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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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land zu verkaufen." Er wolle dem Lande keine Regierung octroyiren, sondern
im Gegentheil das mexicanische Volk frei machen und es in den Stand setzen,
sich selbst eine Regierung zu wählen. Alle Gutgesinnten, welche dieses wünsch¬
ten, sollten sich mit der französischen Fahne verbinden, welche stets die Sache
der Völker und der Civilisation vertrete.

Doch scheinen diese schönen Worte wenig Erfolg gehabt zu haben, ebenso
wie sich die großen Erwartungen nicht verwirklichten, welche sich an die Sen¬
dung des starken Hilfscorps unter dem Heiden des Krimfeldzugs und des
italienischen Krieges knüpften. Dieses Corps unter dem Divisionsgeneral
Forey bestand aus zwei Divisionen Infanterie unter den Generalen Bazaine und
de Lorencez, deren jede vier Regimenter, drei Bataillone und einige Batterien
enthielt, aus einer Cavalleriebrigade unter General de Mirandvl, einem star¬
ken Artillerie- und Genicpark und zahlreichen Verwaltungstruppen, so daß das
ganze Expeditionskorps eine Stärke von etwa 40,000 Mann erreichte. Die
Ankunft Forcys fiel zudem mit dem Ende der Regenzeit zusammen, und man
erwartete ganz allgemein und sicher, daß nun die Franzosen sofort wieder die
Offensive ergreifen und alsbald Puebla erobern würden, und daß Forey binnen Kur¬
zem durch die Einnahme der Hauptstadt Mexico sich den durch den Tod Kastellanes
erledigten Marschallsstab verdienen werde. Auch der Kaiser Napoleon war des
Erfolges so sicher, daß er dem General Forey schon Anweisungen ertheilte,
wie er sich bei der Neugestaltung des mexikanischen Staates zu verhalten habe,
gerade als ob Mexico schon erobert sei. Allein Paris wartet nun schon wieder
ein halbes Jahr vergebens ans den Siegesdvnner der Kanonen der Invaliden
und ist einstweilen durch die feierliche Ueberbringung von zwei eroberten mexi¬
kanischen Fahnen und drei kleineren Feldzeichen aus dem Tuilerienpalaste in
das Jnvalidenhotel vertröstet worden.

Es ist wohl jetzt klar, daß die französische Negierung durch die Vorspiege¬
lungen von Emigranten und Schwindlern wie Almvnte u. f. w. sich bitter hat
täuschen lassen, daß sie die Schwierigkeiten, welche die Natur des Landes
einem Angriffe zumal aus so weiter Ferne entgegensetzt, nicht gehörig gewür¬
digt, die Widerstandsfähigkeit des Gegners weit unterschätzt und sich viel zu
großen Hoffnungen von dem freudigen Entgegenkommen und der Unterstützung
der Partei der "Neaccionarios" gemacht hat. Die Franzosen gestehn dies zum
großen Theile sogar selbst ein. Die Berichte Foreys aus Mexico lauteten sehr
traurig und wenig Hoffnung bringend. Die Eroberung der Hafenstadt Guya-
nas und der Marsch auf Hermosilla in Sonora (Beides noch unsicher. D. Red.),
die Einnahme Tcnnpicos (Wieder geräumt. D. Red.), die Besetzung von Jalcipa
u. s. w. -- alle diese Erfolge scheinen nur gemeldet zu werden, um die Auf¬
merksamkeit davon abzulenken, daß das französische Corps seit Foreys Ankunft
auf seiner eigentlichen Operativnslinie fast keine Fortschritte gemacht hat,


land zu verkaufen." Er wolle dem Lande keine Regierung octroyiren, sondern
im Gegentheil das mexicanische Volk frei machen und es in den Stand setzen,
sich selbst eine Regierung zu wählen. Alle Gutgesinnten, welche dieses wünsch¬
ten, sollten sich mit der französischen Fahne verbinden, welche stets die Sache
der Völker und der Civilisation vertrete.

Doch scheinen diese schönen Worte wenig Erfolg gehabt zu haben, ebenso
wie sich die großen Erwartungen nicht verwirklichten, welche sich an die Sen¬
dung des starken Hilfscorps unter dem Heiden des Krimfeldzugs und des
italienischen Krieges knüpften. Dieses Corps unter dem Divisionsgeneral
Forey bestand aus zwei Divisionen Infanterie unter den Generalen Bazaine und
de Lorencez, deren jede vier Regimenter, drei Bataillone und einige Batterien
enthielt, aus einer Cavalleriebrigade unter General de Mirandvl, einem star¬
ken Artillerie- und Genicpark und zahlreichen Verwaltungstruppen, so daß das
ganze Expeditionskorps eine Stärke von etwa 40,000 Mann erreichte. Die
Ankunft Forcys fiel zudem mit dem Ende der Regenzeit zusammen, und man
erwartete ganz allgemein und sicher, daß nun die Franzosen sofort wieder die
Offensive ergreifen und alsbald Puebla erobern würden, und daß Forey binnen Kur¬
zem durch die Einnahme der Hauptstadt Mexico sich den durch den Tod Kastellanes
erledigten Marschallsstab verdienen werde. Auch der Kaiser Napoleon war des
Erfolges so sicher, daß er dem General Forey schon Anweisungen ertheilte,
wie er sich bei der Neugestaltung des mexikanischen Staates zu verhalten habe,
gerade als ob Mexico schon erobert sei. Allein Paris wartet nun schon wieder
ein halbes Jahr vergebens ans den Siegesdvnner der Kanonen der Invaliden
und ist einstweilen durch die feierliche Ueberbringung von zwei eroberten mexi¬
kanischen Fahnen und drei kleineren Feldzeichen aus dem Tuilerienpalaste in
das Jnvalidenhotel vertröstet worden.

Es ist wohl jetzt klar, daß die französische Negierung durch die Vorspiege¬
lungen von Emigranten und Schwindlern wie Almvnte u. f. w. sich bitter hat
täuschen lassen, daß sie die Schwierigkeiten, welche die Natur des Landes
einem Angriffe zumal aus so weiter Ferne entgegensetzt, nicht gehörig gewür¬
digt, die Widerstandsfähigkeit des Gegners weit unterschätzt und sich viel zu
großen Hoffnungen von dem freudigen Entgegenkommen und der Unterstützung
der Partei der „Neaccionarios" gemacht hat. Die Franzosen gestehn dies zum
großen Theile sogar selbst ein. Die Berichte Foreys aus Mexico lauteten sehr
traurig und wenig Hoffnung bringend. Die Eroberung der Hafenstadt Guya-
nas und der Marsch auf Hermosilla in Sonora (Beides noch unsicher. D. Red.),
die Einnahme Tcnnpicos (Wieder geräumt. D. Red.), die Besetzung von Jalcipa
u. s. w. — alle diese Erfolge scheinen nur gemeldet zu werden, um die Auf¬
merksamkeit davon abzulenken, daß das französische Corps seit Foreys Ankunft
auf seiner eigentlichen Operativnslinie fast keine Fortschritte gemacht hat,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/110>, abgerufen am 20.10.2024.