nicht
nehmen lassen, daß es in Beschlüssen über seine eigene innere Ordnung voll¬
ständige Autonomie hat.

Die stärksten Maßnahmen, welche dem Hause jetzt irgend möglich sind,
geben zugleich die beste Bürgschaft für eine friedliche Zukunft und für eine
endliche Versöhnung des preußischen Volkes mit seinem Fürstenhause. Wer
den loyalen Wunsch hat, das Geschlecht des großen Kurfürsten dauerhaft und
sicher über Preußen herrschen zu sehen, der muß vor Allem wünschen, daß der
Kampf im Abgeordnetenhause nicht maßlose und unberechenbare neue Kräfte
auf den Kampfplatz führe, daß der Streit von den gegenwärtigen Führern der
Opposition zu Ende geführt werde. Andererseits aber, daß er dem Volke
nicht nur bittere, niederbeugende und demoralisirende Empfindungen gebe, son¬
dern daß ihm Vertrauen und Hoffnung auf eine hellere Zukunft bewahrt bleibe.
Endlich aber, daß das Gefühl des großen Conflictes Muth und Hingabe des
Volkes in der bisherigen Weise, innerhalb der Schranken des Gesetzes noch
steigere. Denn nur unter diesen Bedingungen wird der Hohenzollern, welcher
seine Aufgabe zeitgemäß erfaßt, im Stande sein, das zu thun, was für das
Heil des Staates unbedingt nothwendig ist: mit allem Unhaltbaren zu brechen
und durch einen gründlichen Personenwechsel die Regierung seines Staates mit
neuem Leben zu erfüllen. Man vergesse nicht, daß für einen Fürsten ein
hohes Wogen,der Volkskraft nothwendig ist: um Entschlüsse zu fassen, welche
ihn selbst mit Manchem aus seiner Vergangenheit in tiefen Gegensatz bringen.
Nicht der kräftige Zorn der Gegenwart ist für das Leben des Staates gefähr¬
lich, sondern das lange schlaffe Hinschleppen des Siechthums. Denn in solcher
Zeit wird zuletzt das Höchste in Frage gestellt. Deshalb ist jetzt vor Allein


tretung mit der Regierung auszukämpfen hat, ist nur siegreich durchzuführen
durch fortgesetzte Schläge bis zur Ermattung des Gegners.

Das Haus der Abgeordneten hat, so scheint es, jetzt keine andre Aufgabe,
als dem Ministerium seine Auflösung nothwendig zu machen. Jedes Mittel,
welches dazu hilft, und den Abgeordneten die Sympathien ihrer Wähler ver¬
mehrt, soll uns willkommen sein. Welchen Weg das Haus dafür einschlagen
werde, wissen wir nicht. Die Lage, in , welche die Minister sich und die
Volksvertretung dadurch gebracht haben, daß sie ihr Erscheinen im Hause ver¬
sagen, als ob dies eine unter Umständen zu versagende Gunst und nicht eine
ihrer unabweisbaren Pflichten wäre, legt dem Haus die Nothwendigkeit auf, an¬
dere schwebende Fragen bei Seite zu lassen, um sich gegen die demüthigenden
Ansprüche des Ministeriums zu schützen. Wenn das Haus eine Commission
niedersetzen sollte, um Vorschläge zu machen, wie die Ehre und Würde des
Hauses gegenüber dem Ministerium zu wahren sei, so könnte diese Commission
der Ausgangspunkt für eine neue Reihe politischer Kämpfe werden. Die Ver¬
fassung enthält darüber zur Zeit noch nichts, das Haus darf sich aber nicht
nehmen lassen, daß es in Beschlüssen über seine eigene innere Ordnung voll¬
ständige Autonomie hat.

Die stärksten Maßnahmen, welche dem Hause jetzt irgend möglich sind,
geben zugleich die beste Bürgschaft für eine friedliche Zukunft und für eine
endliche Versöhnung des preußischen Volkes mit seinem Fürstenhause. Wer
den loyalen Wunsch hat, das Geschlecht des großen Kurfürsten dauerhaft und
sicher über Preußen herrschen zu sehen, der muß vor Allem wünschen, daß der
Kampf im Abgeordnetenhause nicht maßlose und unberechenbare neue Kräfte
auf den Kampfplatz führe, daß der Streit von den gegenwärtigen Führern der
Opposition zu Ende geführt werde. Andererseits aber, daß er dem Volke
nicht nur bittere, niederbeugende und demoralisirende Empfindungen gebe, son¬
dern daß ihm Vertrauen und Hoffnung auf eine hellere Zukunft bewahrt bleibe.
Endlich aber, daß das Gefühl des großen Conflictes Muth und Hingabe des
Volkes in der bisherigen Weise, innerhalb der Schranken des Gesetzes noch
steigere. Denn nur unter diesen Bedingungen wird der Hohenzollern, welcher
seine Aufgabe zeitgemäß erfaßt, im Stande sein, das zu thun, was für das
Heil des Staates unbedingt nothwendig ist: mit allem Unhaltbaren zu brechen
und durch einen gründlichen Personenwechsel die Regierung seines Staates mit
neuem Leben zu erfüllen. Man vergesse nicht, daß für einen Fürsten ein
hohes Wogen,der Volkskraft nothwendig ist: um Entschlüsse zu fassen, welche
ihn selbst mit Manchem aus seiner Vergangenheit in tiefen Gegensatz bringen.
Nicht der kräftige Zorn der Gegenwart ist für das Leben des Staates gefähr¬
lich, sondern das lange schlaffe Hinschleppen des Siechthums. Denn in solcher
Zeit wird zuletzt das Höchste in Frage gestellt. Deshalb ist jetzt vor Allein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/330>, abgerufen am 20.10.2024.