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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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von Fleiß, von Beharrlichkeit und Gedächtniß dazu gehört, sich durch die ver¬
worrene Darstellung hindurchzuarbeiten, deren Faden oft Hundertsach durchrissen
Wird. Namentlich sind es die Commentare mit ihren haarscharfen Definitionen,
mit ihren ins Unendliche gehenden Spitzfindigkeiten, welche die stärkste Geduld
zu Falle dringen."

Unzertrennlich mit der Nechtsgelcchrtheit verbunden ist das Studium der
Koran-Exegese (Teffir) und der Tradition (Hadith). In diesen beiden Fächern
ist die arabische Literatur unglaublich fruchtbar gewesen, tausend und aber¬
tausend Bände sind vollgeschrieben worden mit Erklärungen und Erklärungen
von Erklärungen, andere tausend und abertausend mit den Sprüchen und
Anekdoten, welche von Mohammed überliefert sind. Von letzteren enthält allein
Bucharis Sammlung 7275, Ihr Magchs Sammlung 4000 Stücke. Das
Studium beginnt meist mit einem Auszug aus Buchari von Ihr Adi Hamzeh.
Dann liest man ein Buch über die Vortrefflichkeit der Monate Ragcb, Scha-
ban und Ramadan, endlich das Maulid ches Scherif, eine Abhandlung über die
Geburt des Propheten.

Eine Specialität der Rechtswissenschaften, welche wegen ihrer Bedeutung
für das praktische Leben viel studirt wird, ist das Erbrecht, "Ilm el Faraid",
worüber man besonders aus einem Compendium in Versen "Nahabijeh" genannt,
sich zu belehren pflegt, zu welchem natürlich wieder eine Menge von Commen¬
taren geschrieben sind.

Logik, früher ein Lieblingsstudium der Araber, wird jetzt nur "von sehr
wenigen Leuten getrieben. und zwar fast ausschließlich von Türken. Das Haupt¬
werk, welches man hierzu benutzt, ist unter dem Titel "Jsagugi" lMs"^",^)
bekannt, eine Bearbeitung der gleichnamigen Schrift des Porphyrius, welche
einen kleinen Tractat von nur fünf Blättern bildet. Außerdem gibt es noch
ein Lehrgedicht in Versen, welches "Es sullen", die Leiter heißt, und in
welchem die Logik nicht ohne Glück als die Wissenschaft gepriesen wird, die für
den Verstand das sei', was für die Sprache die Syntax ist. Ferner wird an
der Azhar-Universitcit, meist nach Werken des alten Philologen Teftazani über
die Redekunst gelesen. Dann hält jetzt der Schech Mohammed Ed Damanhuri
nach einem von ihm selbst verfaßten Tractat vielbesuchte Vorträge über Prosodie.
Endlich finden auch über die Ilm el Kiraat, d. h. über die Lehre von der
richtigen rhythmischen Recitation des Koran, sowie über die Ilm et Tegwid,
d- h. die Aussprache der arabischen Buchstaben Vorlesungen statt.

Das sind die nennenswerthesten wissenschaftlichen Fächer, über welche an
der großen Moschee in Kairo noch jetzt gelesen wird. Früher war der Lections-
katalog weit reichhaltiger. So fanden noch vor etlichen Jahren in einem der
Auditorien der Azhar-Universität Vorlage über die Makamen Hariris statt. Aber
der betreffende Professor, Schech Ahab Et Tcmtawi, erhielt einen Ruf an die


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von Fleiß, von Beharrlichkeit und Gedächtniß dazu gehört, sich durch die ver¬
worrene Darstellung hindurchzuarbeiten, deren Faden oft Hundertsach durchrissen
Wird. Namentlich sind es die Commentare mit ihren haarscharfen Definitionen,
mit ihren ins Unendliche gehenden Spitzfindigkeiten, welche die stärkste Geduld
zu Falle dringen."

Unzertrennlich mit der Nechtsgelcchrtheit verbunden ist das Studium der
Koran-Exegese (Teffir) und der Tradition (Hadith). In diesen beiden Fächern
ist die arabische Literatur unglaublich fruchtbar gewesen, tausend und aber¬
tausend Bände sind vollgeschrieben worden mit Erklärungen und Erklärungen
von Erklärungen, andere tausend und abertausend mit den Sprüchen und
Anekdoten, welche von Mohammed überliefert sind. Von letzteren enthält allein
Bucharis Sammlung 7275, Ihr Magchs Sammlung 4000 Stücke. Das
Studium beginnt meist mit einem Auszug aus Buchari von Ihr Adi Hamzeh.
Dann liest man ein Buch über die Vortrefflichkeit der Monate Ragcb, Scha-
ban und Ramadan, endlich das Maulid ches Scherif, eine Abhandlung über die
Geburt des Propheten.

Eine Specialität der Rechtswissenschaften, welche wegen ihrer Bedeutung
für das praktische Leben viel studirt wird, ist das Erbrecht, „Ilm el Faraid",
worüber man besonders aus einem Compendium in Versen „Nahabijeh" genannt,
sich zu belehren pflegt, zu welchem natürlich wieder eine Menge von Commen¬
taren geschrieben sind.

Logik, früher ein Lieblingsstudium der Araber, wird jetzt nur „von sehr
wenigen Leuten getrieben. und zwar fast ausschließlich von Türken. Das Haupt¬
werk, welches man hierzu benutzt, ist unter dem Titel „Jsagugi" lMs«^«,^)
bekannt, eine Bearbeitung der gleichnamigen Schrift des Porphyrius, welche
einen kleinen Tractat von nur fünf Blättern bildet. Außerdem gibt es noch
ein Lehrgedicht in Versen, welches „Es sullen", die Leiter heißt, und in
welchem die Logik nicht ohne Glück als die Wissenschaft gepriesen wird, die für
den Verstand das sei', was für die Sprache die Syntax ist. Ferner wird an
der Azhar-Universitcit, meist nach Werken des alten Philologen Teftazani über
die Redekunst gelesen. Dann hält jetzt der Schech Mohammed Ed Damanhuri
nach einem von ihm selbst verfaßten Tractat vielbesuchte Vorträge über Prosodie.
Endlich finden auch über die Ilm el Kiraat, d. h. über die Lehre von der
richtigen rhythmischen Recitation des Koran, sowie über die Ilm et Tegwid,
d- h. die Aussprache der arabischen Buchstaben Vorlesungen statt.

Das sind die nennenswerthesten wissenschaftlichen Fächer, über welche an
der großen Moschee in Kairo noch jetzt gelesen wird. Früher war der Lections-
katalog weit reichhaltiger. So fanden noch vor etlichen Jahren in einem der
Auditorien der Azhar-Universität Vorlage über die Makamen Hariris statt. Aber
der betreffende Professor, Schech Ahab Et Tcmtawi, erhielt einen Ruf an die


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[0119] von Fleiß, von Beharrlichkeit und Gedächtniß dazu gehört, sich durch die ver¬ worrene Darstellung hindurchzuarbeiten, deren Faden oft Hundertsach durchrissen Wird. Namentlich sind es die Commentare mit ihren haarscharfen Definitionen, mit ihren ins Unendliche gehenden Spitzfindigkeiten, welche die stärkste Geduld zu Falle dringen." Unzertrennlich mit der Nechtsgelcchrtheit verbunden ist das Studium der Koran-Exegese (Teffir) und der Tradition (Hadith). In diesen beiden Fächern ist die arabische Literatur unglaublich fruchtbar gewesen, tausend und aber¬ tausend Bände sind vollgeschrieben worden mit Erklärungen und Erklärungen von Erklärungen, andere tausend und abertausend mit den Sprüchen und Anekdoten, welche von Mohammed überliefert sind. Von letzteren enthält allein Bucharis Sammlung 7275, Ihr Magchs Sammlung 4000 Stücke. Das Studium beginnt meist mit einem Auszug aus Buchari von Ihr Adi Hamzeh. Dann liest man ein Buch über die Vortrefflichkeit der Monate Ragcb, Scha- ban und Ramadan, endlich das Maulid ches Scherif, eine Abhandlung über die Geburt des Propheten. Eine Specialität der Rechtswissenschaften, welche wegen ihrer Bedeutung für das praktische Leben viel studirt wird, ist das Erbrecht, „Ilm el Faraid", worüber man besonders aus einem Compendium in Versen „Nahabijeh" genannt, sich zu belehren pflegt, zu welchem natürlich wieder eine Menge von Commen¬ taren geschrieben sind. Logik, früher ein Lieblingsstudium der Araber, wird jetzt nur „von sehr wenigen Leuten getrieben. und zwar fast ausschließlich von Türken. Das Haupt¬ werk, welches man hierzu benutzt, ist unter dem Titel „Jsagugi" lMs«^«,^) bekannt, eine Bearbeitung der gleichnamigen Schrift des Porphyrius, welche einen kleinen Tractat von nur fünf Blättern bildet. Außerdem gibt es noch ein Lehrgedicht in Versen, welches „Es sullen", die Leiter heißt, und in welchem die Logik nicht ohne Glück als die Wissenschaft gepriesen wird, die für den Verstand das sei', was für die Sprache die Syntax ist. Ferner wird an der Azhar-Universitcit, meist nach Werken des alten Philologen Teftazani über die Redekunst gelesen. Dann hält jetzt der Schech Mohammed Ed Damanhuri nach einem von ihm selbst verfaßten Tractat vielbesuchte Vorträge über Prosodie. Endlich finden auch über die Ilm el Kiraat, d. h. über die Lehre von der richtigen rhythmischen Recitation des Koran, sowie über die Ilm et Tegwid, d- h. die Aussprache der arabischen Buchstaben Vorlesungen statt. Das sind die nennenswerthesten wissenschaftlichen Fächer, über welche an der großen Moschee in Kairo noch jetzt gelesen wird. Früher war der Lections- katalog weit reichhaltiger. So fanden noch vor etlichen Jahren in einem der Auditorien der Azhar-Universität Vorlage über die Makamen Hariris statt. Aber der betreffende Professor, Schech Ahab Et Tcmtawi, erhielt einen Ruf an die 15*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/119>, abgerufen am 27.09.2024.