Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.zu Füßen. Er sagte dann zu Font: "Beim Licht betrachtet, starben bei Eilau Wir kommen jetzt zu einem der seltsamsten Jntermezzos des Feldzugs von zu Füßen. Er sagte dann zu Font: „Beim Licht betrachtet, starben bei Eilau Wir kommen jetzt zu einem der seltsamsten Jntermezzos des Feldzugs von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188159"/> <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> zu Füßen. Er sagte dann zu Font: „Beim Licht betrachtet, starben bei Eilau<lb/> so viel Schuldlose, daß man nun wohl auch ein paar Schuldige laufen lassen<lb/> kann. Nicht wahr, Ihr werdet Euch bessern?" rief er dann den begnadigten<lb/> Sündern zu. — Er stand vor jedem rapportirenden Fähndrich auf. — Einst<lb/> brachte ihm der Lieutenant Poncet vom dritten Jägerregimente in der Nacht<lb/> einen wichtigen Rapport vom General Barklay de Tolly. — Er bot ihm einen<lb/> Stuhl und sagte: „Sie werden müde sein und Durst haben; trinken Sie eine<lb/> Tasse Thee, während ich lese." — Als dies geschehen war, begann Poncet<lb/> aus eigenem Antriebe eine lange militärische Auseinandersetzung, die mehr für<lb/> sein Talent, als sein Taktgefühl zeugte. — Benningsen schlief dabei ein, erwachte<lb/> dann aber plötzlich und brachte eine Menge Entschuldigungen vor. „Sie sehen,"<lb/> schloß er dann, „die Natur verlangt ihre Rechte. Wir wollen nächstens das<lb/> Gespräch fortsetzen." Auch im Dienste bei Gelegenheiten, wo er allen Anlaß<lb/> hatte, derb dreinzufahren, war er sehr milde. Bei Eilau schickte er einen seiner<lb/> Adjutanten mit einem Austrage zu einem Husarenobersten; der Offizier kam aber<lb/> schnell mit der Meldung zurück, der Oberst sei an seiner Seite gefallen. „Das<lb/> thut mir leid," erwiderte der General, „aber warum richteten Sie meinen<lb/> Auftrag nicht an den Nächsten im Commando aus?" Gleich darauf kam eine<lb/> Schwadron Kürassiere aus dem Treffen zurückgesprengt. Benningsen rief ihr<lb/> Halt zu; der Rittmeister erwiderte aber: „Hier mag der Teufel stehen." ^<lb/> „Nun, Herr Bruder," sagte Benningsen lächelnd, — „so halten Sie mich meinet¬<lb/> wegen für den Teufel! Wir wollen zusammen stehen!" Ohne ein Wort zu<lb/> erwidern sammelte der Rittmeister seine Panzerreiter und führte sie wieder<lb/> gegen den Feind.</p><lb/> <p xml:id="ID_422" next="#ID_423"> Wir kommen jetzt zu einem der seltsamsten Jntermezzos des Feldzugs von<lb/> 1806, wo ein buchstäblich verrückter Feldherr das russische Heer auf einige<lb/> Tage gegen Napoleon zu führen hatte. Kaiser Alexander hatte nämlich den<lb/> Feldmarschall Grafen Kamensky zum Oberbefehlshaber ernannt, der am<lb/> 20. September bei der Armee eintraf. Mit dem Ausruf, der Russe wolle<lb/> vorwärts, änderte er die vorsichtigen Dispositionen des General Benningsen ab,<lb/> warf die Truppen durcheinander, schickte die schwere Artillerie auf die Vor¬<lb/> posten und richtete überall die gräulichste Verwirrung an. Der Prinz war dem<lb/> neuen Oberfeldherrn durch die Kaiserin, seine Tante, dringend empfohlen worden<lb/> und hatte die Bestimmung erhalten, sich seinem Gefolge anzuschließen. Wegen<lb/> mes Fieberansalls konnte er ihn jedoch nicht mit empfangen und meldete sich<lb/> erst am ersten fieberfreien Tage bei ihm. Die Ordonnanzen wiesen den Prinzen<lb/> in ein großes, leeres Zimmer, wo er eine Weile warten mußte. Das Weitere<lb/> Wollen wir den Prinzen selbst erzählen lassen. „Endlich kam ein kleines ha¬<lb/> geres Männchen in Hemd und Nachtmütze herein, das, als es mich erblickte,<lb/> verschwand, aber sehr schnell wiederkehrte und — ohne das Costüm gewechselt</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
zu Füßen. Er sagte dann zu Font: „Beim Licht betrachtet, starben bei Eilau
so viel Schuldlose, daß man nun wohl auch ein paar Schuldige laufen lassen
kann. Nicht wahr, Ihr werdet Euch bessern?" rief er dann den begnadigten
Sündern zu. — Er stand vor jedem rapportirenden Fähndrich auf. — Einst
brachte ihm der Lieutenant Poncet vom dritten Jägerregimente in der Nacht
einen wichtigen Rapport vom General Barklay de Tolly. — Er bot ihm einen
Stuhl und sagte: „Sie werden müde sein und Durst haben; trinken Sie eine
Tasse Thee, während ich lese." — Als dies geschehen war, begann Poncet
aus eigenem Antriebe eine lange militärische Auseinandersetzung, die mehr für
sein Talent, als sein Taktgefühl zeugte. — Benningsen schlief dabei ein, erwachte
dann aber plötzlich und brachte eine Menge Entschuldigungen vor. „Sie sehen,"
schloß er dann, „die Natur verlangt ihre Rechte. Wir wollen nächstens das
Gespräch fortsetzen." Auch im Dienste bei Gelegenheiten, wo er allen Anlaß
hatte, derb dreinzufahren, war er sehr milde. Bei Eilau schickte er einen seiner
Adjutanten mit einem Austrage zu einem Husarenobersten; der Offizier kam aber
schnell mit der Meldung zurück, der Oberst sei an seiner Seite gefallen. „Das
thut mir leid," erwiderte der General, „aber warum richteten Sie meinen
Auftrag nicht an den Nächsten im Commando aus?" Gleich darauf kam eine
Schwadron Kürassiere aus dem Treffen zurückgesprengt. Benningsen rief ihr
Halt zu; der Rittmeister erwiderte aber: „Hier mag der Teufel stehen." ^
„Nun, Herr Bruder," sagte Benningsen lächelnd, — „so halten Sie mich meinet¬
wegen für den Teufel! Wir wollen zusammen stehen!" Ohne ein Wort zu
erwidern sammelte der Rittmeister seine Panzerreiter und führte sie wieder
gegen den Feind.
Wir kommen jetzt zu einem der seltsamsten Jntermezzos des Feldzugs von
1806, wo ein buchstäblich verrückter Feldherr das russische Heer auf einige
Tage gegen Napoleon zu führen hatte. Kaiser Alexander hatte nämlich den
Feldmarschall Grafen Kamensky zum Oberbefehlshaber ernannt, der am
20. September bei der Armee eintraf. Mit dem Ausruf, der Russe wolle
vorwärts, änderte er die vorsichtigen Dispositionen des General Benningsen ab,
warf die Truppen durcheinander, schickte die schwere Artillerie auf die Vor¬
posten und richtete überall die gräulichste Verwirrung an. Der Prinz war dem
neuen Oberfeldherrn durch die Kaiserin, seine Tante, dringend empfohlen worden
und hatte die Bestimmung erhalten, sich seinem Gefolge anzuschließen. Wegen
mes Fieberansalls konnte er ihn jedoch nicht mit empfangen und meldete sich
erst am ersten fieberfreien Tage bei ihm. Die Ordonnanzen wiesen den Prinzen
in ein großes, leeres Zimmer, wo er eine Weile warten mußte. Das Weitere
Wollen wir den Prinzen selbst erzählen lassen. „Endlich kam ein kleines ha¬
geres Männchen in Hemd und Nachtmütze herein, das, als es mich erblickte,
verschwand, aber sehr schnell wiederkehrte und — ohne das Costüm gewechselt
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