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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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durch den Marschall Niet die Rede war. Sollten die Franzosen bis zum Mai
noch nicht im Besitz der Hauptstadt sein und Aussichten auf baldigen Friedens¬
schluß haben, so würden durch die dann beginnende und bis zum September
dauernde Regenzeit wieder alle größeren militärischen Unternehmungen unmög¬
lich gemacht, und ein Ende des Krieges in weite Ferne gerückt werden.

Die jetzige Expedition ist übrigens nicht das erste kriegerische Auftreten der
Franzosen in Mexico. Aehnliche Gründe wie die angeblichen des jetzigen Krieges
hatten sie im Jahre 1838 zu einem militärischen Einschreiten veranlaßt. Ein
französisches Geschwader, bei welchem sich auch Prinz Joinville befand, war
unter dem Commando des Admirals Baudin vor Veracruz erschienen und hatte
das für uneinnehmbar gehaltene Fort San Juan de Ulua durch ein vierstün¬
diges heftiges Bombardement zur Capitulation gebracht. Diese war aber von
der mexicanischen Regierung nicht anerkannt worden, und Santa Anna war
mit Verstärkungen nach Veracruz gezogen. Baudin machte einen Angriff aus
die Stadt, mußte sich aber wieder nach dem Fort zurückziehen. Es kam bald
darauf unter englischer Vermittlung ein Friede zu Stande, in Folge dessen die
Franzosen zwar eine Geldentschädigung erhielten, sonst aber nichts erreichten,
da der Handelsvertrag, welcher geschlossen werden sollte, niemals zu Stande
gekommen ist.

Auch das Unternehmen des Grafen Karl von Pindray (1851) und die
wiederholten Flibustierzüge des romanhaften, abenteuerlichen Gaston de Raousset-
Boulbon (18S2 bis 1854) nach Svnora waren von den Franzosen unterstützt
worden, und der französische Gesandte in Mexico war bei diesen mißglückter
Versuchen sehr betheiligt.

Bei dem gegenwärtigen Unternehmen Napoleons gegen Mexico scheint ihm
hauptsächlich der erfolgreiche Feldzug der Nordamerikaner unter General Scott
im Jahre 1847 vor Augen geschwebt zu haben, an welchen wir hier noch kurz
erinnern wollen, da er Gelegenheit zu interessanten Vergleichen mit der jetzt'
gen französischen Expedition gibt.

Während damals drei verschiedene Heere im Norden, von Texas und Neu¬
mexico her gegen die mexicanische Republik vorgingen und von drei Flotten¬
abtheilungen unterstützt wurden, landete der Oberfeldherr Scott am 9. März
1847 bei Veracruz, um von hier aus auf dem kürzesten Wege gegen die
Hauptstadt selbst vorzurücken. Seine Landung und sein Marsch durch die un¬
gesunden Küstengegenden wurden ihm nicht so leicht, wie es den Franzosen
im Anfange des vorigen Jahres durch den Vertrag von Soledad gemacht war.
Am 8. und 9. März gelang es den Nordamerikanern in einiger Entfernung
von Veracruz ungehindert von den Mexicanern, welche durch das Manöver
der amerikanischen Schiffe getäuscht wurden, zu landen. Nach einem dreitägigen
verheerenden Bombardement nahm Scott am 29. März Besitz von Veracruz


durch den Marschall Niet die Rede war. Sollten die Franzosen bis zum Mai
noch nicht im Besitz der Hauptstadt sein und Aussichten auf baldigen Friedens¬
schluß haben, so würden durch die dann beginnende und bis zum September
dauernde Regenzeit wieder alle größeren militärischen Unternehmungen unmög¬
lich gemacht, und ein Ende des Krieges in weite Ferne gerückt werden.

Die jetzige Expedition ist übrigens nicht das erste kriegerische Auftreten der
Franzosen in Mexico. Aehnliche Gründe wie die angeblichen des jetzigen Krieges
hatten sie im Jahre 1838 zu einem militärischen Einschreiten veranlaßt. Ein
französisches Geschwader, bei welchem sich auch Prinz Joinville befand, war
unter dem Commando des Admirals Baudin vor Veracruz erschienen und hatte
das für uneinnehmbar gehaltene Fort San Juan de Ulua durch ein vierstün¬
diges heftiges Bombardement zur Capitulation gebracht. Diese war aber von
der mexicanischen Regierung nicht anerkannt worden, und Santa Anna war
mit Verstärkungen nach Veracruz gezogen. Baudin machte einen Angriff aus
die Stadt, mußte sich aber wieder nach dem Fort zurückziehen. Es kam bald
darauf unter englischer Vermittlung ein Friede zu Stande, in Folge dessen die
Franzosen zwar eine Geldentschädigung erhielten, sonst aber nichts erreichten,
da der Handelsvertrag, welcher geschlossen werden sollte, niemals zu Stande
gekommen ist.

Auch das Unternehmen des Grafen Karl von Pindray (1851) und die
wiederholten Flibustierzüge des romanhaften, abenteuerlichen Gaston de Raousset-
Boulbon (18S2 bis 1854) nach Svnora waren von den Franzosen unterstützt
worden, und der französische Gesandte in Mexico war bei diesen mißglückter
Versuchen sehr betheiligt.

Bei dem gegenwärtigen Unternehmen Napoleons gegen Mexico scheint ihm
hauptsächlich der erfolgreiche Feldzug der Nordamerikaner unter General Scott
im Jahre 1847 vor Augen geschwebt zu haben, an welchen wir hier noch kurz
erinnern wollen, da er Gelegenheit zu interessanten Vergleichen mit der jetzt'
gen französischen Expedition gibt.

Während damals drei verschiedene Heere im Norden, von Texas und Neu¬
mexico her gegen die mexicanische Republik vorgingen und von drei Flotten¬
abtheilungen unterstützt wurden, landete der Oberfeldherr Scott am 9. März
1847 bei Veracruz, um von hier aus auf dem kürzesten Wege gegen die
Hauptstadt selbst vorzurücken. Seine Landung und sein Marsch durch die un¬
gesunden Küstengegenden wurden ihm nicht so leicht, wie es den Franzosen
im Anfange des vorigen Jahres durch den Vertrag von Soledad gemacht war.
Am 8. und 9. März gelang es den Nordamerikanern in einiger Entfernung
von Veracruz ungehindert von den Mexicanern, welche durch das Manöver
der amerikanischen Schiffe getäuscht wurden, zu landen. Nach einem dreitägigen
verheerenden Bombardement nahm Scott am 29. März Besitz von Veracruz


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[0112] durch den Marschall Niet die Rede war. Sollten die Franzosen bis zum Mai noch nicht im Besitz der Hauptstadt sein und Aussichten auf baldigen Friedens¬ schluß haben, so würden durch die dann beginnende und bis zum September dauernde Regenzeit wieder alle größeren militärischen Unternehmungen unmög¬ lich gemacht, und ein Ende des Krieges in weite Ferne gerückt werden. Die jetzige Expedition ist übrigens nicht das erste kriegerische Auftreten der Franzosen in Mexico. Aehnliche Gründe wie die angeblichen des jetzigen Krieges hatten sie im Jahre 1838 zu einem militärischen Einschreiten veranlaßt. Ein französisches Geschwader, bei welchem sich auch Prinz Joinville befand, war unter dem Commando des Admirals Baudin vor Veracruz erschienen und hatte das für uneinnehmbar gehaltene Fort San Juan de Ulua durch ein vierstün¬ diges heftiges Bombardement zur Capitulation gebracht. Diese war aber von der mexicanischen Regierung nicht anerkannt worden, und Santa Anna war mit Verstärkungen nach Veracruz gezogen. Baudin machte einen Angriff aus die Stadt, mußte sich aber wieder nach dem Fort zurückziehen. Es kam bald darauf unter englischer Vermittlung ein Friede zu Stande, in Folge dessen die Franzosen zwar eine Geldentschädigung erhielten, sonst aber nichts erreichten, da der Handelsvertrag, welcher geschlossen werden sollte, niemals zu Stande gekommen ist. Auch das Unternehmen des Grafen Karl von Pindray (1851) und die wiederholten Flibustierzüge des romanhaften, abenteuerlichen Gaston de Raousset- Boulbon (18S2 bis 1854) nach Svnora waren von den Franzosen unterstützt worden, und der französische Gesandte in Mexico war bei diesen mißglückter Versuchen sehr betheiligt. Bei dem gegenwärtigen Unternehmen Napoleons gegen Mexico scheint ihm hauptsächlich der erfolgreiche Feldzug der Nordamerikaner unter General Scott im Jahre 1847 vor Augen geschwebt zu haben, an welchen wir hier noch kurz erinnern wollen, da er Gelegenheit zu interessanten Vergleichen mit der jetzt' gen französischen Expedition gibt. Während damals drei verschiedene Heere im Norden, von Texas und Neu¬ mexico her gegen die mexicanische Republik vorgingen und von drei Flotten¬ abtheilungen unterstützt wurden, landete der Oberfeldherr Scott am 9. März 1847 bei Veracruz, um von hier aus auf dem kürzesten Wege gegen die Hauptstadt selbst vorzurücken. Seine Landung und sein Marsch durch die un¬ gesunden Küstengegenden wurden ihm nicht so leicht, wie es den Franzosen im Anfange des vorigen Jahres durch den Vertrag von Soledad gemacht war. Am 8. und 9. März gelang es den Nordamerikanern in einiger Entfernung von Veracruz ungehindert von den Mexicanern, welche durch das Manöver der amerikanischen Schiffe getäuscht wurden, zu landen. Nach einem dreitägigen verheerenden Bombardement nahm Scott am 29. März Besitz von Veracruz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/112>, abgerufen am 27.09.2024.