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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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lich große Anzahl prosaischer und poetischer Werke, ein Sendschreiben über
Glaubensdogmen, ein anderes über die Namen Gottes, ein Lehrgedicht über
die Redekunst, ein Buch über die arabische Musik unter dem seltsamen Titel:
"Das Schiff des Reiches und der Reichthum des Schiffes" und einen Divan
von Gedichten verfaßt, dessen Inhalt aus Alltagsgedanken besteht, die in die
seltensten und prunkvollsten Worte gekleidet sind. Folgende Probe wird hin¬
reichen, diesen Poetaster zu charakterisiren. Es sind Bruchstücke eines Lob¬
gedichts auf England, welches er im Jahre 1843 auf Anregung des britischen
Generalconsuls Murray vom Stapel ließ.


"O Gefährten, treibt eure Renthiere an, daß wir das Ziel erreichen.
Und wenn ihr glaubt, daß ich ermattet, wißt, daß ich nicht ermatte.
Gott tränke jenes Land mit reichlichem Regen!
Trifft kein Gußregen jene Fluren, so erquicke sie doch der Thau.
Und er belebe Länder, wo man kreisen läßt dem Verstände
Becher köstlichen Weins, vor denen die Sonnen sich schämen." --
"Laßt uns ziehen zum Lande, wo wir erreichen das erwünschte Ziel.
Hütet euch, dies Land mit einem andern zu vertauschen.
Kein andres Land aus Erden will mir gefallen,
Und kein andres Reich ist so gerecht in der Vollkommenheit der Macht.
Es schmücket das edle England sein Volk." --
"Und welche Königin herrscht dort!
Deren Unterthanen genießen eine gesegnete Zeit.
Sie hat den Sieg auf der Rennbahn des Ruhmes
Und den Glückspfeil im Pfcilsviel der Mächte.
Erzürnt sie, so zurück mit ihr auch die Zeit,
Ist sie befriedigt, so ist zufrieden auch die Zeit mit dem. was geschah.
Ist nicht sie es, Victoria, die Ruhmvolle,
Deren Herrschermacht sprichwörtlich geworden ist?
Alle Reiche schätzen hoch ihr Ansehen,
"Keines gibt es, daß ihr nicht gehorchte."

Werthvolleres enthält jenes "Schiff des Reiches", worin er dreihundert-
funfzig arabische Lieder von unbekannten Verfassern mittheilt. Die letzten Worte,
die er auf dem Todte'nbctte sprach, waren folgende schwülstige Verse:


"Den Brockat meines Lebens zernagten die beiden Ewig-Jungen (d. h. Tag und Nacht)
Und der Hahn des Alters untergrub das Fundament meines Baues."

Lane erzählt uns in seinem vortrefflichen Werke über die heutigen Aegypter.
daß er häusig den Levers des verehrlichen Schech beigewohnt habe und daß
dabei dessen Unterhaltung eine herrlichere Bewirthung gewesen sei, als die fein¬
sten Leckerbissen, die man hätte serviren können.


lich große Anzahl prosaischer und poetischer Werke, ein Sendschreiben über
Glaubensdogmen, ein anderes über die Namen Gottes, ein Lehrgedicht über
die Redekunst, ein Buch über die arabische Musik unter dem seltsamen Titel:
„Das Schiff des Reiches und der Reichthum des Schiffes" und einen Divan
von Gedichten verfaßt, dessen Inhalt aus Alltagsgedanken besteht, die in die
seltensten und prunkvollsten Worte gekleidet sind. Folgende Probe wird hin¬
reichen, diesen Poetaster zu charakterisiren. Es sind Bruchstücke eines Lob¬
gedichts auf England, welches er im Jahre 1843 auf Anregung des britischen
Generalconsuls Murray vom Stapel ließ.


„O Gefährten, treibt eure Renthiere an, daß wir das Ziel erreichen.
Und wenn ihr glaubt, daß ich ermattet, wißt, daß ich nicht ermatte.
Gott tränke jenes Land mit reichlichem Regen!
Trifft kein Gußregen jene Fluren, so erquicke sie doch der Thau.
Und er belebe Länder, wo man kreisen läßt dem Verstände
Becher köstlichen Weins, vor denen die Sonnen sich schämen." —
„Laßt uns ziehen zum Lande, wo wir erreichen das erwünschte Ziel.
Hütet euch, dies Land mit einem andern zu vertauschen.
Kein andres Land aus Erden will mir gefallen,
Und kein andres Reich ist so gerecht in der Vollkommenheit der Macht.
Es schmücket das edle England sein Volk." —
„Und welche Königin herrscht dort!
Deren Unterthanen genießen eine gesegnete Zeit.
Sie hat den Sieg auf der Rennbahn des Ruhmes
Und den Glückspfeil im Pfcilsviel der Mächte.
Erzürnt sie, so zurück mit ihr auch die Zeit,
Ist sie befriedigt, so ist zufrieden auch die Zeit mit dem. was geschah.
Ist nicht sie es, Victoria, die Ruhmvolle,
Deren Herrschermacht sprichwörtlich geworden ist?
Alle Reiche schätzen hoch ihr Ansehen,
„Keines gibt es, daß ihr nicht gehorchte."

Werthvolleres enthält jenes „Schiff des Reiches", worin er dreihundert-
funfzig arabische Lieder von unbekannten Verfassern mittheilt. Die letzten Worte,
die er auf dem Todte'nbctte sprach, waren folgende schwülstige Verse:


„Den Brockat meines Lebens zernagten die beiden Ewig-Jungen (d. h. Tag und Nacht)
Und der Hahn des Alters untergrub das Fundament meines Baues."

Lane erzählt uns in seinem vortrefflichen Werke über die heutigen Aegypter.
daß er häusig den Levers des verehrlichen Schech beigewohnt habe und daß
dabei dessen Unterhaltung eine herrlichere Bewirthung gewesen sei, als die fein¬
sten Leckerbissen, die man hätte serviren können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/122>, abgerufen am 20.10.2024.