Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band."nerkennenswcrthesten Mäßigung ausgearbeitet; allein es zeigte sich doch das «nerkennenswcrthesten Mäßigung ausgearbeitet; allein es zeigte sich doch das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188230"/> <p xml:id="ID_659" prev="#ID_658"> «nerkennenswcrthesten Mäßigung ausgearbeitet; allein es zeigte sich doch das<lb/> Bedürfniß, mit möglichst kurzem Progamm vor das Volk zu treten, und sich<lb/> dabei dem Verständniß desselben anzupassen. Daher wurde das Programm<lb/> auf acht Punkte beschränkt, welches den Freunden des Fortschritts in einer<lb/> nicht öffentlichen Versammlung am 23. April d. I. vorgelegt wurde. Das<lb/> Programm ist inzwischen veröffentlicht worden, und dürfen wir dasselbe als<lb/> bekannt voraussetzen. Die Debatten der Versammlung drehten sich haupt¬<lb/> sächlich um die beiden oben bezeichneten Punkte, die Competenzfrage und<lb/> die deutsche Frage. Beides ist in einem Sinne gelöst worden, den wir<lb/> oben vertreten haben. Es ist unsere innige Ueberzeugung, daß damit ein<lb/> wichtiger Schritt zur Klärung der politischen Verhältnisse in Sachsen ge¬<lb/> schehen ist. Indem sich die liberale Partei auf den Standpunkt bundesstaatlicher<lb/> Einigung Deutschlands gestellt, hat sie die Verpflichtung übernommen, für die<lb/> Verwirklichung dieses Programms mit allen gesetzlichen Mitteln zu wirken, und<lb/> so ist denn endlich die Beschäftigung mit der nationalen Sache in Sachsen<lb/> nicht mehr politische Liebhaberei, sondern anerkannte Pflicht. Damit hat sie zu¬<lb/> gleich den Anknüpfungspunkt wiedergewonnen, wo die Reaction ihre Hebel<lb/> angesetzt. Auch in Sachsen hat man um der deutschen Frage willen Gesetze durch<lb/> Verordnungen beseitigt, und in der deutschen Frage allein winkt der liberalen<lb/> Partei endlicher Sieg. — Der Kampf freilich wird oft ein heißer sein; ,,die<lb/> liberale Partei wird vielleicht lange Zeit die Rolle einer geschmähten Minorität<lb/> im Ständesaale zu spielen haben, vielleicht aber auch nicht; das hängt eben<lb/> von der deutschen Frage und was dasselbe ist. von der preußischen ab! Herr<lb/> v. Beust soll sich über Herrn v. Bismarck vergnügt geäußert haben: „er macht<lb/> uns das Regieren leicht." Wir meinen vielmehr, daß er es Herrn v. Beust schwer<lb/> machen wird, und das ist nicht so sehr unser Wunsch, der konnte uns nicht gestattet<lb/> sein, als unsere feste Ueberzeugung! — Das sächsische Volk wird nun nicht<lb/> eine Probe politischer Bildung zu geben haben — woher sollte die ihm kommen!<lb/> — aber Beweise, daß es zu erkennen vermag, was ihm Noth thut, und daß es<lb/> den festen und beharrlichen Willen hat, dies auf gesetzlichem Wege zu erreichen.<lb/> Möge es diese Probe bestehen. Der Fvrtschrittsverein ist jedenfalls ein freu¬<lb/> dig zu begrüßender Anfang, und wir hoffen zuversichtlich, daß er seine Schul¬<lb/> digkeit thun werde.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
«nerkennenswcrthesten Mäßigung ausgearbeitet; allein es zeigte sich doch das
Bedürfniß, mit möglichst kurzem Progamm vor das Volk zu treten, und sich
dabei dem Verständniß desselben anzupassen. Daher wurde das Programm
auf acht Punkte beschränkt, welches den Freunden des Fortschritts in einer
nicht öffentlichen Versammlung am 23. April d. I. vorgelegt wurde. Das
Programm ist inzwischen veröffentlicht worden, und dürfen wir dasselbe als
bekannt voraussetzen. Die Debatten der Versammlung drehten sich haupt¬
sächlich um die beiden oben bezeichneten Punkte, die Competenzfrage und
die deutsche Frage. Beides ist in einem Sinne gelöst worden, den wir
oben vertreten haben. Es ist unsere innige Ueberzeugung, daß damit ein
wichtiger Schritt zur Klärung der politischen Verhältnisse in Sachsen ge¬
schehen ist. Indem sich die liberale Partei auf den Standpunkt bundesstaatlicher
Einigung Deutschlands gestellt, hat sie die Verpflichtung übernommen, für die
Verwirklichung dieses Programms mit allen gesetzlichen Mitteln zu wirken, und
so ist denn endlich die Beschäftigung mit der nationalen Sache in Sachsen
nicht mehr politische Liebhaberei, sondern anerkannte Pflicht. Damit hat sie zu¬
gleich den Anknüpfungspunkt wiedergewonnen, wo die Reaction ihre Hebel
angesetzt. Auch in Sachsen hat man um der deutschen Frage willen Gesetze durch
Verordnungen beseitigt, und in der deutschen Frage allein winkt der liberalen
Partei endlicher Sieg. — Der Kampf freilich wird oft ein heißer sein; ,,die
liberale Partei wird vielleicht lange Zeit die Rolle einer geschmähten Minorität
im Ständesaale zu spielen haben, vielleicht aber auch nicht; das hängt eben
von der deutschen Frage und was dasselbe ist. von der preußischen ab! Herr
v. Beust soll sich über Herrn v. Bismarck vergnügt geäußert haben: „er macht
uns das Regieren leicht." Wir meinen vielmehr, daß er es Herrn v. Beust schwer
machen wird, und das ist nicht so sehr unser Wunsch, der konnte uns nicht gestattet
sein, als unsere feste Ueberzeugung! — Das sächsische Volk wird nun nicht
eine Probe politischer Bildung zu geben haben — woher sollte die ihm kommen!
— aber Beweise, daß es zu erkennen vermag, was ihm Noth thut, und daß es
den festen und beharrlichen Willen hat, dies auf gesetzlichem Wege zu erreichen.
Möge es diese Probe bestehen. Der Fvrtschrittsverein ist jedenfalls ein freu¬
dig zu begrüßender Anfang, und wir hoffen zuversichtlich, daß er seine Schul¬
digkeit thun werde.
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