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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Augenblicke, daß deren bei der Armee gegenwärtiger Theil kaum zum Vorposten-
dienst ausreichte und Fouragierungen durch Jnfanterieabtheilungcn vorgenommen
werden mußten, daß diese nie genügend ausfielen, darüber Reiterei und Train zu
Grunde gingen und es somit endlich auch an geeigneten Vorposten gebrach. Der
Herzog spricht sogar weiterhin den Verdacht aus. daß es Diebitsch von vornherein
darauf angelegt habe, dem commandirenden Generalfeldmarschall Wittgenstein
möglichst viel Hindernisse in den Weg zu legen und ihn keine großen Erfolge
erringen zu lassen, um dann im nächsten Jahr selbst befehligen zu können. Einer
ähnlichen Handlungsweise beschuldigt der Herzog den General Diebitsch in
Bezug auf sich. Während der Belagerung von Schumla rückte als Entsatz
für das ebenfalls belagerte Warna auf der schmalen Landzunge zwischen dem
Dewnosee und dem schwarzen Meere ein türkisches Corps von 20.000 Mann
unter Omer Vrione heran. Bei den bisherigen sehr spärlichen Erfolgen dieses
Feldzugs war es doppelt wünschenswerth, einen affectvoller Schlag auszuführen,
und Herzog Eugen erbot sich, mit seinem auf zweiundzwanzig Bataillone ver¬
stärkten Corps dem unvorsichtig vorgehenden Feind in den Rücken zu fallen.
Wie der Herzog behauptet, hintertrieb Diebitsch diesen, sichern Erfolg verhei¬
ßenden Plan in dem zu seiner Ausführung geeignetsten Augenblicke, nahm ihn
aber später unter Umständen wieder auf. die. wenn sie sich so verhalten, wie
der Herzog behauptet, den Argwohn des Letzteren rechtfertigen würden, daß ihn
Diebitsch absichtlich habe ins Verderben stürzen wollen. Anstatt 22 Bataillone
mit der entsprechenden Reiterei und Artillerie, erhielt der Herzog nur 7000 Mann
zum Angriff auf das unterdeß auf 42.000 Mann angewachsene und in stark¬
verschanztem Lager bei Kurt6p6 stehende türkische Heer, dazu aber vom Kaiser,
dem die Vorstellung (natürlich vom Majorgeneral) eingeprägt worden zu sein
schien. daß die Vertreibung dieses türkischen Hecrtheiis unbedingt nothwendig
sei. wenn die Einnahme von Warna gelingen sollte, den Befehl, den Angriff
zu beschleunigen. Diesen Befehl überbrachte ein kaiserlicher Generaladjutant,
der die Ermächtigung zur Uebernahme des Commandos. im Fall der Herzog
verwundet oder getödtet werden sollte, schon in der Tasche trug. Da ein Theil
der russischen Truppen im Lager von Hadschi Hassan Lar und ein anderer bei der
Artillerie zurückbleiben mußte, welche durch die das Lager bei Kurtepv umge¬
benden Waldungen gar nicht fortgebracht werden konnte, so behielt der Herzog
nur 3.400 Mann zur Verfügung, und es war natürlich, daß unter solchen Um¬
ständen der Angriff trotz der Tapferkeit der Russen gänzlich fehlschlug. Anderen
Truppen gegenüber wäre das schwache Corps des Herzogs jedenfalls vernichtet
worden; so aber kam es mit einem Verlust von 900 Todten und 600 Verwundeten
davon und konnte unbelästigt seinen Rückzug nach Hadschi Hassan Lar bewerk¬
stelligen. Wieder soll Diebitsch Sorge getragen haben, daß das Mißgeschick
über russische Waffen bei dem Kaiser stärker ins Gewicht fiel, als die sehr


Augenblicke, daß deren bei der Armee gegenwärtiger Theil kaum zum Vorposten-
dienst ausreichte und Fouragierungen durch Jnfanterieabtheilungcn vorgenommen
werden mußten, daß diese nie genügend ausfielen, darüber Reiterei und Train zu
Grunde gingen und es somit endlich auch an geeigneten Vorposten gebrach. Der
Herzog spricht sogar weiterhin den Verdacht aus. daß es Diebitsch von vornherein
darauf angelegt habe, dem commandirenden Generalfeldmarschall Wittgenstein
möglichst viel Hindernisse in den Weg zu legen und ihn keine großen Erfolge
erringen zu lassen, um dann im nächsten Jahr selbst befehligen zu können. Einer
ähnlichen Handlungsweise beschuldigt der Herzog den General Diebitsch in
Bezug auf sich. Während der Belagerung von Schumla rückte als Entsatz
für das ebenfalls belagerte Warna auf der schmalen Landzunge zwischen dem
Dewnosee und dem schwarzen Meere ein türkisches Corps von 20.000 Mann
unter Omer Vrione heran. Bei den bisherigen sehr spärlichen Erfolgen dieses
Feldzugs war es doppelt wünschenswerth, einen affectvoller Schlag auszuführen,
und Herzog Eugen erbot sich, mit seinem auf zweiundzwanzig Bataillone ver¬
stärkten Corps dem unvorsichtig vorgehenden Feind in den Rücken zu fallen.
Wie der Herzog behauptet, hintertrieb Diebitsch diesen, sichern Erfolg verhei¬
ßenden Plan in dem zu seiner Ausführung geeignetsten Augenblicke, nahm ihn
aber später unter Umständen wieder auf. die. wenn sie sich so verhalten, wie
der Herzog behauptet, den Argwohn des Letzteren rechtfertigen würden, daß ihn
Diebitsch absichtlich habe ins Verderben stürzen wollen. Anstatt 22 Bataillone
mit der entsprechenden Reiterei und Artillerie, erhielt der Herzog nur 7000 Mann
zum Angriff auf das unterdeß auf 42.000 Mann angewachsene und in stark¬
verschanztem Lager bei Kurt6p6 stehende türkische Heer, dazu aber vom Kaiser,
dem die Vorstellung (natürlich vom Majorgeneral) eingeprägt worden zu sein
schien. daß die Vertreibung dieses türkischen Hecrtheiis unbedingt nothwendig
sei. wenn die Einnahme von Warna gelingen sollte, den Befehl, den Angriff
zu beschleunigen. Diesen Befehl überbrachte ein kaiserlicher Generaladjutant,
der die Ermächtigung zur Uebernahme des Commandos. im Fall der Herzog
verwundet oder getödtet werden sollte, schon in der Tasche trug. Da ein Theil
der russischen Truppen im Lager von Hadschi Hassan Lar und ein anderer bei der
Artillerie zurückbleiben mußte, welche durch die das Lager bei Kurtepv umge¬
benden Waldungen gar nicht fortgebracht werden konnte, so behielt der Herzog
nur 3.400 Mann zur Verfügung, und es war natürlich, daß unter solchen Um¬
ständen der Angriff trotz der Tapferkeit der Russen gänzlich fehlschlug. Anderen
Truppen gegenüber wäre das schwache Corps des Herzogs jedenfalls vernichtet
worden; so aber kam es mit einem Verlust von 900 Todten und 600 Verwundeten
davon und konnte unbelästigt seinen Rückzug nach Hadschi Hassan Lar bewerk¬
stelligen. Wieder soll Diebitsch Sorge getragen haben, daß das Mißgeschick
über russische Waffen bei dem Kaiser stärker ins Gewicht fiel, als die sehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/185>, abgerufen am 28.09.2024.