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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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zu behalten, daß der Natur der Sache nach nur solche Pflanzen der Tertiär-
zeit in ihren Resten uns vorliegen können, welche unter Umständen vegetirten.
die für die Versteinerung von Theilen dieser Pflanzen besonders günstig waren.
Die große Masse jener Petrefacten besteht aus Blättern, Blüthen und Früchten
von Holzgewächsen, von denen viele hochstämmige Bäume. Auch wenn solche
Bäume nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft der Wasserbecken wuchsen,
auf deren Grunde die Versteinerung vor sich ging, so konnten doch ihre, im
Laufe der Entwickelung freiwillig von der Mutterpflanze sich lösenden Theile
leicht vom Winde in jene Wasserbecken oder deren Zuflüsse geführt werden.
Die Blätter fester und lederartiger Textur, die vor dem und während des Ver-
steinerungsproccsses der Verwesung minder ausgesetzt waren, sind vorwiegend
häufig. Von niederen und krautartigen Pflanzen sind vorwiegend solche erhal¬
ten, die an Ufern von Gewässern zu wachsen Pflegen. Die Neste von Kräutern
höherer, trockenerer Standorte sind auffallend selten. Hierher gehörige Gewächse
aus Formenkreisen, die in der heutigen Flora eine sehr hervortretende Rolle
spielen, sind ohne alle Vertretung in den Resten der tertiären Flora: so die Cam-
Panulacecn. Labiaten, Solanacccn und Primulaccen. Scrophularineen. Borra-
gineen. Gcntianecn und Caprifoliaceen sind nur in schwachen Spuren von
Früchten. Samen und undeutlichen Blüthen bis jetzt, gefunden worden. Aus der
reichsten Pflanzenfamilie der Jetztzeit, den Synantherecn. fanden sich in tertiären
Schichten bisher nur Früchte (diese sind von festem, der Fäulniß lange wider¬
stehenden Gefüge. sehr charakteristischer Gestalt, häusig mit Vorrichtungen ver¬
sehen, welche den Transport durch den Wind erleichtern); solcher Früchte indeß
von 21 verschiedenen Arten.

Es ist klar, daß unter derartigen Verhältnissen eine Vergleichung der Arten¬
zahl einer tertiären Flora mit einer modernen in Panhas und Bogen nicht zu¬
lässig ist. Nur die Formenkreise dürfen mit einander verglichen werden, deren
Trümmer in der tertiären Flora einigermaßen zahlreich erhalten sind. Jede
solche Parallele zeigt den weit überwiegenden Reichthum der Tertiärflora.
Unter den 860 wohlbekannten schweizerischen Arten dieser letzteren sind die
große Mehrzahl Holzgcwächse "633^76°/°); der Bäume nicht weniger als 291;
zwei Drittheile derselben mit immergrünem Laube. Der jetzigen und der ter¬
tiären Flora der Schweiz gemeinsame Familien von Holzgewächsen sind 23.
Die Artenzahl derselben beläuft sich in der modernen Flora auf 162, in der
Tertiärflora auf 263. Zwar haben diese 263 Arten des schweizerischen Mo-
lassegebicts nicht sämmtlich gleichzeitig gelebt; dafür ist aber, wie schon erwähnt,
der Raum dieses Gebiets fünfmal kleiner als der der heutigen Schweiz. Zu ähn¬
lichen Ergebnissen führt die Vergleichung minder umfänglicher Gebiete. Aus
den Steinbrüchen von Oeningen sind 422 phanerogame Arten bekannt, davon
136 Holzpflanzen in 26 Familien. Der Canton Zürich enthält (mit Ausschluß


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zu behalten, daß der Natur der Sache nach nur solche Pflanzen der Tertiär-
zeit in ihren Resten uns vorliegen können, welche unter Umständen vegetirten.
die für die Versteinerung von Theilen dieser Pflanzen besonders günstig waren.
Die große Masse jener Petrefacten besteht aus Blättern, Blüthen und Früchten
von Holzgewächsen, von denen viele hochstämmige Bäume. Auch wenn solche
Bäume nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft der Wasserbecken wuchsen,
auf deren Grunde die Versteinerung vor sich ging, so konnten doch ihre, im
Laufe der Entwickelung freiwillig von der Mutterpflanze sich lösenden Theile
leicht vom Winde in jene Wasserbecken oder deren Zuflüsse geführt werden.
Die Blätter fester und lederartiger Textur, die vor dem und während des Ver-
steinerungsproccsses der Verwesung minder ausgesetzt waren, sind vorwiegend
häufig. Von niederen und krautartigen Pflanzen sind vorwiegend solche erhal¬
ten, die an Ufern von Gewässern zu wachsen Pflegen. Die Neste von Kräutern
höherer, trockenerer Standorte sind auffallend selten. Hierher gehörige Gewächse
aus Formenkreisen, die in der heutigen Flora eine sehr hervortretende Rolle
spielen, sind ohne alle Vertretung in den Resten der tertiären Flora: so die Cam-
Panulacecn. Labiaten, Solanacccn und Primulaccen. Scrophularineen. Borra-
gineen. Gcntianecn und Caprifoliaceen sind nur in schwachen Spuren von
Früchten. Samen und undeutlichen Blüthen bis jetzt, gefunden worden. Aus der
reichsten Pflanzenfamilie der Jetztzeit, den Synantherecn. fanden sich in tertiären
Schichten bisher nur Früchte (diese sind von festem, der Fäulniß lange wider¬
stehenden Gefüge. sehr charakteristischer Gestalt, häusig mit Vorrichtungen ver¬
sehen, welche den Transport durch den Wind erleichtern); solcher Früchte indeß
von 21 verschiedenen Arten.

Es ist klar, daß unter derartigen Verhältnissen eine Vergleichung der Arten¬
zahl einer tertiären Flora mit einer modernen in Panhas und Bogen nicht zu¬
lässig ist. Nur die Formenkreise dürfen mit einander verglichen werden, deren
Trümmer in der tertiären Flora einigermaßen zahlreich erhalten sind. Jede
solche Parallele zeigt den weit überwiegenden Reichthum der Tertiärflora.
Unter den 860 wohlbekannten schweizerischen Arten dieser letzteren sind die
große Mehrzahl Holzgcwächse «633^76°/°); der Bäume nicht weniger als 291;
zwei Drittheile derselben mit immergrünem Laube. Der jetzigen und der ter¬
tiären Flora der Schweiz gemeinsame Familien von Holzgewächsen sind 23.
Die Artenzahl derselben beläuft sich in der modernen Flora auf 162, in der
Tertiärflora auf 263. Zwar haben diese 263 Arten des schweizerischen Mo-
lassegebicts nicht sämmtlich gleichzeitig gelebt; dafür ist aber, wie schon erwähnt,
der Raum dieses Gebiets fünfmal kleiner als der der heutigen Schweiz. Zu ähn¬
lichen Ergebnissen führt die Vergleichung minder umfänglicher Gebiete. Aus
den Steinbrüchen von Oeningen sind 422 phanerogame Arten bekannt, davon
136 Holzpflanzen in 26 Familien. Der Canton Zürich enthält (mit Ausschluß


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[0231] zu behalten, daß der Natur der Sache nach nur solche Pflanzen der Tertiär- zeit in ihren Resten uns vorliegen können, welche unter Umständen vegetirten. die für die Versteinerung von Theilen dieser Pflanzen besonders günstig waren. Die große Masse jener Petrefacten besteht aus Blättern, Blüthen und Früchten von Holzgewächsen, von denen viele hochstämmige Bäume. Auch wenn solche Bäume nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft der Wasserbecken wuchsen, auf deren Grunde die Versteinerung vor sich ging, so konnten doch ihre, im Laufe der Entwickelung freiwillig von der Mutterpflanze sich lösenden Theile leicht vom Winde in jene Wasserbecken oder deren Zuflüsse geführt werden. Die Blätter fester und lederartiger Textur, die vor dem und während des Ver- steinerungsproccsses der Verwesung minder ausgesetzt waren, sind vorwiegend häufig. Von niederen und krautartigen Pflanzen sind vorwiegend solche erhal¬ ten, die an Ufern von Gewässern zu wachsen Pflegen. Die Neste von Kräutern höherer, trockenerer Standorte sind auffallend selten. Hierher gehörige Gewächse aus Formenkreisen, die in der heutigen Flora eine sehr hervortretende Rolle spielen, sind ohne alle Vertretung in den Resten der tertiären Flora: so die Cam- Panulacecn. Labiaten, Solanacccn und Primulaccen. Scrophularineen. Borra- gineen. Gcntianecn und Caprifoliaceen sind nur in schwachen Spuren von Früchten. Samen und undeutlichen Blüthen bis jetzt, gefunden worden. Aus der reichsten Pflanzenfamilie der Jetztzeit, den Synantherecn. fanden sich in tertiären Schichten bisher nur Früchte (diese sind von festem, der Fäulniß lange wider¬ stehenden Gefüge. sehr charakteristischer Gestalt, häusig mit Vorrichtungen ver¬ sehen, welche den Transport durch den Wind erleichtern); solcher Früchte indeß von 21 verschiedenen Arten. Es ist klar, daß unter derartigen Verhältnissen eine Vergleichung der Arten¬ zahl einer tertiären Flora mit einer modernen in Panhas und Bogen nicht zu¬ lässig ist. Nur die Formenkreise dürfen mit einander verglichen werden, deren Trümmer in der tertiären Flora einigermaßen zahlreich erhalten sind. Jede solche Parallele zeigt den weit überwiegenden Reichthum der Tertiärflora. Unter den 860 wohlbekannten schweizerischen Arten dieser letzteren sind die große Mehrzahl Holzgcwächse «633^76°/°); der Bäume nicht weniger als 291; zwei Drittheile derselben mit immergrünem Laube. Der jetzigen und der ter¬ tiären Flora der Schweiz gemeinsame Familien von Holzgewächsen sind 23. Die Artenzahl derselben beläuft sich in der modernen Flora auf 162, in der Tertiärflora auf 263. Zwar haben diese 263 Arten des schweizerischen Mo- lassegebicts nicht sämmtlich gleichzeitig gelebt; dafür ist aber, wie schon erwähnt, der Raum dieses Gebiets fünfmal kleiner als der der heutigen Schweiz. Zu ähn¬ lichen Ergebnissen führt die Vergleichung minder umfänglicher Gebiete. Aus den Steinbrüchen von Oeningen sind 422 phanerogame Arten bekannt, davon 136 Holzpflanzen in 26 Familien. Der Canton Zürich enthält (mit Ausschluß 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/231>, abgerufen am 27.09.2024.