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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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welcher" Zeit dann v. Schröter die beiden Departements mitversah. War er
an dem Sitze der Regierung anwesend, so blieb seine Thätigkeit doch fast gänz¬
lich auf die Unterzeichnung von Dccreten beschränkt, welche von seinen Mini-
sterialbeamten oder von seinem Kollegen v. Schröter inspirirt waren. Auch
ward er durch seine große Passion für das Angeln, welche ihn halbe Tage
lang an die Ufer des schweriner Sees fesselte, vielfach von Staatsgeschäften
abgezogen. Nur im Departement des Auswärtigen, wo ihm die Arbeit zufiel,
Mecklenburg im Gefolge Preußens aus der Union heraus und in den Bundes¬
tag zurückzuführen, scheint er einige eigene Thätigkeit entfaltet zu haben.

Von dem Staatsrath v. Brock, welcher das Finanzministerium übernahm,
läßt sich nur sagen, daß er bisher großherzoglicher Domanialbeamter ge¬
wesen war.

Die eigentliche Seele des neuen Ministeriums war der Staatsrath August
Wilhelm v. Schröter, welchem die Justiz in Verbindung mit dem Kirchen-,
Schul- und Medicinalwesen zufiel. Er gehört einer aus Dänemark stammenden
Familie an, deren im Lauf der Zeit etwas dunkel gewordener Adel erst .auf
seinen Betrieb wieder einen Anerkennungsbrief erhielt. Seine akademischen
Freunde von Jena her kannten ihn als einen wilden Burschenschafter, der
mit entblößtem Halse und wallendem Haar, den gezückten Dolch in der Hand,
auf offenem Markte excentrische Reden für die deutsche Freiheit und die Her¬
stellung eines deutschen Reiches gehalten hatte. Auch gehörte er zu jenen
zwanzig Burschen, welche auf einem Ausfluge in die Schweiz den nulli be¬
suchten und hier die Hände in einander legten und mit feierlichem Schwur sich
zur Rettung Deutschlands von seinen Tyrannen Verbündeten. Im Anfange
der zwanziger Jahre ließ er sich als Privaidvccnt an der Universität Jena
nieder, wo er späterhin eine Professur zu erlangen wußte. Von da ward er
an das mecklenburgische Oberappellativnsgericht nach Parchim berufen und
siedelte mit diesem im Jahre 1840 nach Rostock über. Zur Empfehlung dieser
von ihm sehr gewünschten Verlegung des Gerichts ließ er damals, unter
strengster Geheimhaltung seiner Autorschaft, eine anonyme Schrift erscheinen, in
welcher er sich als "namhaften Gelehrten von europäischem Ruf" bezeichnete.
Außer diesem "europäischen Ruf", den er sich selbst beilegte, genoß er noch
den weniger zweifelhaften, daß er an die Regierung über seine Kollegen be¬
richtete, weshalb ihn diese mit einiger Befriedigung aus ihrer Mitte scheiden
sahen. In kirchlicher Beziehung stand er auf Seiten der modernen orthodox¬
lutherischen Fraction und verkehrte hauptsächlich mit dem Landrath v. Maltzan
auf Nothenmoor, der als Ketzerrichter schon längst eine hervorragende Stelle
eingenommen hatte, und mit dem Professor Krabbe. Bei aller Frömmigkeit
aber war er weit entfernt, den Werth der weltlichen Güter zu verkennen.

Das Princip, welches mit diesem Mann an die-Spitze der Staatsleitung


welcher« Zeit dann v. Schröter die beiden Departements mitversah. War er
an dem Sitze der Regierung anwesend, so blieb seine Thätigkeit doch fast gänz¬
lich auf die Unterzeichnung von Dccreten beschränkt, welche von seinen Mini-
sterialbeamten oder von seinem Kollegen v. Schröter inspirirt waren. Auch
ward er durch seine große Passion für das Angeln, welche ihn halbe Tage
lang an die Ufer des schweriner Sees fesselte, vielfach von Staatsgeschäften
abgezogen. Nur im Departement des Auswärtigen, wo ihm die Arbeit zufiel,
Mecklenburg im Gefolge Preußens aus der Union heraus und in den Bundes¬
tag zurückzuführen, scheint er einige eigene Thätigkeit entfaltet zu haben.

Von dem Staatsrath v. Brock, welcher das Finanzministerium übernahm,
läßt sich nur sagen, daß er bisher großherzoglicher Domanialbeamter ge¬
wesen war.

Die eigentliche Seele des neuen Ministeriums war der Staatsrath August
Wilhelm v. Schröter, welchem die Justiz in Verbindung mit dem Kirchen-,
Schul- und Medicinalwesen zufiel. Er gehört einer aus Dänemark stammenden
Familie an, deren im Lauf der Zeit etwas dunkel gewordener Adel erst .auf
seinen Betrieb wieder einen Anerkennungsbrief erhielt. Seine akademischen
Freunde von Jena her kannten ihn als einen wilden Burschenschafter, der
mit entblößtem Halse und wallendem Haar, den gezückten Dolch in der Hand,
auf offenem Markte excentrische Reden für die deutsche Freiheit und die Her¬
stellung eines deutschen Reiches gehalten hatte. Auch gehörte er zu jenen
zwanzig Burschen, welche auf einem Ausfluge in die Schweiz den nulli be¬
suchten und hier die Hände in einander legten und mit feierlichem Schwur sich
zur Rettung Deutschlands von seinen Tyrannen Verbündeten. Im Anfange
der zwanziger Jahre ließ er sich als Privaidvccnt an der Universität Jena
nieder, wo er späterhin eine Professur zu erlangen wußte. Von da ward er
an das mecklenburgische Oberappellativnsgericht nach Parchim berufen und
siedelte mit diesem im Jahre 1840 nach Rostock über. Zur Empfehlung dieser
von ihm sehr gewünschten Verlegung des Gerichts ließ er damals, unter
strengster Geheimhaltung seiner Autorschaft, eine anonyme Schrift erscheinen, in
welcher er sich als „namhaften Gelehrten von europäischem Ruf" bezeichnete.
Außer diesem „europäischen Ruf", den er sich selbst beilegte, genoß er noch
den weniger zweifelhaften, daß er an die Regierung über seine Kollegen be¬
richtete, weshalb ihn diese mit einiger Befriedigung aus ihrer Mitte scheiden
sahen. In kirchlicher Beziehung stand er auf Seiten der modernen orthodox¬
lutherischen Fraction und verkehrte hauptsächlich mit dem Landrath v. Maltzan
auf Nothenmoor, der als Ketzerrichter schon längst eine hervorragende Stelle
eingenommen hatte, und mit dem Professor Krabbe. Bei aller Frömmigkeit
aber war er weit entfernt, den Werth der weltlichen Güter zu verkennen.

Das Princip, welches mit diesem Mann an die-Spitze der Staatsleitung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/262>, abgerufen am 27.09.2024.