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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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nehmen sein. So blieb den Daimios nichts übrig als möglichste Verminderung
der Zahlen ihres Gefolges, und eine solche hat schon mehrmals stattgefunden.
Während der Anwesenheit der Preußen in Jeddo entließ der Fürst von Milo
S00 seiner Jakonins, die. nun brotlos geworden, sämmtlich nach Jeddo kamen
und hier die Verlegenheiten der Regierung vermehren halfen. Der Kaiser --
oder vielmehr sein Cabinet, denn dieses allein regiert -- bekam dadurch so viel
Feinde mehr, da die Daimios nicht ermangelten, alle Schuld auf die Verträge
zu schieben, die ihre Ausgaben vermehrt und sie zur Beschränkung ihres Hos¬
halts genöthigt hätten. Fast wäre hieran der preußische Vertrag gescheitert,
und nur einem Ministerwechsel, welcher Männer an das Ruder brachte, welche
das Ausland und seine Macht kennen gelernt hatten und außerdem Energie
besaßen, war der günstige Ausgang der Verhandlungen zu danken. Die ent¬
lassenen Jakonins aber kühlten ihren Haß durch Ermordung des amerikanischen
Legationssccretärs Heusler, und nur die kühne Haltung der Preußen bei der
Beerdigung desselben ließ die Partei von dem Plane abstehen, bei dieser
Gelegenheit sämmtliche Fremde niederzumetzeln.

Ein anderer wichtiger Umstand, welcher die Daimios, die Beamten und
die Jakonins auf das heftigste gegen die Ausländer erbitterte, ist folgender.
Vor Ankunft der Amerikaner hegte das gemeine Volk vor allen Höhergestellten
mit Einschluß der Jakonins eine knechtische Ehrfurcht. Ja diese Unterthänig-
keit hatte sogar zwei verschiedene Redeweisen geschaffen, die man fast verschie¬
dene Sprachen nennen könnte, und von denen die eine, von Höhern gegen
Niedere gebraucht, hart, scharf und rauh ist, während die andere, von gemeinen
Leuten gegen Vornehme oder von Gleichen gegen Gleiche gesprochen, weich,
angenehm und melodisch klingt. Begegnete ein Untergebener einem Vorgesetzten
auf der Straße, so stand er sofort still, hockte nieder, legte die Hände auf den
Boden, beugte den Kopf und verharrte in dieser Stellung, bis jener vorüber
war. Kam aber ein Daimio mit seinem Gefolge von Hunderten oder Tau¬
senden, so mußte sich Alles auf die Erde werfen, das Gesicht auf den Boden
drücken und in dieser demüthigen Positur verbleiben, bis der Zug die Straße
passirt hatte. Hätte jemand gewagt, den hergebrachten Tribut der Ehrfurcht
zu verweigern, so würde er unfehlbar sofort unter den Schwertern der Jakonins
gefallen sein. Auch hierin wurde es mit dem Eintritt der neuen Aera Japans
anders. Die Europäer nahmen von den Herren mit zwei Schwertern -- zwei
Schwerter zu tragen, ist Privilegium und Zeichen des japanischen Adels --
durchaus keine Notiz. Sie grüßten weder, noch traten sie aus die Seite, ja
einzelne begingen absichtlich die Ungezogenheit, mitten durch einen solchen Zug
hindurchzureitcn. Die Jakonins, welche, wie überall die kleinen Herren, das
Volk wo möglich noch mehr knechteten, als der höhere Adel, und die für sich
mindestens denselben Grad von Ehrerbietung beanspruchten, der den Fürsten


nehmen sein. So blieb den Daimios nichts übrig als möglichste Verminderung
der Zahlen ihres Gefolges, und eine solche hat schon mehrmals stattgefunden.
Während der Anwesenheit der Preußen in Jeddo entließ der Fürst von Milo
S00 seiner Jakonins, die. nun brotlos geworden, sämmtlich nach Jeddo kamen
und hier die Verlegenheiten der Regierung vermehren halfen. Der Kaiser —
oder vielmehr sein Cabinet, denn dieses allein regiert — bekam dadurch so viel
Feinde mehr, da die Daimios nicht ermangelten, alle Schuld auf die Verträge
zu schieben, die ihre Ausgaben vermehrt und sie zur Beschränkung ihres Hos¬
halts genöthigt hätten. Fast wäre hieran der preußische Vertrag gescheitert,
und nur einem Ministerwechsel, welcher Männer an das Ruder brachte, welche
das Ausland und seine Macht kennen gelernt hatten und außerdem Energie
besaßen, war der günstige Ausgang der Verhandlungen zu danken. Die ent¬
lassenen Jakonins aber kühlten ihren Haß durch Ermordung des amerikanischen
Legationssccretärs Heusler, und nur die kühne Haltung der Preußen bei der
Beerdigung desselben ließ die Partei von dem Plane abstehen, bei dieser
Gelegenheit sämmtliche Fremde niederzumetzeln.

Ein anderer wichtiger Umstand, welcher die Daimios, die Beamten und
die Jakonins auf das heftigste gegen die Ausländer erbitterte, ist folgender.
Vor Ankunft der Amerikaner hegte das gemeine Volk vor allen Höhergestellten
mit Einschluß der Jakonins eine knechtische Ehrfurcht. Ja diese Unterthänig-
keit hatte sogar zwei verschiedene Redeweisen geschaffen, die man fast verschie¬
dene Sprachen nennen könnte, und von denen die eine, von Höhern gegen
Niedere gebraucht, hart, scharf und rauh ist, während die andere, von gemeinen
Leuten gegen Vornehme oder von Gleichen gegen Gleiche gesprochen, weich,
angenehm und melodisch klingt. Begegnete ein Untergebener einem Vorgesetzten
auf der Straße, so stand er sofort still, hockte nieder, legte die Hände auf den
Boden, beugte den Kopf und verharrte in dieser Stellung, bis jener vorüber
war. Kam aber ein Daimio mit seinem Gefolge von Hunderten oder Tau¬
senden, so mußte sich Alles auf die Erde werfen, das Gesicht auf den Boden
drücken und in dieser demüthigen Positur verbleiben, bis der Zug die Straße
passirt hatte. Hätte jemand gewagt, den hergebrachten Tribut der Ehrfurcht
zu verweigern, so würde er unfehlbar sofort unter den Schwertern der Jakonins
gefallen sein. Auch hierin wurde es mit dem Eintritt der neuen Aera Japans
anders. Die Europäer nahmen von den Herren mit zwei Schwertern — zwei
Schwerter zu tragen, ist Privilegium und Zeichen des japanischen Adels —
durchaus keine Notiz. Sie grüßten weder, noch traten sie aus die Seite, ja
einzelne begingen absichtlich die Ungezogenheit, mitten durch einen solchen Zug
hindurchzureitcn. Die Jakonins, welche, wie überall die kleinen Herren, das
Volk wo möglich noch mehr knechteten, als der höhere Adel, und die für sich
mindestens denselben Grad von Ehrerbietung beanspruchten, der den Fürsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/274>, abgerufen am 27.09.2024.