Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.einem constitutionellen Vereine legten, suchten in einer Loyalitätsadresse an Bei den Wahlen sür die constituircnde Abgeordnetenkammer erlangte die einem constitutionellen Vereine legten, suchten in einer Loyalitätsadresse an Bei den Wahlen sür die constituircnde Abgeordnetenkammer erlangte die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188244"/> <p xml:id="ID_696" prev="#ID_695"> einem constitutionellen Vereine legten, suchten in einer Loyalitätsadresse an<lb/> den Großherzog demselben die Neformvereine sogar als die Feinde des Rechts<lb/> und der staatlichen Ordnung darzustellen. Indessen trafen diese Borwürfe nicht<lb/> die Partei, der sie galten, sondern nur einzelne Entartungen und Auswüchse,<lb/> für welche diejenigen verantwortlich gemacht werden müssen, welche das Volk<lb/> bisher in Unwissenheit und Unmündigkeit erhalten hatten. Die Neformvereine<lb/> nährten so wenig republikanische als anarchische Bestrebungen, In der Pro-<lb/> clcnnation des Centralvorstandeö derselben, welche das auf einer Versammlung<lb/> Von Deputirten sämmtlicher Reformvereine des Landes festgestellte politische<lb/> Programm der letzteren zur öffentlichen Kunde bringt, wird über die Ver-<lb/> irrungen einzelncrBereine. unter Ablehnung jeder Solidarität, ausdrücklich das<lb/> Bedauern und die Mißbilligung ausgesprochen und der Kampf mit gesetzlichen<lb/> Waffen für die Verwirklichung des Programms als der allein zulässige be¬<lb/> zeichnet. Gerade die Führer der in den Neformvereinen sich darstellenden demo¬<lb/> kratischen Partei haben in jener Zeit, durch Aufbietung ihres Einflusses bei<lb/> den aufgeregten Massen, wesentlich dazu beigetragen, daß der brausende Strom<lb/> nicht die Ufer durchbrach und die Anarchie ans einzelne locale Ausschreitungen<lb/> beschränkt blieb. Wie richtig man im Rcgierungscollegium selbst diesen Einfluß<lb/> schätzte, beweist ein im September l848 von einem Mitgliede dieses Collegiums<lb/> an Moritz Wiggers gerichtetes Schreiben, in welchem dessen Mitwirkung zur<lb/> Abwendung einer der Regierung unerwünschten, in Aussicht stehenden Maßregel<lb/> der Resormvereinc nachgesucht ward.</p><lb/> <p xml:id="ID_697" next="#ID_698"> Bei den Wahlen sür die constituircnde Abgeordnetenkammer erlangte die<lb/> Partei der Resormvereinc die Majorität, wovon die Präsidentenwahl, welche<lb/> auf Moritz Wiggers siel, Zeugniß ablegte. Der Großherzog ließ sich indessen<lb/> durch das ohne Zweifel ihm sehr unerwünschte Ueberwiegen der Linken in der<lb/> Abgeordnetenkammer uicht hindern, eine persönlich freundliche Stellung derselben<lb/> gegenüber einzunehmen. Er folgte der Einladung zu einem großen Reform¬<lb/> bankett, mit welchem der Zusammentritt der Abgeordneten vom schweriner<lb/> Ncformverein inaugurirt ward, und stellte auf Ersuchen für dieses Fest die<lb/> Räume des Schauspielhauses zur Verfügung. Er verweilte in der zahlreichen<lb/> und buntgemischten Versammlung mehre Stünden und sprach in einem kraft¬<lb/> vollen Toast die Hoffnungen aus, mit welchen er der neuen Zeit entgegengehe.<lb/> Einzelne Mitglieder des schweriner Nesormvereins hielten begeisterte Anreden, in<lb/> welchen sie ihre Freude ausdrückten, daß Fürst und Volk einig und nicht mehr durch<lb/> eine Camarilla getrennt zusammenstanden. Es war gerade nicht Alles beson¬<lb/> ders zart und taktvoll, was bei dieser Gelegenheit an die Adresse des Großher¬<lb/> zogs sich richtete; ober es bewies zum mindesten, wieweit entfernt auch die<lb/> Nefvrmvereine von einer antimonarchischen Tendenz waren. Am folgenden<lb/> Tage war beim Großherzog glänzende Festtafel, zu welcher sämmtliche Ab-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0217]
einem constitutionellen Vereine legten, suchten in einer Loyalitätsadresse an
den Großherzog demselben die Neformvereine sogar als die Feinde des Rechts
und der staatlichen Ordnung darzustellen. Indessen trafen diese Borwürfe nicht
die Partei, der sie galten, sondern nur einzelne Entartungen und Auswüchse,
für welche diejenigen verantwortlich gemacht werden müssen, welche das Volk
bisher in Unwissenheit und Unmündigkeit erhalten hatten. Die Neformvereine
nährten so wenig republikanische als anarchische Bestrebungen, In der Pro-
clcnnation des Centralvorstandeö derselben, welche das auf einer Versammlung
Von Deputirten sämmtlicher Reformvereine des Landes festgestellte politische
Programm der letzteren zur öffentlichen Kunde bringt, wird über die Ver-
irrungen einzelncrBereine. unter Ablehnung jeder Solidarität, ausdrücklich das
Bedauern und die Mißbilligung ausgesprochen und der Kampf mit gesetzlichen
Waffen für die Verwirklichung des Programms als der allein zulässige be¬
zeichnet. Gerade die Führer der in den Neformvereinen sich darstellenden demo¬
kratischen Partei haben in jener Zeit, durch Aufbietung ihres Einflusses bei
den aufgeregten Massen, wesentlich dazu beigetragen, daß der brausende Strom
nicht die Ufer durchbrach und die Anarchie ans einzelne locale Ausschreitungen
beschränkt blieb. Wie richtig man im Rcgierungscollegium selbst diesen Einfluß
schätzte, beweist ein im September l848 von einem Mitgliede dieses Collegiums
an Moritz Wiggers gerichtetes Schreiben, in welchem dessen Mitwirkung zur
Abwendung einer der Regierung unerwünschten, in Aussicht stehenden Maßregel
der Resormvereinc nachgesucht ward.
Bei den Wahlen sür die constituircnde Abgeordnetenkammer erlangte die
Partei der Resormvereinc die Majorität, wovon die Präsidentenwahl, welche
auf Moritz Wiggers siel, Zeugniß ablegte. Der Großherzog ließ sich indessen
durch das ohne Zweifel ihm sehr unerwünschte Ueberwiegen der Linken in der
Abgeordnetenkammer uicht hindern, eine persönlich freundliche Stellung derselben
gegenüber einzunehmen. Er folgte der Einladung zu einem großen Reform¬
bankett, mit welchem der Zusammentritt der Abgeordneten vom schweriner
Ncformverein inaugurirt ward, und stellte auf Ersuchen für dieses Fest die
Räume des Schauspielhauses zur Verfügung. Er verweilte in der zahlreichen
und buntgemischten Versammlung mehre Stünden und sprach in einem kraft¬
vollen Toast die Hoffnungen aus, mit welchen er der neuen Zeit entgegengehe.
Einzelne Mitglieder des schweriner Nesormvereins hielten begeisterte Anreden, in
welchen sie ihre Freude ausdrückten, daß Fürst und Volk einig und nicht mehr durch
eine Camarilla getrennt zusammenstanden. Es war gerade nicht Alles beson¬
ders zart und taktvoll, was bei dieser Gelegenheit an die Adresse des Großher¬
zogs sich richtete; ober es bewies zum mindesten, wieweit entfernt auch die
Nefvrmvereine von einer antimonarchischen Tendenz waren. Am folgenden
Tage war beim Großherzog glänzende Festtafel, zu welcher sämmtliche Ab-
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