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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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liegt aus der Hand, wie eine solche gerade jetzt für die bayerischen Wahlen
Kor Bedeutung sein müßte. Ebenso sollen Gauversammlungcn in solchen
Landestheilen, welche bisher weniger von der nationalen Sache erfaßt wurden,
gehalten werden -- lauter Projecte, die, wie es scheint, noch geraume Zeit
zur Ausführung bedürfen. Nur die Schwäche der Gegner ist es, die solche
Versäumnisse zur Zeit gefahrlos macht.

Als eine Frcudcnfeier, als ein Fest ungetrübter Erhebung wird der
28. März nirgends begangen worden sein. Die Aussichten, die Reichsverfas-
sung auf friedlichem Weg ins Leben geführt zu sehen, sind so schwach als je.
Allein wie schwach oder stark die Hoffnungen waren, welche dieser Gedächtni߬
tag im deutschen Volk erweckte, der eine Gedanke mußte sich unwiderstehlich
aufdrängen, daß die Reichsverfassung vielleicht der letzte Versuch ist, die Einzel¬
staaten zu retten und die Neugestaltung Deutschlands an die bestehenden Ver¬
hältnisse anzuknüpfen. Es mag sein, daß die Reichsverfassung niemals ins
Leben tritt, aber dann wird es nicht zum Heile derer sein, welche sich
ihrer Durchführung entgegenstemmen. Es war, wenn wir nicht irren, in
den dreißiger Jahren, daß Welcker in der badischen Kammer den Antrag
auf eine Delegirtcnvcrsammlung am Bund stellte, ähnlich wie sie heute der
Gedanke der großdcutschen Vereine ist. Damals hätte ihr die Begeisterung
des deutschen Volks cntgegengcjauchzt. Als das Project in Tagen wieder
auftauchte, die seiner Verwirklichung günstiger schienen, die aber eine rei¬
chere Erfahrung und eine weit entwickeltere politische Bildung vorfanden, ant¬
wortete ihm das Hohnlachen der Nation. Müßte es nicht schließlich der Reichs¬
verfassung ähnlich ergehen, wenn sie an dem Widerstand derer scheiterte deren
, Erhaltung eben durch sie verbürgt ist?




Die Franzosen in Mexico.

Im vertrage von London vom 31. October 1861 hatten sich England,
Fran^es und Spanien zu einer gemeinschaftlichen Intervention in Mexico
a^migt, um ihre dort lebenden Unterthanen gegen die mannigfaltigsten
Gewaltthaten zu schützen und die mexicanische Negierung zur Erfüllung der von
^)r eingegangenen Verpflichtungen zu zwingen. Schon am 8. December traf
ein spanisches Geschwader vor Veracruz ein und besetzte am 17. diese Stadt


Grenzboten II, 1L63. 13

liegt aus der Hand, wie eine solche gerade jetzt für die bayerischen Wahlen
Kor Bedeutung sein müßte. Ebenso sollen Gauversammlungcn in solchen
Landestheilen, welche bisher weniger von der nationalen Sache erfaßt wurden,
gehalten werden — lauter Projecte, die, wie es scheint, noch geraume Zeit
zur Ausführung bedürfen. Nur die Schwäche der Gegner ist es, die solche
Versäumnisse zur Zeit gefahrlos macht.

Als eine Frcudcnfeier, als ein Fest ungetrübter Erhebung wird der
28. März nirgends begangen worden sein. Die Aussichten, die Reichsverfas-
sung auf friedlichem Weg ins Leben geführt zu sehen, sind so schwach als je.
Allein wie schwach oder stark die Hoffnungen waren, welche dieser Gedächtni߬
tag im deutschen Volk erweckte, der eine Gedanke mußte sich unwiderstehlich
aufdrängen, daß die Reichsverfassung vielleicht der letzte Versuch ist, die Einzel¬
staaten zu retten und die Neugestaltung Deutschlands an die bestehenden Ver¬
hältnisse anzuknüpfen. Es mag sein, daß die Reichsverfassung niemals ins
Leben tritt, aber dann wird es nicht zum Heile derer sein, welche sich
ihrer Durchführung entgegenstemmen. Es war, wenn wir nicht irren, in
den dreißiger Jahren, daß Welcker in der badischen Kammer den Antrag
auf eine Delegirtcnvcrsammlung am Bund stellte, ähnlich wie sie heute der
Gedanke der großdcutschen Vereine ist. Damals hätte ihr die Begeisterung
des deutschen Volks cntgegengcjauchzt. Als das Project in Tagen wieder
auftauchte, die seiner Verwirklichung günstiger schienen, die aber eine rei¬
chere Erfahrung und eine weit entwickeltere politische Bildung vorfanden, ant¬
wortete ihm das Hohnlachen der Nation. Müßte es nicht schließlich der Reichs¬
verfassung ähnlich ergehen, wenn sie an dem Widerstand derer scheiterte deren
, Erhaltung eben durch sie verbürgt ist?




Die Franzosen in Mexico.

Im vertrage von London vom 31. October 1861 hatten sich England,
Fran^es und Spanien zu einer gemeinschaftlichen Intervention in Mexico
a^migt, um ihre dort lebenden Unterthanen gegen die mannigfaltigsten
Gewaltthaten zu schützen und die mexicanische Negierung zur Erfüllung der von
^)r eingegangenen Verpflichtungen zu zwingen. Schon am 8. December traf
ein spanisches Geschwader vor Veracruz ein und besetzte am 17. diese Stadt


Grenzboten II, 1L63. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/101>, abgerufen am 27.09.2024.