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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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tems, nicht dieses hauptsächlich hat mich in Geldverlegenheit gebracht, sondern
die Gutmüthigkeit einem Landsmann Geld zu borgen. Uebrigens spiele ich
seit vorgestern nicht mehr, weil mich das ewige Verlieren ärgert, ich gab daher
Jemanden mein Ehrenwort nicht mehr zu spielen.

Deine Nachricht wegen Mlle. M. hat mich überrascht, obzwar ich der¬
gleichen Extravaganzen von dieser kleinen Centaurin erwartete. Deine Erzäh¬
lung von der schönen Frau die sich nach mir erkundigt intriguirt mich sehr.
Ist es keine Mystification von Dir? -- Ein russischer Fürst K., der einst als
Gesandter überall gewesen, erzählt mir hier viel Interessantes, ^sous svmmvs
of6M!Ad1e,K. Er weckt in mir die Lust nach IriZIi Ilk"z. Ich lerne schwimmen.
-- Mein Bruder schreibt mir, daß in Berlin die Reisebilder noch immer stark
gelesen und bekrittelt werden; im Ganzen würde ich gekreuzigt. Daß Du
Kleist jetzt zu lesen beginnst, freut mich. Er hat in höheren Grade was Dir
bei mir gefällt. Er ist ganz Romantiker, will nur das Romantische geben, und
gibt dieses durch lauter plastische Gestalten, so daß er wieder äußerlich ganz
Plastiker ist.


Dein Freund
H. Heine.

Lüneburg, d. 6. Octob. 1826.


Lieber Freund!

Ich hab Dir lange nicht geschrieben; desto öfter hab ich an Dich gedacht-
Das böse Fieber hat mich abgeschreckt nach Friesland und Holland zu reisen;
die Reise ist aber darum nicht aufgegeben. Ich gehe mahl von Hamburg aus
mit dem Dampfschiff direct nach Amsterdam. Dennoch will ich meine letzte
Reise beschreiben. Im Grunde ist es gleichgültig was ich beschreibe; Alles 'se
ja Gottes Welt und der Beachtung werth; und was ich aus den Dingen
nicht hinaussehe, dan> sehe ich hinein. Leider befinde ich mich noch immer von
Kopfschmerzen gequält, obschon das Bad mir erstaunlich heilsam war. -- H'^
hab ich bereits acht große Seebilder geschrieben, höchst originell, vielleicht von
nicht allzugroßem Werth, aber doch immer bemerkenswerth; und ich steh dafür
sie werden bemerkt werden. Wenn es sich nur mit meiner Gesundheit etwas
mehr bessert, so wird der zweite Reisebilder-Theil das wunderbarste und inter¬
essanteste Buch das in dieser Zeit erscheinen mag. Ich übereile mich gar nicht-
Lüneburg ist nicht an einem Tage gebaut. Und Lüneburg ist noch lange nicht
Rom. Ich befinde mich schlecht und voll Poesie. Ein Reisender, der eben w
ganz Deutschland gekreuzt, hat überall von meinen Reisebildern sprechen ge¬
hört. Gott! ich muß den zweiten Theil unendlich besser geben, es soll geschehen.
Aus was für elendem Papier ist Tiecks Cevennenkrieg gedruckt! -- Campe


tems, nicht dieses hauptsächlich hat mich in Geldverlegenheit gebracht, sondern
die Gutmüthigkeit einem Landsmann Geld zu borgen. Uebrigens spiele ich
seit vorgestern nicht mehr, weil mich das ewige Verlieren ärgert, ich gab daher
Jemanden mein Ehrenwort nicht mehr zu spielen.

Deine Nachricht wegen Mlle. M. hat mich überrascht, obzwar ich der¬
gleichen Extravaganzen von dieser kleinen Centaurin erwartete. Deine Erzäh¬
lung von der schönen Frau die sich nach mir erkundigt intriguirt mich sehr.
Ist es keine Mystification von Dir? — Ein russischer Fürst K., der einst als
Gesandter überall gewesen, erzählt mir hier viel Interessantes, ^sous svmmvs
of6M!Ad1e,K. Er weckt in mir die Lust nach IriZIi Ilk«z. Ich lerne schwimmen.
— Mein Bruder schreibt mir, daß in Berlin die Reisebilder noch immer stark
gelesen und bekrittelt werden; im Ganzen würde ich gekreuzigt. Daß Du
Kleist jetzt zu lesen beginnst, freut mich. Er hat in höheren Grade was Dir
bei mir gefällt. Er ist ganz Romantiker, will nur das Romantische geben, und
gibt dieses durch lauter plastische Gestalten, so daß er wieder äußerlich ganz
Plastiker ist.


Dein Freund
H. Heine.

Lüneburg, d. 6. Octob. 1826.


Lieber Freund!

Ich hab Dir lange nicht geschrieben; desto öfter hab ich an Dich gedacht-
Das böse Fieber hat mich abgeschreckt nach Friesland und Holland zu reisen;
die Reise ist aber darum nicht aufgegeben. Ich gehe mahl von Hamburg aus
mit dem Dampfschiff direct nach Amsterdam. Dennoch will ich meine letzte
Reise beschreiben. Im Grunde ist es gleichgültig was ich beschreibe; Alles 'se
ja Gottes Welt und der Beachtung werth; und was ich aus den Dingen
nicht hinaussehe, dan> sehe ich hinein. Leider befinde ich mich noch immer von
Kopfschmerzen gequält, obschon das Bad mir erstaunlich heilsam war. — H'^
hab ich bereits acht große Seebilder geschrieben, höchst originell, vielleicht von
nicht allzugroßem Werth, aber doch immer bemerkenswerth; und ich steh dafür
sie werden bemerkt werden. Wenn es sich nur mit meiner Gesundheit etwas
mehr bessert, so wird der zweite Reisebilder-Theil das wunderbarste und inter¬
essanteste Buch das in dieser Zeit erscheinen mag. Ich übereile mich gar nicht-
Lüneburg ist nicht an einem Tage gebaut. Und Lüneburg ist noch lange nicht
Rom. Ich befinde mich schlecht und voll Poesie. Ein Reisender, der eben w
ganz Deutschland gekreuzt, hat überall von meinen Reisebildern sprechen ge¬
hört. Gott! ich muß den zweiten Theil unendlich besser geben, es soll geschehen.
Aus was für elendem Papier ist Tiecks Cevennenkrieg gedruckt! — Campe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/190>, abgerufen am 27.09.2024.