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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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denn Lannes ließ sich, wie Prinz Eugen behauptet, von dem Kurfürsten impo-
"iren, und befahl seinen Truppen, um Ludwigsburg herum zu marschiren, nach¬
dem er eine Einladung in das Schloß angenommen hatte. Die kurfürstliche
Ungnade entlud sich dafür aus den Feldmarschall Hügel; denn an der Spitze
von sieben Bataillonen und drei Schwadronen, welche die Heeresmacht Würtem-
bergs bildeten, stand ein Feldmarschall. Der arme Feldmarschall hatte mit. drei
Bataillonen Stuttgart besehe und mit diesen den Marschall Ney mit seinen
23.000 Mann nicht am Einrücken verhindert. Er erhielt in ungnädigen Aus¬
drücken, den Abschied, weil er den feindlichen Bajonneten nicht mit gleichbcrcd-
ter Eindringlichkeit, wie der Kurfürst, zu begegnen verstanden hatte.

Die beiden Marschälle waren nur die Vorläufer Napoleons, dessen An¬
kunft in Ludwigsburg aus den nächsten Tag angesagt war. Schon von sieben
Uhr Morgens an war der ganze Hof im Schloß versammelt und mitten un¬
ter ihnen Prinz Eugen, der ein Habit-Habillv hatte anziehen müsse", da man
es nicht angemessen fand, ihn in russischer Uniform vor dem Kaiser erscheinen
zu lassen. Eine Wache französischer Gardegrcnadicrc bezog die Posten mit
der würtembergischen Garde du Corps; zahlreiche Personen fanden sich ein
aus dem Gefolge des Kaisers, die ihn hier empfangen sollten, und ein Kammer¬
diener nahm die zur Aufnahme seines kaiserlichen Herrn bestimmten Zimmer
mit so ängstlicher Sorgfalt in Augenschein, daß ein Witzbold erklärte, der kur¬
fürstliche Hof müsse sich davon im höchsten Grade beleidigt fühlen, da es
zweifelhaft bliebe, ob der Diener Wanzen oder Meuchelmörder suche. Bis um
acht Uhr Abends hatte der Hof sammt dem Kurfürsten aus den hohen Besuch ge¬
wartet, als die Nachricht kam, er werde nicht eintreffen, woraus der Kurfürst
sich zu Bett begab, den Uebrigen aber zu bleiben befahl.

Prinz Eugen war während des Abends mit Bertrand, dem späteren Be¬
gleiter Napoleons nach Se. Helena, damals noch dessen Adjutant, ins Gespräch
gerathen. Als dieser vernahm, daß der Kaiser nicht kommen werde, bemerkte
er mit feinem Lächeln: "Glauben Sie das nicht, es ist seine Art, Freunde und
Feinde über seine Absichten im Dunkeln zu lassen. Ich habe eher heut Mor¬
gen als jetzt seine Ankunft bezweifelt." Er hatte wahr gesprochen; denn mich
kurzer Zeit verkündeten Trommelwirbel und Glockentöne den Einzug Napoleons
in Ludwigsburg.

Es war ein Glück für Würtemberg, daß sich sein Kurfürst noch nicht aus¬
gekleidet hatte. Er konnte noch zur rechten Zeit herbeieilen und stand am
Fuße der Schloßterrasse, als Napoleon aus dem Wagen stieg und sich ihm so¬
fort in die Arme warf. Bon da an war Würtemberg für Frankreich ge¬
wonnen.

Ueber den Eindruck, den Napoleon auf den jungen Prinzen machte, be¬
richtet dieser: "Im Benehmen imponirte mir Napoleon auf den ersten Blick


denn Lannes ließ sich, wie Prinz Eugen behauptet, von dem Kurfürsten impo-
"iren, und befahl seinen Truppen, um Ludwigsburg herum zu marschiren, nach¬
dem er eine Einladung in das Schloß angenommen hatte. Die kurfürstliche
Ungnade entlud sich dafür aus den Feldmarschall Hügel; denn an der Spitze
von sieben Bataillonen und drei Schwadronen, welche die Heeresmacht Würtem-
bergs bildeten, stand ein Feldmarschall. Der arme Feldmarschall hatte mit. drei
Bataillonen Stuttgart besehe und mit diesen den Marschall Ney mit seinen
23.000 Mann nicht am Einrücken verhindert. Er erhielt in ungnädigen Aus¬
drücken, den Abschied, weil er den feindlichen Bajonneten nicht mit gleichbcrcd-
ter Eindringlichkeit, wie der Kurfürst, zu begegnen verstanden hatte.

Die beiden Marschälle waren nur die Vorläufer Napoleons, dessen An¬
kunft in Ludwigsburg aus den nächsten Tag angesagt war. Schon von sieben
Uhr Morgens an war der ganze Hof im Schloß versammelt und mitten un¬
ter ihnen Prinz Eugen, der ein Habit-Habillv hatte anziehen müsse», da man
es nicht angemessen fand, ihn in russischer Uniform vor dem Kaiser erscheinen
zu lassen. Eine Wache französischer Gardegrcnadicrc bezog die Posten mit
der würtembergischen Garde du Corps; zahlreiche Personen fanden sich ein
aus dem Gefolge des Kaisers, die ihn hier empfangen sollten, und ein Kammer¬
diener nahm die zur Aufnahme seines kaiserlichen Herrn bestimmten Zimmer
mit so ängstlicher Sorgfalt in Augenschein, daß ein Witzbold erklärte, der kur¬
fürstliche Hof müsse sich davon im höchsten Grade beleidigt fühlen, da es
zweifelhaft bliebe, ob der Diener Wanzen oder Meuchelmörder suche. Bis um
acht Uhr Abends hatte der Hof sammt dem Kurfürsten aus den hohen Besuch ge¬
wartet, als die Nachricht kam, er werde nicht eintreffen, woraus der Kurfürst
sich zu Bett begab, den Uebrigen aber zu bleiben befahl.

Prinz Eugen war während des Abends mit Bertrand, dem späteren Be¬
gleiter Napoleons nach Se. Helena, damals noch dessen Adjutant, ins Gespräch
gerathen. Als dieser vernahm, daß der Kaiser nicht kommen werde, bemerkte
er mit feinem Lächeln: „Glauben Sie das nicht, es ist seine Art, Freunde und
Feinde über seine Absichten im Dunkeln zu lassen. Ich habe eher heut Mor¬
gen als jetzt seine Ankunft bezweifelt." Er hatte wahr gesprochen; denn mich
kurzer Zeit verkündeten Trommelwirbel und Glockentöne den Einzug Napoleons
in Ludwigsburg.

Es war ein Glück für Würtemberg, daß sich sein Kurfürst noch nicht aus¬
gekleidet hatte. Er konnte noch zur rechten Zeit herbeieilen und stand am
Fuße der Schloßterrasse, als Napoleon aus dem Wagen stieg und sich ihm so¬
fort in die Arme warf. Bon da an war Würtemberg für Frankreich ge¬
wonnen.

Ueber den Eindruck, den Napoleon auf den jungen Prinzen machte, be¬
richtet dieser: „Im Benehmen imponirte mir Napoleon auf den ersten Blick


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[0129] denn Lannes ließ sich, wie Prinz Eugen behauptet, von dem Kurfürsten impo- "iren, und befahl seinen Truppen, um Ludwigsburg herum zu marschiren, nach¬ dem er eine Einladung in das Schloß angenommen hatte. Die kurfürstliche Ungnade entlud sich dafür aus den Feldmarschall Hügel; denn an der Spitze von sieben Bataillonen und drei Schwadronen, welche die Heeresmacht Würtem- bergs bildeten, stand ein Feldmarschall. Der arme Feldmarschall hatte mit. drei Bataillonen Stuttgart besehe und mit diesen den Marschall Ney mit seinen 23.000 Mann nicht am Einrücken verhindert. Er erhielt in ungnädigen Aus¬ drücken, den Abschied, weil er den feindlichen Bajonneten nicht mit gleichbcrcd- ter Eindringlichkeit, wie der Kurfürst, zu begegnen verstanden hatte. Die beiden Marschälle waren nur die Vorläufer Napoleons, dessen An¬ kunft in Ludwigsburg aus den nächsten Tag angesagt war. Schon von sieben Uhr Morgens an war der ganze Hof im Schloß versammelt und mitten un¬ ter ihnen Prinz Eugen, der ein Habit-Habillv hatte anziehen müsse», da man es nicht angemessen fand, ihn in russischer Uniform vor dem Kaiser erscheinen zu lassen. Eine Wache französischer Gardegrcnadicrc bezog die Posten mit der würtembergischen Garde du Corps; zahlreiche Personen fanden sich ein aus dem Gefolge des Kaisers, die ihn hier empfangen sollten, und ein Kammer¬ diener nahm die zur Aufnahme seines kaiserlichen Herrn bestimmten Zimmer mit so ängstlicher Sorgfalt in Augenschein, daß ein Witzbold erklärte, der kur¬ fürstliche Hof müsse sich davon im höchsten Grade beleidigt fühlen, da es zweifelhaft bliebe, ob der Diener Wanzen oder Meuchelmörder suche. Bis um acht Uhr Abends hatte der Hof sammt dem Kurfürsten aus den hohen Besuch ge¬ wartet, als die Nachricht kam, er werde nicht eintreffen, woraus der Kurfürst sich zu Bett begab, den Uebrigen aber zu bleiben befahl. Prinz Eugen war während des Abends mit Bertrand, dem späteren Be¬ gleiter Napoleons nach Se. Helena, damals noch dessen Adjutant, ins Gespräch gerathen. Als dieser vernahm, daß der Kaiser nicht kommen werde, bemerkte er mit feinem Lächeln: „Glauben Sie das nicht, es ist seine Art, Freunde und Feinde über seine Absichten im Dunkeln zu lassen. Ich habe eher heut Mor¬ gen als jetzt seine Ankunft bezweifelt." Er hatte wahr gesprochen; denn mich kurzer Zeit verkündeten Trommelwirbel und Glockentöne den Einzug Napoleons in Ludwigsburg. Es war ein Glück für Würtemberg, daß sich sein Kurfürst noch nicht aus¬ gekleidet hatte. Er konnte noch zur rechten Zeit herbeieilen und stand am Fuße der Schloßterrasse, als Napoleon aus dem Wagen stieg und sich ihm so¬ fort in die Arme warf. Bon da an war Würtemberg für Frankreich ge¬ wonnen. Ueber den Eindruck, den Napoleon auf den jungen Prinzen machte, be¬ richtet dieser: „Im Benehmen imponirte mir Napoleon auf den ersten Blick

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/129>, abgerufen am 20.10.2024.