Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.so weit ihr politisches Gewissen dies erlaubt, und sie finden einen sichern, unab¬ Leicht schmeichelt es der Schwäche eines Herrn, Werkzeuge zu finden, welche Ein solcher Rathgeber der Krone aber handelt gewissenlos, wenn er aus¬ 41*
so weit ihr politisches Gewissen dies erlaubt, und sie finden einen sichern, unab¬ Leicht schmeichelt es der Schwäche eines Herrn, Werkzeuge zu finden, welche Ein solcher Rathgeber der Krone aber handelt gewissenlos, wenn er aus¬ 41*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188354"/> <p xml:id="ID_1039" prev="#ID_1038"> so weit ihr politisches Gewissen dies erlaubt, und sie finden einen sichern, unab¬<lb/> lässigen und strengen Regulator ihres Gewissens in den Ansichten und dem<lb/> Beifall ihrer Parteigenossen, welche derzeitig die Majorität der Volks-<lb/> überzeugung vertreten. Sie sind Männer, die zuerst ihre eigene poli¬<lb/> tische Ehre ins Auge fassen, erst dann den Gehorsam gegen ihren Souverän;<lb/> und nur, weil sie so handeln, vermögen sie in Wahrheit treue Diener ihres<lb/> Königs zu sein. Denn die Art von Diensttreue, welche hier und da in Deutschland<lb/> noch gefordert und angeboten wird, ist keine Tugend, sondern im letzten Grunde<lb/> ein fadenscheiniger Deckmantel für Charakterlosigkeit und rohen Egoismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1040"> Leicht schmeichelt es der Schwäche eines Herrn, Werkzeuge zu finden, welche<lb/> ihren eigenen Willen dem seinen unterordnen, sein Selbstgefühl wird dadurch<lb/> besonders angenehm befriedigt, und er mag geneigt sein, ihnen sogar zum be¬<lb/> sondern Verdienst anzurechnen, daß sie sein Urtheil hoher schätzen als das eigene.<lb/> In der That aber bezahlt ein Fürst diese schmeichelhafte Unterwürfigkeit mit<lb/> einem furchtbaren Preise. Er wird der geheime Sklave seiner Sklaven. Denn,<lb/> wer als Minister gegen seine Ueberzeugung den Wünschen des Herrn nachgibt,<lb/> thut es. wenn er überhaupt eigenen Willen hat, deshalb, um den Einfluß zu<lb/> erringen, welcher ihm gestattet, bei andern Gelegenheiten den Herrn zu beherrschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1041"> Ein solcher Rathgeber der Krone aber handelt gewissenlos, wenn er aus¬<lb/> führen hilft, was er nicht billigt, d. h. was nach seiner Ueberzeugung zum<lb/> Nachtheil seines Herrn und des Staates gereicht, und das stille Contractver-<lb/> hältniß, in das er zu seinem Gebieter getreten ist, besteht im letzten Grunde<lb/> auf einem Belauern der Schwächen des Herrn, in stillem Intriguiren und<lb/> unwürdigem Spiel mit der Person desselben. Den Fürsten führt ein solches<lb/> Verhältniß unrettbar abwärts. Denn der Souverän in seiner einsamen<lb/> Höhe, selten von bedeutenden Menschen umgeben, von Jugend auf an unter¬<lb/> würfigen Gehorsam gewöhnt, fast immer ohne genaue Kenntniß des geschäft¬<lb/> lichen Details und der factischen Zustände im Volk, bedarf, um sein Selbst¬<lb/> gefühl vor Selbstüberschätzung zu bewahren, seinen Willen vor Willkür, sein<lb/> Urtheil über Menschen vor Menschenverachtung, zu Ministern im modernen<lb/> Staat gerade ebensosehr selbständiger Männer, welche ihm mit einem fest¬<lb/> gefügten Charakter und sicherem Gewissen gegenübertreten, wie die Minister<lb/> selbst ihre Partei und das Volk als Controle und Regulator ihrer eigenen<lb/> Thängkeit bedürfen. Je fester die Rathgeber der Krone in Willen und Ge¬<lb/> müth des Volkes wurzeln, desto sicherer werden sie dem Regenten zur Seite<lb/> stehn; je männlicher sie ihre Ueberzeugung im Nothfall gegen ihren Fürsten zu<lb/> vertreten wissen, um so besser, stärker, größer werden sie ihn selbst machen.<lb/> Wo dieses hohe sittliche Verhältniß zwischen dem Herrn und seinen ersten Die¬<lb/> nern fehlt, wird die Regierung kläglich zwischen despotischen Gelüsten und<lb/> Entschlußlosigkeit schwanken.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
so weit ihr politisches Gewissen dies erlaubt, und sie finden einen sichern, unab¬
lässigen und strengen Regulator ihres Gewissens in den Ansichten und dem
Beifall ihrer Parteigenossen, welche derzeitig die Majorität der Volks-
überzeugung vertreten. Sie sind Männer, die zuerst ihre eigene poli¬
tische Ehre ins Auge fassen, erst dann den Gehorsam gegen ihren Souverän;
und nur, weil sie so handeln, vermögen sie in Wahrheit treue Diener ihres
Königs zu sein. Denn die Art von Diensttreue, welche hier und da in Deutschland
noch gefordert und angeboten wird, ist keine Tugend, sondern im letzten Grunde
ein fadenscheiniger Deckmantel für Charakterlosigkeit und rohen Egoismus.
Leicht schmeichelt es der Schwäche eines Herrn, Werkzeuge zu finden, welche
ihren eigenen Willen dem seinen unterordnen, sein Selbstgefühl wird dadurch
besonders angenehm befriedigt, und er mag geneigt sein, ihnen sogar zum be¬
sondern Verdienst anzurechnen, daß sie sein Urtheil hoher schätzen als das eigene.
In der That aber bezahlt ein Fürst diese schmeichelhafte Unterwürfigkeit mit
einem furchtbaren Preise. Er wird der geheime Sklave seiner Sklaven. Denn,
wer als Minister gegen seine Ueberzeugung den Wünschen des Herrn nachgibt,
thut es. wenn er überhaupt eigenen Willen hat, deshalb, um den Einfluß zu
erringen, welcher ihm gestattet, bei andern Gelegenheiten den Herrn zu beherrschen.
Ein solcher Rathgeber der Krone aber handelt gewissenlos, wenn er aus¬
führen hilft, was er nicht billigt, d. h. was nach seiner Ueberzeugung zum
Nachtheil seines Herrn und des Staates gereicht, und das stille Contractver-
hältniß, in das er zu seinem Gebieter getreten ist, besteht im letzten Grunde
auf einem Belauern der Schwächen des Herrn, in stillem Intriguiren und
unwürdigem Spiel mit der Person desselben. Den Fürsten führt ein solches
Verhältniß unrettbar abwärts. Denn der Souverän in seiner einsamen
Höhe, selten von bedeutenden Menschen umgeben, von Jugend auf an unter¬
würfigen Gehorsam gewöhnt, fast immer ohne genaue Kenntniß des geschäft¬
lichen Details und der factischen Zustände im Volk, bedarf, um sein Selbst¬
gefühl vor Selbstüberschätzung zu bewahren, seinen Willen vor Willkür, sein
Urtheil über Menschen vor Menschenverachtung, zu Ministern im modernen
Staat gerade ebensosehr selbständiger Männer, welche ihm mit einem fest¬
gefügten Charakter und sicherem Gewissen gegenübertreten, wie die Minister
selbst ihre Partei und das Volk als Controle und Regulator ihrer eigenen
Thängkeit bedürfen. Je fester die Rathgeber der Krone in Willen und Ge¬
müth des Volkes wurzeln, desto sicherer werden sie dem Regenten zur Seite
stehn; je männlicher sie ihre Ueberzeugung im Nothfall gegen ihren Fürsten zu
vertreten wissen, um so besser, stärker, größer werden sie ihn selbst machen.
Wo dieses hohe sittliche Verhältniß zwischen dem Herrn und seinen ersten Die¬
nern fehlt, wird die Regierung kläglich zwischen despotischen Gelüsten und
Entschlußlosigkeit schwanken.
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