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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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nationale Partei zu sein, d. h. im Sinn der Bedürfnisse und Wünsche der
Nation aufzutreten, genügt es, einen Blick auf die Erfolge ihrer Organisation
zu werfen. Sie sind weit hinter dem zurückgeblieben, was man noch nach der
frankfurter Versammlung zu erwarten berechtigt war.

Vorerst ist die großdeutsche Association ohne irgend eine Spur in Oestreich
geblieben. Auch nicht ein Versuch, für den orthodoxen großdeutschcn Gedanken
Propaganda zu machen, scheint angestellt worden zu sein. Es war ganz gut,
baß nun zur Abwechslung auch einmal die Großdeutschen die Erfahrung mach¬
ten, welche Unterstützung die deutsche Rcformangelegcnheit von Seite Oestreichs
zu erwarten hat. Hielten sich die Deutschöstreicher von den bundesstaatlichen
Plänen fern -- nun gut, so lag der Einwand nahe, daß sie sich nicht an Be¬
strebungen betheiligen werden, welche auf ihre "Ausschließung" gerichtet sind, jetzt
liegt die Sache anders. Man wird jetzt zugeben müssen, daß es in Oestreich
Zwar nicht an Lust und Liebe fehlt, die deutsche Reformbewegung zu hindern,
sie mit allerlei Zwischcnzügen zu durchkreuzen, daß aber eine Bewegung auf
Reform der Bundesverfassung, welche Ziele sie immer verfolgen mag, von dort
auf keine Betheiligung zu rechnen hat. Das factische Verhältniß Deutschlands
zu Oestreich hat dadurch eine neue Illustration erhalten, deren Wirkung wohl
nicht verloren sein wird.

So war denn das Großdeutschthum für seine Agitation gegen Klein-
Deutschland auf eben dieses Kleindeutschland beschränkt. Aber auch hier sind
mit Ausnahme eines Landes nach viermonatlicher Anstrengungen die Erfolge
dürftig genug. Sie bestanden darin, daß sich in einigen Residenzen wie Han¬
nover und Darmstadt, in einigen Bischofssitzen, wie Münster und Freiburg,
hohe Staatsbeamte, Adlige, Ultramontanc zu "Ncfvrmvereinen" verbanden,
deren leitende Größen hinreichendes Zeugniß ablegen für das, was hier unter
dem Namen Reform betrieben wird. Von einem volkstümlichen Interesse, das
diese Bestrebungen erweckt hätten, keine Spur. Selbst in Schwaben, auf des-
"einstimmig" großdcutsche Sympathien man ohne Zweifel besonders rend-
'"le, hatte die frankfurter Versammlung nicht die mindeste Folge gehabt. Der
"berschwäbische Verein mit katholischer Tendenz hatte sich schon früher gebildet
und erhielt von keiner Seite Zuwachs.

Nur in Bayern nahmen die grvßdeutschen Vereine einen populären Cha-
^leer an. Hier allein bestand eine zugleich liberale und großdeutsche Partei,
d'e in dem bayrischen Stammcsbewußtscin wurzelte. An sie schlössen sich dann
^le rückläufigen und ultramontanen Elemente an. Allein auch in Bayern ist
">ehe alles Gold, was glänzt; die Thatsachen sind, einigermaßen zu unterscheiden
bon dem idealen Gewände, in welchem sie in den dortigen Blättern aufzutreten
Pflegen. Zwar bildeten sich an zahlreichen Orten zahlreiche Vereine, und es ist
"icht zu bezweifeln, daß sie meist in großer Blüthe sich befinden werden. Allein


nationale Partei zu sein, d. h. im Sinn der Bedürfnisse und Wünsche der
Nation aufzutreten, genügt es, einen Blick auf die Erfolge ihrer Organisation
zu werfen. Sie sind weit hinter dem zurückgeblieben, was man noch nach der
frankfurter Versammlung zu erwarten berechtigt war.

Vorerst ist die großdeutsche Association ohne irgend eine Spur in Oestreich
geblieben. Auch nicht ein Versuch, für den orthodoxen großdeutschcn Gedanken
Propaganda zu machen, scheint angestellt worden zu sein. Es war ganz gut,
baß nun zur Abwechslung auch einmal die Großdeutschen die Erfahrung mach¬
ten, welche Unterstützung die deutsche Rcformangelegcnheit von Seite Oestreichs
zu erwarten hat. Hielten sich die Deutschöstreicher von den bundesstaatlichen
Plänen fern — nun gut, so lag der Einwand nahe, daß sie sich nicht an Be¬
strebungen betheiligen werden, welche auf ihre „Ausschließung" gerichtet sind, jetzt
liegt die Sache anders. Man wird jetzt zugeben müssen, daß es in Oestreich
Zwar nicht an Lust und Liebe fehlt, die deutsche Reformbewegung zu hindern,
sie mit allerlei Zwischcnzügen zu durchkreuzen, daß aber eine Bewegung auf
Reform der Bundesverfassung, welche Ziele sie immer verfolgen mag, von dort
auf keine Betheiligung zu rechnen hat. Das factische Verhältniß Deutschlands
zu Oestreich hat dadurch eine neue Illustration erhalten, deren Wirkung wohl
nicht verloren sein wird.

So war denn das Großdeutschthum für seine Agitation gegen Klein-
Deutschland auf eben dieses Kleindeutschland beschränkt. Aber auch hier sind
mit Ausnahme eines Landes nach viermonatlicher Anstrengungen die Erfolge
dürftig genug. Sie bestanden darin, daß sich in einigen Residenzen wie Han¬
nover und Darmstadt, in einigen Bischofssitzen, wie Münster und Freiburg,
hohe Staatsbeamte, Adlige, Ultramontanc zu „Ncfvrmvereinen" verbanden,
deren leitende Größen hinreichendes Zeugniß ablegen für das, was hier unter
dem Namen Reform betrieben wird. Von einem volkstümlichen Interesse, das
diese Bestrebungen erweckt hätten, keine Spur. Selbst in Schwaben, auf des-
„einstimmig" großdcutsche Sympathien man ohne Zweifel besonders rend-
'"le, hatte die frankfurter Versammlung nicht die mindeste Folge gehabt. Der
"berschwäbische Verein mit katholischer Tendenz hatte sich schon früher gebildet
und erhielt von keiner Seite Zuwachs.

Nur in Bayern nahmen die grvßdeutschen Vereine einen populären Cha-
^leer an. Hier allein bestand eine zugleich liberale und großdeutsche Partei,
d'e in dem bayrischen Stammcsbewußtscin wurzelte. An sie schlössen sich dann
^le rückläufigen und ultramontanen Elemente an. Allein auch in Bayern ist
">ehe alles Gold, was glänzt; die Thatsachen sind, einigermaßen zu unterscheiden
bon dem idealen Gewände, in welchem sie in den dortigen Blättern aufzutreten
Pflegen. Zwar bildeten sich an zahlreichen Orten zahlreiche Vereine, und es ist
"icht zu bezweifeln, daß sie meist in großer Blüthe sich befinden werden. Allein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/11>, abgerufen am 27.09.2024.