Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fischen weit überlegen. Sie sind besser uniformirt und bewaffnet und zeigen
einen jüngern und kräftigern Menschenschlag. Ob sie sich besser schlagen wer¬
den, ist eine andere Frage, die bis auf Weiteres dahingestellt bleiben muß.
Wenn in dem Volke ein hohes Ehrgefühl und ein gewisser ritterlicher Sinn
lebt, so kann doch ein fast zweihundertjähriger Friede schädlich gewirkt haben.
Die Bewaffnung der Truppen des Tellur ist noch ziemlich urtümlicher Natur.
Einige Bataillone sind mit Percussionsgewehren versehen, welche die Holländer
gegen Kupfer geliefert haben, von denen jetzt aber schwerlich mehr als etwa
10.000 Stück ins Land gelangt sind. Wieder andere führen Luntenflinten,
noch andere Piken, die meisten aber außer den allen gemeinsamen zwei Schwer¬
tern nur Bogen und Pfeile. Die Feldartillerie ist nach dem, was unser Ge¬
währsmann davon sah, wenig werth, doch schien sie sich damals mit ihren
alten eisernen Neunpfündern fleißig zu üben. Das Exercierreglement der mit
Percussionsmusketen bewaffneten Infanterie ist das holländische. Die Uniform
der Truppen ist unpraktisch: der lange weitärmclige Rock hindert schnelle Be¬
wegungen, die Strohsandalen, welche nur durch einen Lcderbügel zwischen der
großen und der zweiten Zehe festgehalten werden, lassen keinen raschen und
festen Tritt zu. Die Truppen einzelner Feudalfürsten sollen besser sein, und
namentlich erzählt man von dem Prinzen von Satzuma, daß er sein ganzes
Heer mit Mimi6büchsen bewaffnet habe, von denen in seinen eignen Fabriken
allein schon 40,000 angefertigt worden seien. Von europäischer Taktik und
Strategie aber ist auch hier selbstverständlich nicht die Rede, obwohl man den
Preußen in Jeddo die brandtsche "Taktik der drei Waffen" in japanischer
Uebersetzung zeigte.

Mit ihrer Marine sind die Japanesen ebenfalls noch weit zurück, ja bis zur
Ankunft der Amerikaner besaßen sie nicht ein einziges Kriegsschiff, was freilich
auch nicht nothwendig war, da ihre Schiffe keine fremden Häfen besuchten und
die Regierung allen Gelüsten ihrer Unterthanen nach Seeräubern dadurch
einen Damm vorgebaut hatte, daß ihre Gesetze jeden, der sich aus Sicht der
Küsten entfernte, bei der Rückkehr mit dem Tode bestraften. In früheren
Jahrhunderten aber waren die Bewohner der japanischen Inselgruppe kühne
und bis nach den indischen Gewässern und Gestaden gefürchtete Seefahrer.

Nach Eintritt der Absperrung des Landes änderte sich dies völlig, und
um den Seeleuten jede Möglichkeit zu weiteren Touren zu benehmen, ließ die
Regierung fortan nur noch kleine Dschonken bauen, die an gewissen Punkten
so schwach construirt waren, daß ein hoher Seegang ihren sofortigen Untergang
herbeiführen mußte, und die Besatzungen schon ihrer eignen Sicherheit halber
gezwungen waren, sich stets in unmittelbarer Nähe der Küste zu halten. Der
Abschluß des amerikanischen Vertrags machte diesem System ein sofortiges Ende.
Mit der alten Politik war gebrochen, und die leitenden Staatsmänner besaßen


Gre"zboten II. 1SL3. 39

fischen weit überlegen. Sie sind besser uniformirt und bewaffnet und zeigen
einen jüngern und kräftigern Menschenschlag. Ob sie sich besser schlagen wer¬
den, ist eine andere Frage, die bis auf Weiteres dahingestellt bleiben muß.
Wenn in dem Volke ein hohes Ehrgefühl und ein gewisser ritterlicher Sinn
lebt, so kann doch ein fast zweihundertjähriger Friede schädlich gewirkt haben.
Die Bewaffnung der Truppen des Tellur ist noch ziemlich urtümlicher Natur.
Einige Bataillone sind mit Percussionsgewehren versehen, welche die Holländer
gegen Kupfer geliefert haben, von denen jetzt aber schwerlich mehr als etwa
10.000 Stück ins Land gelangt sind. Wieder andere führen Luntenflinten,
noch andere Piken, die meisten aber außer den allen gemeinsamen zwei Schwer¬
tern nur Bogen und Pfeile. Die Feldartillerie ist nach dem, was unser Ge¬
währsmann davon sah, wenig werth, doch schien sie sich damals mit ihren
alten eisernen Neunpfündern fleißig zu üben. Das Exercierreglement der mit
Percussionsmusketen bewaffneten Infanterie ist das holländische. Die Uniform
der Truppen ist unpraktisch: der lange weitärmclige Rock hindert schnelle Be¬
wegungen, die Strohsandalen, welche nur durch einen Lcderbügel zwischen der
großen und der zweiten Zehe festgehalten werden, lassen keinen raschen und
festen Tritt zu. Die Truppen einzelner Feudalfürsten sollen besser sein, und
namentlich erzählt man von dem Prinzen von Satzuma, daß er sein ganzes
Heer mit Mimi6büchsen bewaffnet habe, von denen in seinen eignen Fabriken
allein schon 40,000 angefertigt worden seien. Von europäischer Taktik und
Strategie aber ist auch hier selbstverständlich nicht die Rede, obwohl man den
Preußen in Jeddo die brandtsche „Taktik der drei Waffen" in japanischer
Uebersetzung zeigte.

Mit ihrer Marine sind die Japanesen ebenfalls noch weit zurück, ja bis zur
Ankunft der Amerikaner besaßen sie nicht ein einziges Kriegsschiff, was freilich
auch nicht nothwendig war, da ihre Schiffe keine fremden Häfen besuchten und
die Regierung allen Gelüsten ihrer Unterthanen nach Seeräubern dadurch
einen Damm vorgebaut hatte, daß ihre Gesetze jeden, der sich aus Sicht der
Küsten entfernte, bei der Rückkehr mit dem Tode bestraften. In früheren
Jahrhunderten aber waren die Bewohner der japanischen Inselgruppe kühne
und bis nach den indischen Gewässern und Gestaden gefürchtete Seefahrer.

Nach Eintritt der Absperrung des Landes änderte sich dies völlig, und
um den Seeleuten jede Möglichkeit zu weiteren Touren zu benehmen, ließ die
Regierung fortan nur noch kleine Dschonken bauen, die an gewissen Punkten
so schwach construirt waren, daß ein hoher Seegang ihren sofortigen Untergang
herbeiführen mußte, und die Besatzungen schon ihrer eignen Sicherheit halber
gezwungen waren, sich stets in unmittelbarer Nähe der Küste zu halten. Der
Abschluß des amerikanischen Vertrags machte diesem System ein sofortiges Ende.
Mit der alten Politik war gebrochen, und die leitenden Staatsmänner besaßen


Gre»zboten II. 1SL3. 39
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188304"/>
          <p xml:id="ID_880" prev="#ID_879"> fischen weit überlegen. Sie sind besser uniformirt und bewaffnet und zeigen<lb/>
einen jüngern und kräftigern Menschenschlag. Ob sie sich besser schlagen wer¬<lb/>
den, ist eine andere Frage, die bis auf Weiteres dahingestellt bleiben muß.<lb/>
Wenn in dem Volke ein hohes Ehrgefühl und ein gewisser ritterlicher Sinn<lb/>
lebt, so kann doch ein fast zweihundertjähriger Friede schädlich gewirkt haben.<lb/>
Die Bewaffnung der Truppen des Tellur ist noch ziemlich urtümlicher Natur.<lb/>
Einige Bataillone sind mit Percussionsgewehren versehen, welche die Holländer<lb/>
gegen Kupfer geliefert haben, von denen jetzt aber schwerlich mehr als etwa<lb/>
10.000 Stück ins Land gelangt sind. Wieder andere führen Luntenflinten,<lb/>
noch andere Piken, die meisten aber außer den allen gemeinsamen zwei Schwer¬<lb/>
tern nur Bogen und Pfeile. Die Feldartillerie ist nach dem, was unser Ge¬<lb/>
währsmann davon sah, wenig werth, doch schien sie sich damals mit ihren<lb/>
alten eisernen Neunpfündern fleißig zu üben. Das Exercierreglement der mit<lb/>
Percussionsmusketen bewaffneten Infanterie ist das holländische. Die Uniform<lb/>
der Truppen ist unpraktisch: der lange weitärmclige Rock hindert schnelle Be¬<lb/>
wegungen, die Strohsandalen, welche nur durch einen Lcderbügel zwischen der<lb/>
großen und der zweiten Zehe festgehalten werden, lassen keinen raschen und<lb/>
festen Tritt zu. Die Truppen einzelner Feudalfürsten sollen besser sein, und<lb/>
namentlich erzählt man von dem Prinzen von Satzuma, daß er sein ganzes<lb/>
Heer mit Mimi6büchsen bewaffnet habe, von denen in seinen eignen Fabriken<lb/>
allein schon 40,000 angefertigt worden seien. Von europäischer Taktik und<lb/>
Strategie aber ist auch hier selbstverständlich nicht die Rede, obwohl man den<lb/>
Preußen in Jeddo die brandtsche &#x201E;Taktik der drei Waffen" in japanischer<lb/>
Uebersetzung zeigte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_881"> Mit ihrer Marine sind die Japanesen ebenfalls noch weit zurück, ja bis zur<lb/>
Ankunft der Amerikaner besaßen sie nicht ein einziges Kriegsschiff, was freilich<lb/>
auch nicht nothwendig war, da ihre Schiffe keine fremden Häfen besuchten und<lb/>
die Regierung allen Gelüsten ihrer Unterthanen nach Seeräubern dadurch<lb/>
einen Damm vorgebaut hatte, daß ihre Gesetze jeden, der sich aus Sicht der<lb/>
Küsten entfernte, bei der Rückkehr mit dem Tode bestraften. In früheren<lb/>
Jahrhunderten aber waren die Bewohner der japanischen Inselgruppe kühne<lb/>
und bis nach den indischen Gewässern und Gestaden gefürchtete Seefahrer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_882" next="#ID_883"> Nach Eintritt der Absperrung des Landes änderte sich dies völlig, und<lb/>
um den Seeleuten jede Möglichkeit zu weiteren Touren zu benehmen, ließ die<lb/>
Regierung fortan nur noch kleine Dschonken bauen, die an gewissen Punkten<lb/>
so schwach construirt waren, daß ein hoher Seegang ihren sofortigen Untergang<lb/>
herbeiführen mußte, und die Besatzungen schon ihrer eignen Sicherheit halber<lb/>
gezwungen waren, sich stets in unmittelbarer Nähe der Küste zu halten. Der<lb/>
Abschluß des amerikanischen Vertrags machte diesem System ein sofortiges Ende.<lb/>
Mit der alten Politik war gebrochen, und die leitenden Staatsmänner besaßen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Gre»zboten II. 1SL3. 39</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] fischen weit überlegen. Sie sind besser uniformirt und bewaffnet und zeigen einen jüngern und kräftigern Menschenschlag. Ob sie sich besser schlagen wer¬ den, ist eine andere Frage, die bis auf Weiteres dahingestellt bleiben muß. Wenn in dem Volke ein hohes Ehrgefühl und ein gewisser ritterlicher Sinn lebt, so kann doch ein fast zweihundertjähriger Friede schädlich gewirkt haben. Die Bewaffnung der Truppen des Tellur ist noch ziemlich urtümlicher Natur. Einige Bataillone sind mit Percussionsgewehren versehen, welche die Holländer gegen Kupfer geliefert haben, von denen jetzt aber schwerlich mehr als etwa 10.000 Stück ins Land gelangt sind. Wieder andere führen Luntenflinten, noch andere Piken, die meisten aber außer den allen gemeinsamen zwei Schwer¬ tern nur Bogen und Pfeile. Die Feldartillerie ist nach dem, was unser Ge¬ währsmann davon sah, wenig werth, doch schien sie sich damals mit ihren alten eisernen Neunpfündern fleißig zu üben. Das Exercierreglement der mit Percussionsmusketen bewaffneten Infanterie ist das holländische. Die Uniform der Truppen ist unpraktisch: der lange weitärmclige Rock hindert schnelle Be¬ wegungen, die Strohsandalen, welche nur durch einen Lcderbügel zwischen der großen und der zweiten Zehe festgehalten werden, lassen keinen raschen und festen Tritt zu. Die Truppen einzelner Feudalfürsten sollen besser sein, und namentlich erzählt man von dem Prinzen von Satzuma, daß er sein ganzes Heer mit Mimi6büchsen bewaffnet habe, von denen in seinen eignen Fabriken allein schon 40,000 angefertigt worden seien. Von europäischer Taktik und Strategie aber ist auch hier selbstverständlich nicht die Rede, obwohl man den Preußen in Jeddo die brandtsche „Taktik der drei Waffen" in japanischer Uebersetzung zeigte. Mit ihrer Marine sind die Japanesen ebenfalls noch weit zurück, ja bis zur Ankunft der Amerikaner besaßen sie nicht ein einziges Kriegsschiff, was freilich auch nicht nothwendig war, da ihre Schiffe keine fremden Häfen besuchten und die Regierung allen Gelüsten ihrer Unterthanen nach Seeräubern dadurch einen Damm vorgebaut hatte, daß ihre Gesetze jeden, der sich aus Sicht der Küsten entfernte, bei der Rückkehr mit dem Tode bestraften. In früheren Jahrhunderten aber waren die Bewohner der japanischen Inselgruppe kühne und bis nach den indischen Gewässern und Gestaden gefürchtete Seefahrer. Nach Eintritt der Absperrung des Landes änderte sich dies völlig, und um den Seeleuten jede Möglichkeit zu weiteren Touren zu benehmen, ließ die Regierung fortan nur noch kleine Dschonken bauen, die an gewissen Punkten so schwach construirt waren, daß ein hoher Seegang ihren sofortigen Untergang herbeiführen mußte, und die Besatzungen schon ihrer eignen Sicherheit halber gezwungen waren, sich stets in unmittelbarer Nähe der Küste zu halten. Der Abschluß des amerikanischen Vertrags machte diesem System ein sofortiges Ende. Mit der alten Politik war gebrochen, und die leitenden Staatsmänner besaßen Gre»zboten II. 1SL3. 39

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/277>, abgerufen am 27.09.2024.