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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Schutz der persönlichen Freiheit, am 12. Juli 1851 eine Verordnung, welche
der Staatsregierung das Recht beilegte, die im Lande erscheinenden Zeitschriften
in administrativen Wege zu unterdrücken. Das hiermit anfangs nur proviso¬
risch sanctionirte Princip willkürlichster Eingriffe in die Eigentumsrechte der
Einzelnen erhielt in dem verschärften Presigesctz vom 4. März 1856 dauernde
Geltung. Durch großherzogliche Verordnung vom 17. Juni 1853 wurden die
noch bestehenden Bürgerwehren aufgehoben. Das Gesetz vom 11. Januar
1849 wegen Aufhebung der körperlichen Züchtigung ward durch großherzogliche
Verordnung vom 29. Januar 1852 außer Wirksamkeit gesetzt und damit die
Anwendung dieses in den deutschen Grundrechten und in dem mecklenburgischen
Staatsgrundgesetz untersagten Strafmittels in einem sehr weiten Umfange
wieder eingeführt. Da sich angeblich herausgestellt hatte, daß in dieser Ver¬
ordnung daS Maß der Dicke und Länge der für die Execution der körperlichen
Züchtigung anzuwendenden "Röhrchen" zu niedrig gegriffen war, so ward
durch eine nachträgliche großherzogliche Verordnung vom 27. Januar 1853
dieses Maß dem Bedürfnisse entsprechend erhöht. Auch die in den deutschen
Grundrechten und dem Staatsgrundgesetz abgeschaffte Todesstrafe wurde unter
dem Restaurationsministeriiim wieder zur Anwendung gebracht.

Gegen die ohnehin spärlich gesciete periodische Presse des Landes ward
sodann der Krieg mit Postdcbitsentziehungen, Prcßproccssen und administrativen
Unterdrückungen eröffnet. In einem Zeitraum von noch nicht zwei Jahren
wurden vier Blätter, die "Mecklenburgische Dorfzeitung", das "Reformblatt".
das "Rostocker Wochenblatt" und das "Wiedergeborene Mecklenburg" im Wege
der Unterdrückung unschädlich gemacht. Verboten wurden, um auch der aus¬
wärtigen Presse Schrecken einzuflößen, im Jahre 1853 zwei Hamburger Blätter,
die "Reform" und der "Freischütz", und im Jahre 1862 die "Nationalzeitung"
und die "Volkszeitung". Unter den Bücherverboten ragt das am 19. Februar
1853 gegen die Buchhandlung von Hoffmann u. Campe in Hamburg erlassene
hervor, weil es nicht blos das im Verlage derselben erschienene Buch: "Neu¬
jahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland", sondern gleichzeitig auch alle
künftig in diesem Verlage erscheinenden Bücher traf.

Alle diese Mittel wirkten aber nach Ansicht der jetzigen Rathgeber des
Großherzogs viel zu schwach und zu langsam für den Zweck, dem sie dienen
sollten. Sie wurden daher durch schärfere Mittel ergänzt, welche direct gegen die
Personen gerichtet waren, die in irgend einer hervorragenden Weise an den
Bestrebungen zur Herbeiführung einer constitutionellen Verfassung betheiligt
waren oder auch nur dafür galten. Dieselbe Thätigkeit, mit welcher am
23. März 1848 der Großherzog selbst vorangegangen, und welche durch sein Bei¬
spiel begünstigt und gefördert war. ward jetzt zum Anlaß genommen, um die Per¬
sonen, welche sie geübt hatten, zum Gegenstand politischer Verfolgung zu machen.


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Schutz der persönlichen Freiheit, am 12. Juli 1851 eine Verordnung, welche
der Staatsregierung das Recht beilegte, die im Lande erscheinenden Zeitschriften
in administrativen Wege zu unterdrücken. Das hiermit anfangs nur proviso¬
risch sanctionirte Princip willkürlichster Eingriffe in die Eigentumsrechte der
Einzelnen erhielt in dem verschärften Presigesctz vom 4. März 1856 dauernde
Geltung. Durch großherzogliche Verordnung vom 17. Juni 1853 wurden die
noch bestehenden Bürgerwehren aufgehoben. Das Gesetz vom 11. Januar
1849 wegen Aufhebung der körperlichen Züchtigung ward durch großherzogliche
Verordnung vom 29. Januar 1852 außer Wirksamkeit gesetzt und damit die
Anwendung dieses in den deutschen Grundrechten und in dem mecklenburgischen
Staatsgrundgesetz untersagten Strafmittels in einem sehr weiten Umfange
wieder eingeführt. Da sich angeblich herausgestellt hatte, daß in dieser Ver¬
ordnung daS Maß der Dicke und Länge der für die Execution der körperlichen
Züchtigung anzuwendenden „Röhrchen" zu niedrig gegriffen war, so ward
durch eine nachträgliche großherzogliche Verordnung vom 27. Januar 1853
dieses Maß dem Bedürfnisse entsprechend erhöht. Auch die in den deutschen
Grundrechten und dem Staatsgrundgesetz abgeschaffte Todesstrafe wurde unter
dem Restaurationsministeriiim wieder zur Anwendung gebracht.

Gegen die ohnehin spärlich gesciete periodische Presse des Landes ward
sodann der Krieg mit Postdcbitsentziehungen, Prcßproccssen und administrativen
Unterdrückungen eröffnet. In einem Zeitraum von noch nicht zwei Jahren
wurden vier Blätter, die „Mecklenburgische Dorfzeitung", das „Reformblatt".
das „Rostocker Wochenblatt" und das „Wiedergeborene Mecklenburg" im Wege
der Unterdrückung unschädlich gemacht. Verboten wurden, um auch der aus¬
wärtigen Presse Schrecken einzuflößen, im Jahre 1853 zwei Hamburger Blätter,
die „Reform" und der „Freischütz", und im Jahre 1862 die „Nationalzeitung"
und die „Volkszeitung". Unter den Bücherverboten ragt das am 19. Februar
1853 gegen die Buchhandlung von Hoffmann u. Campe in Hamburg erlassene
hervor, weil es nicht blos das im Verlage derselben erschienene Buch: „Neu¬
jahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland", sondern gleichzeitig auch alle
künftig in diesem Verlage erscheinenden Bücher traf.

Alle diese Mittel wirkten aber nach Ansicht der jetzigen Rathgeber des
Großherzogs viel zu schwach und zu langsam für den Zweck, dem sie dienen
sollten. Sie wurden daher durch schärfere Mittel ergänzt, welche direct gegen die
Personen gerichtet waren, die in irgend einer hervorragenden Weise an den
Bestrebungen zur Herbeiführung einer constitutionellen Verfassung betheiligt
waren oder auch nur dafür galten. Dieselbe Thätigkeit, mit welcher am
23. März 1848 der Großherzog selbst vorangegangen, und welche durch sein Bei¬
spiel begünstigt und gefördert war. ward jetzt zum Anlaß genommen, um die Per¬
sonen, welche sie geübt hatten, zum Gegenstand politischer Verfolgung zu machen.


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[0303] Schutz der persönlichen Freiheit, am 12. Juli 1851 eine Verordnung, welche der Staatsregierung das Recht beilegte, die im Lande erscheinenden Zeitschriften in administrativen Wege zu unterdrücken. Das hiermit anfangs nur proviso¬ risch sanctionirte Princip willkürlichster Eingriffe in die Eigentumsrechte der Einzelnen erhielt in dem verschärften Presigesctz vom 4. März 1856 dauernde Geltung. Durch großherzogliche Verordnung vom 17. Juni 1853 wurden die noch bestehenden Bürgerwehren aufgehoben. Das Gesetz vom 11. Januar 1849 wegen Aufhebung der körperlichen Züchtigung ward durch großherzogliche Verordnung vom 29. Januar 1852 außer Wirksamkeit gesetzt und damit die Anwendung dieses in den deutschen Grundrechten und in dem mecklenburgischen Staatsgrundgesetz untersagten Strafmittels in einem sehr weiten Umfange wieder eingeführt. Da sich angeblich herausgestellt hatte, daß in dieser Ver¬ ordnung daS Maß der Dicke und Länge der für die Execution der körperlichen Züchtigung anzuwendenden „Röhrchen" zu niedrig gegriffen war, so ward durch eine nachträgliche großherzogliche Verordnung vom 27. Januar 1853 dieses Maß dem Bedürfnisse entsprechend erhöht. Auch die in den deutschen Grundrechten und dem Staatsgrundgesetz abgeschaffte Todesstrafe wurde unter dem Restaurationsministeriiim wieder zur Anwendung gebracht. Gegen die ohnehin spärlich gesciete periodische Presse des Landes ward sodann der Krieg mit Postdcbitsentziehungen, Prcßproccssen und administrativen Unterdrückungen eröffnet. In einem Zeitraum von noch nicht zwei Jahren wurden vier Blätter, die „Mecklenburgische Dorfzeitung", das „Reformblatt". das „Rostocker Wochenblatt" und das „Wiedergeborene Mecklenburg" im Wege der Unterdrückung unschädlich gemacht. Verboten wurden, um auch der aus¬ wärtigen Presse Schrecken einzuflößen, im Jahre 1853 zwei Hamburger Blätter, die „Reform" und der „Freischütz", und im Jahre 1862 die „Nationalzeitung" und die „Volkszeitung". Unter den Bücherverboten ragt das am 19. Februar 1853 gegen die Buchhandlung von Hoffmann u. Campe in Hamburg erlassene hervor, weil es nicht blos das im Verlage derselben erschienene Buch: „Neu¬ jahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland", sondern gleichzeitig auch alle künftig in diesem Verlage erscheinenden Bücher traf. Alle diese Mittel wirkten aber nach Ansicht der jetzigen Rathgeber des Großherzogs viel zu schwach und zu langsam für den Zweck, dem sie dienen sollten. Sie wurden daher durch schärfere Mittel ergänzt, welche direct gegen die Personen gerichtet waren, die in irgend einer hervorragenden Weise an den Bestrebungen zur Herbeiführung einer constitutionellen Verfassung betheiligt waren oder auch nur dafür galten. Dieselbe Thätigkeit, mit welcher am 23. März 1848 der Großherzog selbst vorangegangen, und welche durch sein Bei¬ spiel begünstigt und gefördert war. ward jetzt zum Anlaß genommen, um die Per¬ sonen, welche sie geübt hatten, zum Gegenstand politischer Verfolgung zu machen. 38"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/303>, abgerufen am 20.10.2024.