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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Als der Prinz sein Corps nach Kolla abmarschiren ließ, glaubte Oster-
mann, derselbe wollte auf und davon gehen und die Garden im Stich lassen,
was immer seine fixe Idee blieb. Da seine Einwendungen bei dem Prinzen
kein Gehör fanden, verlangte er von dem Obersten Wolzogen wenigstens die
Vertretung bei dem Kaiser, "daß nicht er, sondern der Prinz den Garden die
gefährliche Aufgabe stelle und also auch nur auf diesem Letzteren die ganze
schwere Verantwortung lasten könne." Wolzogen ertheilte ihm lächelnd diese be¬
ruhigende Versicherung und eilte dann wieder zu dem Kaiser zurück, um diesem
über den Stand der Dinge Bericht zu erstatten.

Es gelang dem Prinzen Eugen sehr bald, das bereits von den Franzosen
besetzte Klein-Kolla zu nehmen und durch sein demonstratives Vorgehen gegen
Krilschwitz Vandamme so stutzig zu machen, daß der Angriff stockte. Diese
kurze freie Zeit zu benutzen, um die Hauptmasse der russischen Truppen nach
dem Gebirge in Bewegung zu setzen, war von der entscheidendsten Wichtigkeit.
Aber gerade diesen Augenblick ergriff der wieder sich selbst überlassene Oster¬
mann, um durch sein Eingreifen neue Verwirrung zu veranlassen. Es war
ein wahres Unglück, daß er in dem von Uermvloff gebildeten Stäbe Offiziere
zu seiner Verfügung hatte. Diese und die Kosaken seiner Escorte sprengten
überall herum und streuten den Samen der Unordnung aus, wo ihnen Zufall
oder Unglück Gehör verschafften. Zu dem Prinzen selbst kam ein Kosaken-
vffizier mit dem Befehl: "Graf Werdenberg befiehlt: dem Prinzen Norrick zu
melden, daß er sich halten möge. Er solle Alles in der Arrieregarde lasse",
selbst aber vorgehen." -- Schon hält die Garde an verschiedenen Stellen an,
anstatt zu marschiren; ja einzelne Abtheilungen fangen an Bivouacs zu be¬
ziehen und treffen Anstalten, abzukochen, während die Truppen des zweite"
Corps im heftigsten Kampf dem Feinde die Spitze zu bieten versuchen. Bereits
hat dieser die eingetretene Stockung bemerkt und wendet sich gegen Berggics-
hübel, um den Nüssen dort den Weg zu vertreten. Endlich gelingt es, die
Garden wieder in Bewegung zu setzen, doch fast ist es zu spät und mit dem
Bajonnet muß man sich bei Gieshübel Bahn brechen. Auch die Colonne des
Fürsten Schachoffskoi hat dort einen harten Kampf gegen den von Langen-
henncrsdvrf andrängenden Feind zu bestehen, doch gelingt es endlich, sämmt¬
liche sich zurückziehende Truppen mit Ausnahme von vier Regimentern, die
nach Geppersdorf abgedrängt werden, mit Einbruch der Nacht bei Peterswaldc
zu vereinigen. Lediglich den aufopfernden Anstrengungen des Prinzen war es
zu verdanken, daß diese wichtige Nichtung gegen einen übermächtigen Feind
festgehalten und die Ausgabe, der Hauptarmee den Rückzug nach Böhmen zu
sichern, gelöst wurde.

Der folgende Tag brachte neue Sorgen. Schachoffskoi, der vor Peters¬
walde blieb, war durch die Bewegungen des Feindes schon fast umgangen und


Als der Prinz sein Corps nach Kolla abmarschiren ließ, glaubte Oster-
mann, derselbe wollte auf und davon gehen und die Garden im Stich lassen,
was immer seine fixe Idee blieb. Da seine Einwendungen bei dem Prinzen
kein Gehör fanden, verlangte er von dem Obersten Wolzogen wenigstens die
Vertretung bei dem Kaiser, „daß nicht er, sondern der Prinz den Garden die
gefährliche Aufgabe stelle und also auch nur auf diesem Letzteren die ganze
schwere Verantwortung lasten könne." Wolzogen ertheilte ihm lächelnd diese be¬
ruhigende Versicherung und eilte dann wieder zu dem Kaiser zurück, um diesem
über den Stand der Dinge Bericht zu erstatten.

Es gelang dem Prinzen Eugen sehr bald, das bereits von den Franzosen
besetzte Klein-Kolla zu nehmen und durch sein demonstratives Vorgehen gegen
Krilschwitz Vandamme so stutzig zu machen, daß der Angriff stockte. Diese
kurze freie Zeit zu benutzen, um die Hauptmasse der russischen Truppen nach
dem Gebirge in Bewegung zu setzen, war von der entscheidendsten Wichtigkeit.
Aber gerade diesen Augenblick ergriff der wieder sich selbst überlassene Oster¬
mann, um durch sein Eingreifen neue Verwirrung zu veranlassen. Es war
ein wahres Unglück, daß er in dem von Uermvloff gebildeten Stäbe Offiziere
zu seiner Verfügung hatte. Diese und die Kosaken seiner Escorte sprengten
überall herum und streuten den Samen der Unordnung aus, wo ihnen Zufall
oder Unglück Gehör verschafften. Zu dem Prinzen selbst kam ein Kosaken-
vffizier mit dem Befehl: „Graf Werdenberg befiehlt: dem Prinzen Norrick zu
melden, daß er sich halten möge. Er solle Alles in der Arrieregarde lasse»,
selbst aber vorgehen." — Schon hält die Garde an verschiedenen Stellen an,
anstatt zu marschiren; ja einzelne Abtheilungen fangen an Bivouacs zu be¬
ziehen und treffen Anstalten, abzukochen, während die Truppen des zweite»
Corps im heftigsten Kampf dem Feinde die Spitze zu bieten versuchen. Bereits
hat dieser die eingetretene Stockung bemerkt und wendet sich gegen Berggics-
hübel, um den Nüssen dort den Weg zu vertreten. Endlich gelingt es, die
Garden wieder in Bewegung zu setzen, doch fast ist es zu spät und mit dem
Bajonnet muß man sich bei Gieshübel Bahn brechen. Auch die Colonne des
Fürsten Schachoffskoi hat dort einen harten Kampf gegen den von Langen-
henncrsdvrf andrängenden Feind zu bestehen, doch gelingt es endlich, sämmt¬
liche sich zurückziehende Truppen mit Ausnahme von vier Regimentern, die
nach Geppersdorf abgedrängt werden, mit Einbruch der Nacht bei Peterswaldc
zu vereinigen. Lediglich den aufopfernden Anstrengungen des Prinzen war es
zu verdanken, daß diese wichtige Nichtung gegen einen übermächtigen Feind
festgehalten und die Ausgabe, der Hauptarmee den Rückzug nach Böhmen zu
sichern, gelöst wurde.

Der folgende Tag brachte neue Sorgen. Schachoffskoi, der vor Peters¬
walde blieb, war durch die Bewegungen des Feindes schon fast umgangen und


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[0178] Als der Prinz sein Corps nach Kolla abmarschiren ließ, glaubte Oster- mann, derselbe wollte auf und davon gehen und die Garden im Stich lassen, was immer seine fixe Idee blieb. Da seine Einwendungen bei dem Prinzen kein Gehör fanden, verlangte er von dem Obersten Wolzogen wenigstens die Vertretung bei dem Kaiser, „daß nicht er, sondern der Prinz den Garden die gefährliche Aufgabe stelle und also auch nur auf diesem Letzteren die ganze schwere Verantwortung lasten könne." Wolzogen ertheilte ihm lächelnd diese be¬ ruhigende Versicherung und eilte dann wieder zu dem Kaiser zurück, um diesem über den Stand der Dinge Bericht zu erstatten. Es gelang dem Prinzen Eugen sehr bald, das bereits von den Franzosen besetzte Klein-Kolla zu nehmen und durch sein demonstratives Vorgehen gegen Krilschwitz Vandamme so stutzig zu machen, daß der Angriff stockte. Diese kurze freie Zeit zu benutzen, um die Hauptmasse der russischen Truppen nach dem Gebirge in Bewegung zu setzen, war von der entscheidendsten Wichtigkeit. Aber gerade diesen Augenblick ergriff der wieder sich selbst überlassene Oster¬ mann, um durch sein Eingreifen neue Verwirrung zu veranlassen. Es war ein wahres Unglück, daß er in dem von Uermvloff gebildeten Stäbe Offiziere zu seiner Verfügung hatte. Diese und die Kosaken seiner Escorte sprengten überall herum und streuten den Samen der Unordnung aus, wo ihnen Zufall oder Unglück Gehör verschafften. Zu dem Prinzen selbst kam ein Kosaken- vffizier mit dem Befehl: „Graf Werdenberg befiehlt: dem Prinzen Norrick zu melden, daß er sich halten möge. Er solle Alles in der Arrieregarde lasse», selbst aber vorgehen." — Schon hält die Garde an verschiedenen Stellen an, anstatt zu marschiren; ja einzelne Abtheilungen fangen an Bivouacs zu be¬ ziehen und treffen Anstalten, abzukochen, während die Truppen des zweite» Corps im heftigsten Kampf dem Feinde die Spitze zu bieten versuchen. Bereits hat dieser die eingetretene Stockung bemerkt und wendet sich gegen Berggics- hübel, um den Nüssen dort den Weg zu vertreten. Endlich gelingt es, die Garden wieder in Bewegung zu setzen, doch fast ist es zu spät und mit dem Bajonnet muß man sich bei Gieshübel Bahn brechen. Auch die Colonne des Fürsten Schachoffskoi hat dort einen harten Kampf gegen den von Langen- henncrsdvrf andrängenden Feind zu bestehen, doch gelingt es endlich, sämmt¬ liche sich zurückziehende Truppen mit Ausnahme von vier Regimentern, die nach Geppersdorf abgedrängt werden, mit Einbruch der Nacht bei Peterswaldc zu vereinigen. Lediglich den aufopfernden Anstrengungen des Prinzen war es zu verdanken, daß diese wichtige Nichtung gegen einen übermächtigen Feind festgehalten und die Ausgabe, der Hauptarmee den Rückzug nach Böhmen zu sichern, gelöst wurde. Der folgende Tag brachte neue Sorgen. Schachoffskoi, der vor Peters¬ walde blieb, war durch die Bewegungen des Feindes schon fast umgangen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/178>, abgerufen am 27.09.2024.