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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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minderer Beharrlichkeit bei Priesen Vandamme von Neuem die Spitze bot
und einerseits Bartlay ermöglichte, sich aus den Engpässen des Gebirgs vol¬
lends herauszuwickeln, andererseits Kleist, seinen kühnen Zug von Fürsteu¬
walde nach Nollendorf zu unternehmen, um von dort aus am folgenden Tage
Vandamme in den Rücken zu fallen und bei der Vernichtung von dessen Heer
die entscheidende Rolle zu spielen. Dies blutige Gefecht ist das schönste Blatt
in dem Nuhmcskranz des Prinzen Eugen; denn er hat es geleitet und nicht
der ganz unzurechnungsfähige Ostcrmann, den mit seltsamer Voreingenommen¬
heit Fallmerayer noch in neuester Zeit als den Helden des Tages gefeiert hat.

Der Prinz hatte am Anfang des Tages nur 14,700 Mann den 30.000
Mann Vandammes entgegenzustellen und selbst mit den allmälig eintreffenden
Verstärkungen konnte er nie mehr als 20,000 Mann verwenden. Am heftigsten
war der Kampf im Centrum, um das Dorf Priesen, wo die von dem blutige"
Ringen des vorigen Tages gelichteten und ermatteten Truppen kaum den An¬
griffen des Feindes Stand halten konnten. Zweimal gelang es den Franzosen,
hier die Garden und den General Helfreich zurückzuwerfen, und das letzte Mal
wollten sie sich eben, trotz des heftigsten Kartätschenfeuers, der zwei hinter dem
Dorfe aufgestellten Batterien bemächtigen, als Prinz Eugen in dieser äußersten
Gefahr den General Krabowitzly mit dem Garderegiment Jsmailoff zu Hülfe
rief. Auch hier machte General Aermoioff, dem nicht die Rettung des Heeres,
sondern die unversehrte Erhaltung der Garde das Wichtigste zu sein schien,
Einwendungen und rief dem vom Prinzen an ihn gesandten Adjutanten Hell¬
dorf zu: "Der Prinz ist ailzuverschwenderisch mit dem Blute der kaiserliche"
Garden!" Zum Glück kehrte sich General Krabowitzly daran nicht und ging
mit seinen Truppen vor. "Aufbruch, Angriff und Sieg," sagt der Prinz, "war
das Resultat eines Augenblicks; gleich darauf sah man das Schlachtfeld mit
feindlichen Leichen bedeckt, die nächsten feindlichen Colonne" flüchtend, unsere
ganze Linie im erneuten Vorrücken und die Batterien wieder in vollständig¬
ster Wirkung. Es war eine wahrhafte Heldenthat, die aber auch zugleich dem
tapfern Regimente große Opfer kostete. General Krabowitzky und Oberst Ma>-
tinvff wurden schwer verwundet." Um dieselbe Zeit wurde dem Grafen Ostcr¬
mann durch eine Kanonenkugel der Arm abgeschossen, und er mußte aus dem
Gefechte gebracht werden. Dadurch wurden die störenden Elemente entfernt
und auch Uermoloff wieder in seine natürliche Stellung zurückgewiesen. Noch
einmal, etwa um fünf Uhr, versuchte Vandamme bei Priesen durchzubrechen,
und Alles hing für einen Augenblick in der gefährlichsten Schwebe -- denn
nur durch einen Neiterangriff konnte man dem Feinde bei Priesen begegnen,
da selbst das letzte Bataillon Infanterie bereits verwendet war. PrinZ
Eugen stürzte selbst mit zwei Kürassierrcgimcntcrn gegen den Feind, während
der im Laufe des Gefechts angelangte Gencralquartiermeister Diebitsch mit


minderer Beharrlichkeit bei Priesen Vandamme von Neuem die Spitze bot
und einerseits Bartlay ermöglichte, sich aus den Engpässen des Gebirgs vol¬
lends herauszuwickeln, andererseits Kleist, seinen kühnen Zug von Fürsteu¬
walde nach Nollendorf zu unternehmen, um von dort aus am folgenden Tage
Vandamme in den Rücken zu fallen und bei der Vernichtung von dessen Heer
die entscheidende Rolle zu spielen. Dies blutige Gefecht ist das schönste Blatt
in dem Nuhmcskranz des Prinzen Eugen; denn er hat es geleitet und nicht
der ganz unzurechnungsfähige Ostcrmann, den mit seltsamer Voreingenommen¬
heit Fallmerayer noch in neuester Zeit als den Helden des Tages gefeiert hat.

Der Prinz hatte am Anfang des Tages nur 14,700 Mann den 30.000
Mann Vandammes entgegenzustellen und selbst mit den allmälig eintreffenden
Verstärkungen konnte er nie mehr als 20,000 Mann verwenden. Am heftigsten
war der Kampf im Centrum, um das Dorf Priesen, wo die von dem blutige»
Ringen des vorigen Tages gelichteten und ermatteten Truppen kaum den An¬
griffen des Feindes Stand halten konnten. Zweimal gelang es den Franzosen,
hier die Garden und den General Helfreich zurückzuwerfen, und das letzte Mal
wollten sie sich eben, trotz des heftigsten Kartätschenfeuers, der zwei hinter dem
Dorfe aufgestellten Batterien bemächtigen, als Prinz Eugen in dieser äußersten
Gefahr den General Krabowitzly mit dem Garderegiment Jsmailoff zu Hülfe
rief. Auch hier machte General Aermoioff, dem nicht die Rettung des Heeres,
sondern die unversehrte Erhaltung der Garde das Wichtigste zu sein schien,
Einwendungen und rief dem vom Prinzen an ihn gesandten Adjutanten Hell¬
dorf zu: „Der Prinz ist ailzuverschwenderisch mit dem Blute der kaiserliche»
Garden!" Zum Glück kehrte sich General Krabowitzly daran nicht und ging
mit seinen Truppen vor. „Aufbruch, Angriff und Sieg," sagt der Prinz, „war
das Resultat eines Augenblicks; gleich darauf sah man das Schlachtfeld mit
feindlichen Leichen bedeckt, die nächsten feindlichen Colonne» flüchtend, unsere
ganze Linie im erneuten Vorrücken und die Batterien wieder in vollständig¬
ster Wirkung. Es war eine wahrhafte Heldenthat, die aber auch zugleich dem
tapfern Regimente große Opfer kostete. General Krabowitzky und Oberst Ma>-
tinvff wurden schwer verwundet." Um dieselbe Zeit wurde dem Grafen Ostcr¬
mann durch eine Kanonenkugel der Arm abgeschossen, und er mußte aus dem
Gefechte gebracht werden. Dadurch wurden die störenden Elemente entfernt
und auch Uermoloff wieder in seine natürliche Stellung zurückgewiesen. Noch
einmal, etwa um fünf Uhr, versuchte Vandamme bei Priesen durchzubrechen,
und Alles hing für einen Augenblick in der gefährlichsten Schwebe — denn
nur durch einen Neiterangriff konnte man dem Feinde bei Priesen begegnen,
da selbst das letzte Bataillon Infanterie bereits verwendet war. PrinZ
Eugen stürzte selbst mit zwei Kürassierrcgimcntcrn gegen den Feind, während
der im Laufe des Gefechts angelangte Gencralquartiermeister Diebitsch mit


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[0180] minderer Beharrlichkeit bei Priesen Vandamme von Neuem die Spitze bot und einerseits Bartlay ermöglichte, sich aus den Engpässen des Gebirgs vol¬ lends herauszuwickeln, andererseits Kleist, seinen kühnen Zug von Fürsteu¬ walde nach Nollendorf zu unternehmen, um von dort aus am folgenden Tage Vandamme in den Rücken zu fallen und bei der Vernichtung von dessen Heer die entscheidende Rolle zu spielen. Dies blutige Gefecht ist das schönste Blatt in dem Nuhmcskranz des Prinzen Eugen; denn er hat es geleitet und nicht der ganz unzurechnungsfähige Ostcrmann, den mit seltsamer Voreingenommen¬ heit Fallmerayer noch in neuester Zeit als den Helden des Tages gefeiert hat. Der Prinz hatte am Anfang des Tages nur 14,700 Mann den 30.000 Mann Vandammes entgegenzustellen und selbst mit den allmälig eintreffenden Verstärkungen konnte er nie mehr als 20,000 Mann verwenden. Am heftigsten war der Kampf im Centrum, um das Dorf Priesen, wo die von dem blutige» Ringen des vorigen Tages gelichteten und ermatteten Truppen kaum den An¬ griffen des Feindes Stand halten konnten. Zweimal gelang es den Franzosen, hier die Garden und den General Helfreich zurückzuwerfen, und das letzte Mal wollten sie sich eben, trotz des heftigsten Kartätschenfeuers, der zwei hinter dem Dorfe aufgestellten Batterien bemächtigen, als Prinz Eugen in dieser äußersten Gefahr den General Krabowitzly mit dem Garderegiment Jsmailoff zu Hülfe rief. Auch hier machte General Aermoioff, dem nicht die Rettung des Heeres, sondern die unversehrte Erhaltung der Garde das Wichtigste zu sein schien, Einwendungen und rief dem vom Prinzen an ihn gesandten Adjutanten Hell¬ dorf zu: „Der Prinz ist ailzuverschwenderisch mit dem Blute der kaiserliche» Garden!" Zum Glück kehrte sich General Krabowitzly daran nicht und ging mit seinen Truppen vor. „Aufbruch, Angriff und Sieg," sagt der Prinz, „war das Resultat eines Augenblicks; gleich darauf sah man das Schlachtfeld mit feindlichen Leichen bedeckt, die nächsten feindlichen Colonne» flüchtend, unsere ganze Linie im erneuten Vorrücken und die Batterien wieder in vollständig¬ ster Wirkung. Es war eine wahrhafte Heldenthat, die aber auch zugleich dem tapfern Regimente große Opfer kostete. General Krabowitzky und Oberst Ma>- tinvff wurden schwer verwundet." Um dieselbe Zeit wurde dem Grafen Ostcr¬ mann durch eine Kanonenkugel der Arm abgeschossen, und er mußte aus dem Gefechte gebracht werden. Dadurch wurden die störenden Elemente entfernt und auch Uermoloff wieder in seine natürliche Stellung zurückgewiesen. Noch einmal, etwa um fünf Uhr, versuchte Vandamme bei Priesen durchzubrechen, und Alles hing für einen Augenblick in der gefährlichsten Schwebe — denn nur durch einen Neiterangriff konnte man dem Feinde bei Priesen begegnen, da selbst das letzte Bataillon Infanterie bereits verwendet war. PrinZ Eugen stürzte selbst mit zwei Kürassierrcgimcntcrn gegen den Feind, während der im Laufe des Gefechts angelangte Gencralquartiermeister Diebitsch mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/180>, abgerufen am 27.09.2024.