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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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mütterliche Gönnerin fühlte / auch auf deren Sohn Alexander und später auf
den Kaiser Nikolaus übertragen zu müssen glaubte.

Wir denken im Nachfolgenden der uns vorliegenden Biographie nicht
Schritt vor Schritt zu folgen, sondern nur einzelne interessante Partieen heraus¬
zuheben. wo der Herzog mit hohen historischen Persönlichkeiten in nahe Be¬
rührung kam oder selbst Gelegenheit hatte, in, die Zeitgeschichte mithan-
delnd einzugreifen. Zum Theil werden wir dazu genöthigt durch die Un-
vollstänoigkcit der von ihm gegebenen Mittheilungen, die über manche der
wichtigsten Beziehungen, in denen er mit den Ereignissen gestanden, nur leise
andeutend hinwegstreifen und seinen Antheil an der letzten Hälfte des Feldzugs
von 1813 und dem von 1814 nur flüchtig stizzirend schildern.

Der Prinz wurde aus der ländlichen Einsamkeit von Karlsruh in Schlesien, wo
er erzogen worden, plötzlich 1801 nach Petersburg an den Hof seines Onkels, des
Kaiser Paul berufen. Er glaubte als Cadett in eine Erziehungsanstalt bestimmt-
zu sein, wunderte sich aber nicht wenig, als er in Petersburg pomphaft von
Offizieren in glänzender Uniform empfangen und bald daraus in elegante
Zimmer geleitet wurde, wo Fürst Subow, der Befehlshaber des Cadettencorps,
ihn höflichst um seine Befehle frug. Das war ein Vorspiel der hohen Gunst,
die ihm Kaiser Paul während seines kurzen Aufenthalts in der Czarenstadt
zuwendete, und deren Nachwehen sich, wie schon erwähnt, ihm aus seiner spä¬
teren Laufbahn aus das Empfindlichste fühlbar machten. Vier Jahre später
stand er am Hofe eines anderen Onkels, einem anderen Kaiser, Napoleon
gegenüber. '

Der Kurfürst von Würtemberg liebte sich als großen Fürsten zu be¬
trachten, obgleich er von Negententugendcn keine und von sonstigen Eigen¬
schaften nur Schlauheit und despotische Herrschsucht besaß. Wie dann Würtem-
berg den Titel "Königreich" und fast dreifache räumliche Ausdehnung gewann,
von 660,000 aus 1,400.000 Einwohner stieg, kam zu der Großmonarchenlust
auch der Wahn, eine Art Großmacht in Deutschland zu sein. Die Begegnung
mit Napoleon, welche in ihren weiteren Folgen zu dieser für Deutschlands Ent¬
wickelung verhängnißvollen Umwandlung führte, schildert uns Prinz Eugen,
der zur Hochzeit seines Vetters, des Prinzen Paul, Sohnes des Kurfürsten,
mit der Prinzessin Charlotte von Hildburghausen eingeladen war. Die Hoch,
zeitsfeier fiel mitten in die Kriegswirren, welche der schmachvollen Kapitulation
des östreichischen Heeres bei Ulm vorangingen, und wurde gefeiert auf dem
Lustschlosse Monrevos unweit Ludwigsburg, welches auf der Marschlinie des
französischen Heeres lag. Hier fand am dritten Tage nach der Vermählung
um großer Ball statt, der gleich im Anfang durch die beunruhigendsten Nach¬
richten gestört wurde. Der Kurfürst gerieth in so lebhafte Aufregung, daß er
gar nicht Zeit fand, zur Abmachung so wichtiger Staatsangelegenheiten, über


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mütterliche Gönnerin fühlte / auch auf deren Sohn Alexander und später auf
den Kaiser Nikolaus übertragen zu müssen glaubte.

Wir denken im Nachfolgenden der uns vorliegenden Biographie nicht
Schritt vor Schritt zu folgen, sondern nur einzelne interessante Partieen heraus¬
zuheben. wo der Herzog mit hohen historischen Persönlichkeiten in nahe Be¬
rührung kam oder selbst Gelegenheit hatte, in, die Zeitgeschichte mithan-
delnd einzugreifen. Zum Theil werden wir dazu genöthigt durch die Un-
vollstänoigkcit der von ihm gegebenen Mittheilungen, die über manche der
wichtigsten Beziehungen, in denen er mit den Ereignissen gestanden, nur leise
andeutend hinwegstreifen und seinen Antheil an der letzten Hälfte des Feldzugs
von 1813 und dem von 1814 nur flüchtig stizzirend schildern.

Der Prinz wurde aus der ländlichen Einsamkeit von Karlsruh in Schlesien, wo
er erzogen worden, plötzlich 1801 nach Petersburg an den Hof seines Onkels, des
Kaiser Paul berufen. Er glaubte als Cadett in eine Erziehungsanstalt bestimmt-
zu sein, wunderte sich aber nicht wenig, als er in Petersburg pomphaft von
Offizieren in glänzender Uniform empfangen und bald daraus in elegante
Zimmer geleitet wurde, wo Fürst Subow, der Befehlshaber des Cadettencorps,
ihn höflichst um seine Befehle frug. Das war ein Vorspiel der hohen Gunst,
die ihm Kaiser Paul während seines kurzen Aufenthalts in der Czarenstadt
zuwendete, und deren Nachwehen sich, wie schon erwähnt, ihm aus seiner spä¬
teren Laufbahn aus das Empfindlichste fühlbar machten. Vier Jahre später
stand er am Hofe eines anderen Onkels, einem anderen Kaiser, Napoleon
gegenüber. '

Der Kurfürst von Würtemberg liebte sich als großen Fürsten zu be¬
trachten, obgleich er von Negententugendcn keine und von sonstigen Eigen¬
schaften nur Schlauheit und despotische Herrschsucht besaß. Wie dann Würtem-
berg den Titel „Königreich" und fast dreifache räumliche Ausdehnung gewann,
von 660,000 aus 1,400.000 Einwohner stieg, kam zu der Großmonarchenlust
auch der Wahn, eine Art Großmacht in Deutschland zu sein. Die Begegnung
mit Napoleon, welche in ihren weiteren Folgen zu dieser für Deutschlands Ent¬
wickelung verhängnißvollen Umwandlung führte, schildert uns Prinz Eugen,
der zur Hochzeit seines Vetters, des Prinzen Paul, Sohnes des Kurfürsten,
mit der Prinzessin Charlotte von Hildburghausen eingeladen war. Die Hoch,
zeitsfeier fiel mitten in die Kriegswirren, welche der schmachvollen Kapitulation
des östreichischen Heeres bei Ulm vorangingen, und wurde gefeiert auf dem
Lustschlosse Monrevos unweit Ludwigsburg, welches auf der Marschlinie des
französischen Heeres lag. Hier fand am dritten Tage nach der Vermählung
um großer Ball statt, der gleich im Anfang durch die beunruhigendsten Nach¬
richten gestört wurde. Der Kurfürst gerieth in so lebhafte Aufregung, daß er
gar nicht Zeit fand, zur Abmachung so wichtiger Staatsangelegenheiten, über


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[0127] mütterliche Gönnerin fühlte / auch auf deren Sohn Alexander und später auf den Kaiser Nikolaus übertragen zu müssen glaubte. Wir denken im Nachfolgenden der uns vorliegenden Biographie nicht Schritt vor Schritt zu folgen, sondern nur einzelne interessante Partieen heraus¬ zuheben. wo der Herzog mit hohen historischen Persönlichkeiten in nahe Be¬ rührung kam oder selbst Gelegenheit hatte, in, die Zeitgeschichte mithan- delnd einzugreifen. Zum Theil werden wir dazu genöthigt durch die Un- vollstänoigkcit der von ihm gegebenen Mittheilungen, die über manche der wichtigsten Beziehungen, in denen er mit den Ereignissen gestanden, nur leise andeutend hinwegstreifen und seinen Antheil an der letzten Hälfte des Feldzugs von 1813 und dem von 1814 nur flüchtig stizzirend schildern. Der Prinz wurde aus der ländlichen Einsamkeit von Karlsruh in Schlesien, wo er erzogen worden, plötzlich 1801 nach Petersburg an den Hof seines Onkels, des Kaiser Paul berufen. Er glaubte als Cadett in eine Erziehungsanstalt bestimmt- zu sein, wunderte sich aber nicht wenig, als er in Petersburg pomphaft von Offizieren in glänzender Uniform empfangen und bald daraus in elegante Zimmer geleitet wurde, wo Fürst Subow, der Befehlshaber des Cadettencorps, ihn höflichst um seine Befehle frug. Das war ein Vorspiel der hohen Gunst, die ihm Kaiser Paul während seines kurzen Aufenthalts in der Czarenstadt zuwendete, und deren Nachwehen sich, wie schon erwähnt, ihm aus seiner spä¬ teren Laufbahn aus das Empfindlichste fühlbar machten. Vier Jahre später stand er am Hofe eines anderen Onkels, einem anderen Kaiser, Napoleon gegenüber. ' Der Kurfürst von Würtemberg liebte sich als großen Fürsten zu be¬ trachten, obgleich er von Negententugendcn keine und von sonstigen Eigen¬ schaften nur Schlauheit und despotische Herrschsucht besaß. Wie dann Würtem- berg den Titel „Königreich" und fast dreifache räumliche Ausdehnung gewann, von 660,000 aus 1,400.000 Einwohner stieg, kam zu der Großmonarchenlust auch der Wahn, eine Art Großmacht in Deutschland zu sein. Die Begegnung mit Napoleon, welche in ihren weiteren Folgen zu dieser für Deutschlands Ent¬ wickelung verhängnißvollen Umwandlung führte, schildert uns Prinz Eugen, der zur Hochzeit seines Vetters, des Prinzen Paul, Sohnes des Kurfürsten, mit der Prinzessin Charlotte von Hildburghausen eingeladen war. Die Hoch, zeitsfeier fiel mitten in die Kriegswirren, welche der schmachvollen Kapitulation des östreichischen Heeres bei Ulm vorangingen, und wurde gefeiert auf dem Lustschlosse Monrevos unweit Ludwigsburg, welches auf der Marschlinie des französischen Heeres lag. Hier fand am dritten Tage nach der Vermählung um großer Ball statt, der gleich im Anfang durch die beunruhigendsten Nach¬ richten gestört wurde. Der Kurfürst gerieth in so lebhafte Aufregung, daß er gar nicht Zeit fand, zur Abmachung so wichtiger Staatsangelegenheiten, über 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/127>, abgerufen am 27.09.2024.