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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Die Preußen und der Nntimialverein.

Drohend hängen in den ersten Tagen des neuen Jahres die Wetterwolken
an dem politischen Himmel Deutschlands. Es ist kaum ein Zweifel mehr, daß die
Delegirtensrage zu größern Conflicten zwischen Preußen und dem östreichischen
Bunde führen wird, als jene waren, welche mit dem Tage von Olmütz endig¬
ten. Was von den Plänen der Majorität zu Frankfurt und von den Ent¬
schlüssen des Ministeriums Bismarck in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, läßt
erkennen, daß beide Theile entschlossen sind, Ernst zu machen. Auch an den
auswärtigen Höfen, welche in dem letzten Jahre den Ereignissen in Berlin und
seit längerer Zeit den Sitzungen der Bundesversammlung keine hochachtungs¬
volle Aufmerksamkeit angedeihen ließen, beginnt man, wie es scheint, die Gefahr
zu würdigen, welche aus dem Innern Deutschlands gegen den Frieden Europas
heraufsteigt.

Vielleicht genießt keiner der beiden feindlichen Gegensätze den Vorzug eines
sicheren Entschlusses und einer überlegenen Kraft. Alter Groll hat sich bei
beiden zu politischer Feindseligkeit verhärtet. Aber die Würzburger haben zwei
Jahrelang heimlich Preußens junge Kraft gefürchtet, sie wollen die gegenwär¬
tige Schwäche des Staates benutzen, sich dafür schadlos zu halten; und Oest¬
reich sucht den Tag, wo es seinen alten Rival gründlich demüthigen kann.
Schon deshalb sind die Angreifenden im Vortheil, wenigstens sind ihnen die
nächsten Zielpunkte und ihre Mittel klar.

Die Hoffnung aber ist irrig, daß der Widerspruch Preußens und
Badens einen Majoritätsbeschluß der Bundesversammlung in der Delegirten¬
srage hindern werde. Im Gegentheil ist der ganze Angriff ein wohl¬
erwogener Plan, darauf berechnet, Preußen zu den falschen Schritten zu ver¬
leiten , welche die Person des unternehmenden Ministerpräsidenten für die
Gegner sehr wahrscheinlich macht. Mit unverhohlener Freude muß der Bericht¬
erstatter der Bundesversammlung sehen, wie .sich das preußische Gouvernement
in dem ausgespannten Netz verwickelt.

Denn, um früher Gesagtes zu wiederholen, nach Allem, was durch die Fe¬
dern der preußischen Regierung für die Oeffentlichkeit geschrieben worden ist,
und nach der Stimmung in dem regierenden Kreise Berlins ist es zweifellos,


Grenzboten I. >863. 1
Die Preußen und der Nntimialverein.

Drohend hängen in den ersten Tagen des neuen Jahres die Wetterwolken
an dem politischen Himmel Deutschlands. Es ist kaum ein Zweifel mehr, daß die
Delegirtensrage zu größern Conflicten zwischen Preußen und dem östreichischen
Bunde führen wird, als jene waren, welche mit dem Tage von Olmütz endig¬
ten. Was von den Plänen der Majorität zu Frankfurt und von den Ent¬
schlüssen des Ministeriums Bismarck in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, läßt
erkennen, daß beide Theile entschlossen sind, Ernst zu machen. Auch an den
auswärtigen Höfen, welche in dem letzten Jahre den Ereignissen in Berlin und
seit längerer Zeit den Sitzungen der Bundesversammlung keine hochachtungs¬
volle Aufmerksamkeit angedeihen ließen, beginnt man, wie es scheint, die Gefahr
zu würdigen, welche aus dem Innern Deutschlands gegen den Frieden Europas
heraufsteigt.

Vielleicht genießt keiner der beiden feindlichen Gegensätze den Vorzug eines
sicheren Entschlusses und einer überlegenen Kraft. Alter Groll hat sich bei
beiden zu politischer Feindseligkeit verhärtet. Aber die Würzburger haben zwei
Jahrelang heimlich Preußens junge Kraft gefürchtet, sie wollen die gegenwär¬
tige Schwäche des Staates benutzen, sich dafür schadlos zu halten; und Oest¬
reich sucht den Tag, wo es seinen alten Rival gründlich demüthigen kann.
Schon deshalb sind die Angreifenden im Vortheil, wenigstens sind ihnen die
nächsten Zielpunkte und ihre Mittel klar.

Die Hoffnung aber ist irrig, daß der Widerspruch Preußens und
Badens einen Majoritätsbeschluß der Bundesversammlung in der Delegirten¬
srage hindern werde. Im Gegentheil ist der ganze Angriff ein wohl¬
erwogener Plan, darauf berechnet, Preußen zu den falschen Schritten zu ver¬
leiten , welche die Person des unternehmenden Ministerpräsidenten für die
Gegner sehr wahrscheinlich macht. Mit unverhohlener Freude muß der Bericht¬
erstatter der Bundesversammlung sehen, wie .sich das preußische Gouvernement
in dem ausgespannten Netz verwickelt.

Denn, um früher Gesagtes zu wiederholen, nach Allem, was durch die Fe¬
dern der preußischen Regierung für die Oeffentlichkeit geschrieben worden ist,
und nach der Stimmung in dem regierenden Kreise Berlins ist es zweifellos,


Grenzboten I. >863. 1
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[0009] Die Preußen und der Nntimialverein. Drohend hängen in den ersten Tagen des neuen Jahres die Wetterwolken an dem politischen Himmel Deutschlands. Es ist kaum ein Zweifel mehr, daß die Delegirtensrage zu größern Conflicten zwischen Preußen und dem östreichischen Bunde führen wird, als jene waren, welche mit dem Tage von Olmütz endig¬ ten. Was von den Plänen der Majorität zu Frankfurt und von den Ent¬ schlüssen des Ministeriums Bismarck in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, läßt erkennen, daß beide Theile entschlossen sind, Ernst zu machen. Auch an den auswärtigen Höfen, welche in dem letzten Jahre den Ereignissen in Berlin und seit längerer Zeit den Sitzungen der Bundesversammlung keine hochachtungs¬ volle Aufmerksamkeit angedeihen ließen, beginnt man, wie es scheint, die Gefahr zu würdigen, welche aus dem Innern Deutschlands gegen den Frieden Europas heraufsteigt. Vielleicht genießt keiner der beiden feindlichen Gegensätze den Vorzug eines sicheren Entschlusses und einer überlegenen Kraft. Alter Groll hat sich bei beiden zu politischer Feindseligkeit verhärtet. Aber die Würzburger haben zwei Jahrelang heimlich Preußens junge Kraft gefürchtet, sie wollen die gegenwär¬ tige Schwäche des Staates benutzen, sich dafür schadlos zu halten; und Oest¬ reich sucht den Tag, wo es seinen alten Rival gründlich demüthigen kann. Schon deshalb sind die Angreifenden im Vortheil, wenigstens sind ihnen die nächsten Zielpunkte und ihre Mittel klar. Die Hoffnung aber ist irrig, daß der Widerspruch Preußens und Badens einen Majoritätsbeschluß der Bundesversammlung in der Delegirten¬ srage hindern werde. Im Gegentheil ist der ganze Angriff ein wohl¬ erwogener Plan, darauf berechnet, Preußen zu den falschen Schritten zu ver¬ leiten , welche die Person des unternehmenden Ministerpräsidenten für die Gegner sehr wahrscheinlich macht. Mit unverhohlener Freude muß der Bericht¬ erstatter der Bundesversammlung sehen, wie .sich das preußische Gouvernement in dem ausgespannten Netz verwickelt. Denn, um früher Gesagtes zu wiederholen, nach Allem, was durch die Fe¬ dern der preußischen Regierung für die Oeffentlichkeit geschrieben worden ist, und nach der Stimmung in dem regierenden Kreise Berlins ist es zweifellos, Grenzboten I. >863. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/9>, abgerufen am 25.11.2024.