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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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wie Sanct Montalembert uns gesagt, nur um Beten und Singen handelte,
und daß der Aufruhr 1863 lediglich durch die Aushebung verschuldet worden
ist. Andre Waffen sind schon gebraucht, und eingeprägte Zeichen, wie "2te
Comp." oder dergl. erregen die Vermuthung, daß in Ländern, wo die aus-
rangirten Kriegsbedürfnisse verauctionirt werden, Freunde Polens schon lange
gesammelt haben.

Die diesseitigen Recruten für den Aufstand ziehen immer wehrlos bis zur
Grenze. Ihre Lagerplätze, die sie manchmal in Wäldern nehmen, machen
einen sehr friedlichen, an Wallfahrten erinnernden Eindruck. Einige Zelte,
Strohlager, ein paar zcrbrochne Flaschen, ein Eimer Wasser, ein Tüchel mit
Brodt vonn, der ganze Fund, den die Patrouille gewöhnlich macht.

Uebrigens hat sich auch der Schwindel der Sache schon eifrig bemächtigte
Vagabunden Hausirer und sammeln für den Aufstand, für einzelne Aufständisch,
und verjubeln dann den Erwerb. Das ist oft schon dagewesen, aber der
Dieb war gewiß erfinderisch, welchem man zusteckte, daß der Knecht, den er
mit gestohlenen Getreide zu Markte geschickt, in Miloslaw verhaftet sei. Der¬
selbe eilte zur Post, zur Polizei seiner Kreisstadt und setzte Telegraph und
Gendarmerie in Bewegung, ihm sein Gespann wieder zu schaffen, mit dem
der Knecht gewiß zu den Insurgenten durchgegangen sei. Es half ihm leider
nichts; er theilt den Gewahrsam mit dem angeblichen Koszynier.

Bemerkenswert!) ist, daß sich die Bewegung, die anfangs auf die Grenz-
kreise beschränkt war, jetzt auch in den innern lebhafter zeigt; Schroda, Sabrina,
But und Kosten -- letzteres, sagt man, am wenigsten -- sind seit der Oster-
zeit viel lebendiger und bewegter. Die Posener Zeitung, welcher wir für ihre
Haltung während der ganzen Zeit zu danken haben, die aber bisweilen in ih¬
ren Provinzialcorrcsvondenzcn etwas stark austrägt, erzählt von einem natürlich
nicht zur Ausführung gekommenen Attentat auf den Militärpulverkasten in
Sabrina; jedenfalls steht fest, daß der Kreis Sabrina sich vorzugsweise enga-
girt, und daß in demselben eine Jnsurgentenschaar die Waffen erst nach ver¬
suchter Gegenwehr gestreckt hat.

Die kleinen Städte selbst tonnen sich bei den Polen für etwas mehr Le¬
ben bedanken, das in sie gekommen. Da stehen Kanonen auf dem Markte,
freilich nur, um morgen weiter zu gehen -- aber gewiß ein Ereigniß an einem
Orte, wo sonst die Kinder schon ans Fenster lausen, wenn ein beurlaubter
Recrut durch die Straße geht. Kaum sind Menschen und Pferde untergebracht
und jedes Haus ist mit Einquartirung versehn, so steht eine Compagnie auf
dem Markte, von der keiner weiß, woher sie kam und die nun geraume
zu warten hat. ehe die Quartierzettel geschrieben sind. Aber die Soldaten sind
friedlich, genügsam, dankbar und gefällig; die Quartiergcber -- auch die po^
nischen -- mit geringen Ausnahmen freundlich und willig, und Polens IU'


wie Sanct Montalembert uns gesagt, nur um Beten und Singen handelte,
und daß der Aufruhr 1863 lediglich durch die Aushebung verschuldet worden
ist. Andre Waffen sind schon gebraucht, und eingeprägte Zeichen, wie „2te
Comp." oder dergl. erregen die Vermuthung, daß in Ländern, wo die aus-
rangirten Kriegsbedürfnisse verauctionirt werden, Freunde Polens schon lange
gesammelt haben.

Die diesseitigen Recruten für den Aufstand ziehen immer wehrlos bis zur
Grenze. Ihre Lagerplätze, die sie manchmal in Wäldern nehmen, machen
einen sehr friedlichen, an Wallfahrten erinnernden Eindruck. Einige Zelte,
Strohlager, ein paar zcrbrochne Flaschen, ein Eimer Wasser, ein Tüchel mit
Brodt vonn, der ganze Fund, den die Patrouille gewöhnlich macht.

Uebrigens hat sich auch der Schwindel der Sache schon eifrig bemächtigte
Vagabunden Hausirer und sammeln für den Aufstand, für einzelne Aufständisch,
und verjubeln dann den Erwerb. Das ist oft schon dagewesen, aber der
Dieb war gewiß erfinderisch, welchem man zusteckte, daß der Knecht, den er
mit gestohlenen Getreide zu Markte geschickt, in Miloslaw verhaftet sei. Der¬
selbe eilte zur Post, zur Polizei seiner Kreisstadt und setzte Telegraph und
Gendarmerie in Bewegung, ihm sein Gespann wieder zu schaffen, mit dem
der Knecht gewiß zu den Insurgenten durchgegangen sei. Es half ihm leider
nichts; er theilt den Gewahrsam mit dem angeblichen Koszynier.

Bemerkenswert!) ist, daß sich die Bewegung, die anfangs auf die Grenz-
kreise beschränkt war, jetzt auch in den innern lebhafter zeigt; Schroda, Sabrina,
But und Kosten — letzteres, sagt man, am wenigsten — sind seit der Oster-
zeit viel lebendiger und bewegter. Die Posener Zeitung, welcher wir für ihre
Haltung während der ganzen Zeit zu danken haben, die aber bisweilen in ih¬
ren Provinzialcorrcsvondenzcn etwas stark austrägt, erzählt von einem natürlich
nicht zur Ausführung gekommenen Attentat auf den Militärpulverkasten in
Sabrina; jedenfalls steht fest, daß der Kreis Sabrina sich vorzugsweise enga-
girt, und daß in demselben eine Jnsurgentenschaar die Waffen erst nach ver¬
suchter Gegenwehr gestreckt hat.

Die kleinen Städte selbst tonnen sich bei den Polen für etwas mehr Le¬
ben bedanken, das in sie gekommen. Da stehen Kanonen auf dem Markte,
freilich nur, um morgen weiter zu gehen — aber gewiß ein Ereigniß an einem
Orte, wo sonst die Kinder schon ans Fenster lausen, wenn ein beurlaubter
Recrut durch die Straße geht. Kaum sind Menschen und Pferde untergebracht
und jedes Haus ist mit Einquartirung versehn, so steht eine Compagnie auf
dem Markte, von der keiner weiß, woher sie kam und die nun geraume
zu warten hat. ehe die Quartierzettel geschrieben sind. Aber die Soldaten sind
friedlich, genügsam, dankbar und gefällig; die Quartiergcber — auch die po^
nischen — mit geringen Ausnahmen freundlich und willig, und Polens IU'


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[0254] wie Sanct Montalembert uns gesagt, nur um Beten und Singen handelte, und daß der Aufruhr 1863 lediglich durch die Aushebung verschuldet worden ist. Andre Waffen sind schon gebraucht, und eingeprägte Zeichen, wie „2te Comp." oder dergl. erregen die Vermuthung, daß in Ländern, wo die aus- rangirten Kriegsbedürfnisse verauctionirt werden, Freunde Polens schon lange gesammelt haben. Die diesseitigen Recruten für den Aufstand ziehen immer wehrlos bis zur Grenze. Ihre Lagerplätze, die sie manchmal in Wäldern nehmen, machen einen sehr friedlichen, an Wallfahrten erinnernden Eindruck. Einige Zelte, Strohlager, ein paar zcrbrochne Flaschen, ein Eimer Wasser, ein Tüchel mit Brodt vonn, der ganze Fund, den die Patrouille gewöhnlich macht. Uebrigens hat sich auch der Schwindel der Sache schon eifrig bemächtigte Vagabunden Hausirer und sammeln für den Aufstand, für einzelne Aufständisch, und verjubeln dann den Erwerb. Das ist oft schon dagewesen, aber der Dieb war gewiß erfinderisch, welchem man zusteckte, daß der Knecht, den er mit gestohlenen Getreide zu Markte geschickt, in Miloslaw verhaftet sei. Der¬ selbe eilte zur Post, zur Polizei seiner Kreisstadt und setzte Telegraph und Gendarmerie in Bewegung, ihm sein Gespann wieder zu schaffen, mit dem der Knecht gewiß zu den Insurgenten durchgegangen sei. Es half ihm leider nichts; er theilt den Gewahrsam mit dem angeblichen Koszynier. Bemerkenswert!) ist, daß sich die Bewegung, die anfangs auf die Grenz- kreise beschränkt war, jetzt auch in den innern lebhafter zeigt; Schroda, Sabrina, But und Kosten — letzteres, sagt man, am wenigsten — sind seit der Oster- zeit viel lebendiger und bewegter. Die Posener Zeitung, welcher wir für ihre Haltung während der ganzen Zeit zu danken haben, die aber bisweilen in ih¬ ren Provinzialcorrcsvondenzcn etwas stark austrägt, erzählt von einem natürlich nicht zur Ausführung gekommenen Attentat auf den Militärpulverkasten in Sabrina; jedenfalls steht fest, daß der Kreis Sabrina sich vorzugsweise enga- girt, und daß in demselben eine Jnsurgentenschaar die Waffen erst nach ver¬ suchter Gegenwehr gestreckt hat. Die kleinen Städte selbst tonnen sich bei den Polen für etwas mehr Le¬ ben bedanken, das in sie gekommen. Da stehen Kanonen auf dem Markte, freilich nur, um morgen weiter zu gehen — aber gewiß ein Ereigniß an einem Orte, wo sonst die Kinder schon ans Fenster lausen, wenn ein beurlaubter Recrut durch die Straße geht. Kaum sind Menschen und Pferde untergebracht und jedes Haus ist mit Einquartirung versehn, so steht eine Compagnie auf dem Markte, von der keiner weiß, woher sie kam und die nun geraume zu warten hat. ehe die Quartierzettel geschrieben sind. Aber die Soldaten sind friedlich, genügsam, dankbar und gefällig; die Quartiergcber — auch die po^ nischen — mit geringen Ausnahmen freundlich und willig, und Polens IU'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/254>, abgerufen am 20.10.2024.