Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schweigen Übergängen werden könne. -- Hätte mir diese Möglichkeit aber auch
schon am 30, August vorschweben können, so mußte an jenem Tage denn doch
eine andere wichtigere Pflicht gelten/ als eine Wahrnehmung meiner persön¬
lichen Rechte. Ueberhaupt dachte ich damals, wo alle meine Bestrebungen auf
das Hauptziel: die Besiegung Napoleons -- gerichtet waren, über diese An¬
gelegenheit ganz anders als heute."

Ais der Prinz den Armeebericht gelesen hatte, entschloß er sich in gerechter
Entrüstung, seinen Abschied zu fordern und ritt zu diesem Zweck nach Teplitz.
Unterwegs begegnete ihm aber der Kaiser. Dieser, der immer die allerschönsten
Worte für ihn hatte, um damit die empfindlichsten Zurücksetzungen zu ver¬
süßen, eilte auf den Prinzen zu, drückte ihm mit Wärme die Hand und sagte
zu ihm im verbindlichsten Tone: "Ich weiß Alles, was wir Ihnen verdanken,!
Die Selbstverläugnung ist die schönste Tugend!" Das weiche Herz des Prinzen
war davon so gerührt, daß er sein Abschiedsgesuch ganz und gar vergaß, ja
nicht einmal ein Wort der Beschwerde fallen ließ und sich auf die Hervor¬
hebung der Verdienste zweier seiner Untergenerale beschränkte. Zum einzige"
Trost erhielt er den Wladimirorden erster Classe und einen sehr schönen Brief
seiner Beschützerin, der Kaiserin Mutter, der ihm das Glück stiller Bescheiden¬
heit rühmte und ihn bei dem Mangel äußerer Anerkennung auf den Lohn ver¬
wies, den ihm das Bewußtsein, sich für Andere aufzuopfern, geben müsse.

Zweiundzwanzig Jahre später widerfuhr dem Prinzen in dieser Angelegen¬
heit noch eine neue Kränkung. Als man 1835 den Grundstein zu dem russischen
Denkmal zum Gedächtniß der Schlacht bei Priesen legte, wurde in demselben
eine von den drei Monarchen Oestreichs, Ruhlands und Preußens unterzeichnete
Urkunde eingesenkt, in welcher abermals das ganze Verdienst des Sieges dem
General Ostermann zugeschrieben und der Antheil des Herzogs Eugen und
seines Armeecorps mit Stillschweigen übergangen wurde. Gleichzeitig erhielten
Ostermann und Nermoloff anerkennende Schreiben vom Kaiser Nikolaus, der
Herzog aber, der sich damals in Karlsruh in Schlesien aufhielt, ging leer aus.
Diesmal machte er dagegen Vorstellungen beim Kaiser und erbat sich die Er¬
laubniß, dem König von Preußen, der an den Ereignissen des Jahres 1813
und besonders jener verhängnißvollen Tage einen glorreichen Antheil genommen,
einen umständlichen Bericht über den Gang der Schlacht vom 29. August ein¬
zuschicken, da auch er über den Zusammenhang der Ereignisse nicht genau
unterrichtet zu sein scheine. Der Kriegsminister Czernitscheff, der diesen Brief
beantwortete, that, als ob er die Klagen des Prinzen nicht verstände, und
wich seinem Wunsche, einen Bericht an den König von Preußen zu senden, mit
der Erklärung aus, daß der Generalstab bereits einen solchen für diesen Monarchen
ausarbeite.

Was der Prinz sonst noch über die Ereignisse der Feldzüge von 1813 und


schweigen Übergängen werden könne. — Hätte mir diese Möglichkeit aber auch
schon am 30, August vorschweben können, so mußte an jenem Tage denn doch
eine andere wichtigere Pflicht gelten/ als eine Wahrnehmung meiner persön¬
lichen Rechte. Ueberhaupt dachte ich damals, wo alle meine Bestrebungen auf
das Hauptziel: die Besiegung Napoleons — gerichtet waren, über diese An¬
gelegenheit ganz anders als heute."

Ais der Prinz den Armeebericht gelesen hatte, entschloß er sich in gerechter
Entrüstung, seinen Abschied zu fordern und ritt zu diesem Zweck nach Teplitz.
Unterwegs begegnete ihm aber der Kaiser. Dieser, der immer die allerschönsten
Worte für ihn hatte, um damit die empfindlichsten Zurücksetzungen zu ver¬
süßen, eilte auf den Prinzen zu, drückte ihm mit Wärme die Hand und sagte
zu ihm im verbindlichsten Tone: „Ich weiß Alles, was wir Ihnen verdanken,!
Die Selbstverläugnung ist die schönste Tugend!" Das weiche Herz des Prinzen
war davon so gerührt, daß er sein Abschiedsgesuch ganz und gar vergaß, ja
nicht einmal ein Wort der Beschwerde fallen ließ und sich auf die Hervor¬
hebung der Verdienste zweier seiner Untergenerale beschränkte. Zum einzige»
Trost erhielt er den Wladimirorden erster Classe und einen sehr schönen Brief
seiner Beschützerin, der Kaiserin Mutter, der ihm das Glück stiller Bescheiden¬
heit rühmte und ihn bei dem Mangel äußerer Anerkennung auf den Lohn ver¬
wies, den ihm das Bewußtsein, sich für Andere aufzuopfern, geben müsse.

Zweiundzwanzig Jahre später widerfuhr dem Prinzen in dieser Angelegen¬
heit noch eine neue Kränkung. Als man 1835 den Grundstein zu dem russischen
Denkmal zum Gedächtniß der Schlacht bei Priesen legte, wurde in demselben
eine von den drei Monarchen Oestreichs, Ruhlands und Preußens unterzeichnete
Urkunde eingesenkt, in welcher abermals das ganze Verdienst des Sieges dem
General Ostermann zugeschrieben und der Antheil des Herzogs Eugen und
seines Armeecorps mit Stillschweigen übergangen wurde. Gleichzeitig erhielten
Ostermann und Nermoloff anerkennende Schreiben vom Kaiser Nikolaus, der
Herzog aber, der sich damals in Karlsruh in Schlesien aufhielt, ging leer aus.
Diesmal machte er dagegen Vorstellungen beim Kaiser und erbat sich die Er¬
laubniß, dem König von Preußen, der an den Ereignissen des Jahres 1813
und besonders jener verhängnißvollen Tage einen glorreichen Antheil genommen,
einen umständlichen Bericht über den Gang der Schlacht vom 29. August ein¬
zuschicken, da auch er über den Zusammenhang der Ereignisse nicht genau
unterrichtet zu sein scheine. Der Kriegsminister Czernitscheff, der diesen Brief
beantwortete, that, als ob er die Klagen des Prinzen nicht verstände, und
wich seinem Wunsche, einen Bericht an den König von Preußen zu senden, mit
der Erklärung aus, daß der Generalstab bereits einen solchen für diesen Monarchen
ausarbeite.

Was der Prinz sonst noch über die Ereignisse der Feldzüge von 1813 und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188209"/>
              <p xml:id="ID_579" prev="#ID_578"> schweigen Übergängen werden könne. &#x2014; Hätte mir diese Möglichkeit aber auch<lb/>
schon am 30, August vorschweben können, so mußte an jenem Tage denn doch<lb/>
eine andere wichtigere Pflicht gelten/ als eine Wahrnehmung meiner persön¬<lb/>
lichen Rechte. Ueberhaupt dachte ich damals, wo alle meine Bestrebungen auf<lb/>
das Hauptziel: die Besiegung Napoleons &#x2014; gerichtet waren, über diese An¬<lb/>
gelegenheit ganz anders als heute."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_580"> Ais der Prinz den Armeebericht gelesen hatte, entschloß er sich in gerechter<lb/>
Entrüstung, seinen Abschied zu fordern und ritt zu diesem Zweck nach Teplitz.<lb/>
Unterwegs begegnete ihm aber der Kaiser. Dieser, der immer die allerschönsten<lb/>
Worte für ihn hatte, um damit die empfindlichsten Zurücksetzungen zu ver¬<lb/>
süßen, eilte auf den Prinzen zu, drückte ihm mit Wärme die Hand und sagte<lb/>
zu ihm im verbindlichsten Tone: &#x201E;Ich weiß Alles, was wir Ihnen verdanken,!<lb/>
Die Selbstverläugnung ist die schönste Tugend!" Das weiche Herz des Prinzen<lb/>
war davon so gerührt, daß er sein Abschiedsgesuch ganz und gar vergaß, ja<lb/>
nicht einmal ein Wort der Beschwerde fallen ließ und sich auf die Hervor¬<lb/>
hebung der Verdienste zweier seiner Untergenerale beschränkte. Zum einzige»<lb/>
Trost erhielt er den Wladimirorden erster Classe und einen sehr schönen Brief<lb/>
seiner Beschützerin, der Kaiserin Mutter, der ihm das Glück stiller Bescheiden¬<lb/>
heit rühmte und ihn bei dem Mangel äußerer Anerkennung auf den Lohn ver¬<lb/>
wies, den ihm das Bewußtsein, sich für Andere aufzuopfern, geben müsse.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_581"> Zweiundzwanzig Jahre später widerfuhr dem Prinzen in dieser Angelegen¬<lb/>
heit noch eine neue Kränkung. Als man 1835 den Grundstein zu dem russischen<lb/>
Denkmal zum Gedächtniß der Schlacht bei Priesen legte, wurde in demselben<lb/>
eine von den drei Monarchen Oestreichs, Ruhlands und Preußens unterzeichnete<lb/>
Urkunde eingesenkt, in welcher abermals das ganze Verdienst des Sieges dem<lb/>
General Ostermann zugeschrieben und der Antheil des Herzogs Eugen und<lb/>
seines Armeecorps mit Stillschweigen übergangen wurde. Gleichzeitig erhielten<lb/>
Ostermann und Nermoloff anerkennende Schreiben vom Kaiser Nikolaus, der<lb/>
Herzog aber, der sich damals in Karlsruh in Schlesien aufhielt, ging leer aus.<lb/>
Diesmal machte er dagegen Vorstellungen beim Kaiser und erbat sich die Er¬<lb/>
laubniß, dem König von Preußen, der an den Ereignissen des Jahres 1813<lb/>
und besonders jener verhängnißvollen Tage einen glorreichen Antheil genommen,<lb/>
einen umständlichen Bericht über den Gang der Schlacht vom 29. August ein¬<lb/>
zuschicken, da auch er über den Zusammenhang der Ereignisse nicht genau<lb/>
unterrichtet zu sein scheine.  Der Kriegsminister Czernitscheff, der diesen Brief<lb/>
beantwortete, that, als ob er die Klagen des Prinzen nicht verstände, und<lb/>
wich seinem Wunsche, einen Bericht an den König von Preußen zu senden, mit<lb/>
der Erklärung aus, daß der Generalstab bereits einen solchen für diesen Monarchen<lb/>
ausarbeite.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_582" next="#ID_583"> Was der Prinz sonst noch über die Ereignisse der Feldzüge von 1813 und</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0182] schweigen Übergängen werden könne. — Hätte mir diese Möglichkeit aber auch schon am 30, August vorschweben können, so mußte an jenem Tage denn doch eine andere wichtigere Pflicht gelten/ als eine Wahrnehmung meiner persön¬ lichen Rechte. Ueberhaupt dachte ich damals, wo alle meine Bestrebungen auf das Hauptziel: die Besiegung Napoleons — gerichtet waren, über diese An¬ gelegenheit ganz anders als heute." Ais der Prinz den Armeebericht gelesen hatte, entschloß er sich in gerechter Entrüstung, seinen Abschied zu fordern und ritt zu diesem Zweck nach Teplitz. Unterwegs begegnete ihm aber der Kaiser. Dieser, der immer die allerschönsten Worte für ihn hatte, um damit die empfindlichsten Zurücksetzungen zu ver¬ süßen, eilte auf den Prinzen zu, drückte ihm mit Wärme die Hand und sagte zu ihm im verbindlichsten Tone: „Ich weiß Alles, was wir Ihnen verdanken,! Die Selbstverläugnung ist die schönste Tugend!" Das weiche Herz des Prinzen war davon so gerührt, daß er sein Abschiedsgesuch ganz und gar vergaß, ja nicht einmal ein Wort der Beschwerde fallen ließ und sich auf die Hervor¬ hebung der Verdienste zweier seiner Untergenerale beschränkte. Zum einzige» Trost erhielt er den Wladimirorden erster Classe und einen sehr schönen Brief seiner Beschützerin, der Kaiserin Mutter, der ihm das Glück stiller Bescheiden¬ heit rühmte und ihn bei dem Mangel äußerer Anerkennung auf den Lohn ver¬ wies, den ihm das Bewußtsein, sich für Andere aufzuopfern, geben müsse. Zweiundzwanzig Jahre später widerfuhr dem Prinzen in dieser Angelegen¬ heit noch eine neue Kränkung. Als man 1835 den Grundstein zu dem russischen Denkmal zum Gedächtniß der Schlacht bei Priesen legte, wurde in demselben eine von den drei Monarchen Oestreichs, Ruhlands und Preußens unterzeichnete Urkunde eingesenkt, in welcher abermals das ganze Verdienst des Sieges dem General Ostermann zugeschrieben und der Antheil des Herzogs Eugen und seines Armeecorps mit Stillschweigen übergangen wurde. Gleichzeitig erhielten Ostermann und Nermoloff anerkennende Schreiben vom Kaiser Nikolaus, der Herzog aber, der sich damals in Karlsruh in Schlesien aufhielt, ging leer aus. Diesmal machte er dagegen Vorstellungen beim Kaiser und erbat sich die Er¬ laubniß, dem König von Preußen, der an den Ereignissen des Jahres 1813 und besonders jener verhängnißvollen Tage einen glorreichen Antheil genommen, einen umständlichen Bericht über den Gang der Schlacht vom 29. August ein¬ zuschicken, da auch er über den Zusammenhang der Ereignisse nicht genau unterrichtet zu sein scheine. Der Kriegsminister Czernitscheff, der diesen Brief beantwortete, that, als ob er die Klagen des Prinzen nicht verstände, und wich seinem Wunsche, einen Bericht an den König von Preußen zu senden, mit der Erklärung aus, daß der Generalstab bereits einen solchen für diesen Monarchen ausarbeite. Was der Prinz sonst noch über die Ereignisse der Feldzüge von 1813 und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/182
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/182>, abgerufen am 28.09.2024.