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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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"Nein, nein! das thue ich gewiß nicht; sage es mir, ich beschwöre
Dich!"

"Also, mein Töchterchen! Du willst wissen, warum ich so traurig bin?
Man hat mich zum Kriege aufgeboten, und ich bin alt geworden und kann
nicht mitziehen."

"Und das kümmert Dich so sehr? Weißt Du was! Laß mir schöne Manns-
Neider machen und gib mir ein gutes Pferd, und ich will statt Deiner in den
Krieg ziehen."

"Ach, geh' doch! Du bist ein Mädchen und willst in den Krieg ziehen?"

"Das laß Dich nicht kümmern! Ich will nicht blos hingehn, sondern
auch siegen."

"Nun denn, in Gottes Namen!" sagte der König, ließ ihr Mannskleider
machen und gab ihr ein gutes Pferd. Das Mädchen zog in den Krieg und
überwand die Feinde.

Bei diesem Feldzuge war auch ein Prinz aus einem andern Königreiche;
und als sie zusammen nach Hause zogen, kehrten sie in dem Schlosse dieses
Prinzen ein, und da kam es ihm vor, als ob sein Gast kein Mann wäre.
Er ging also zu seiner Mutter und sprach: "Ich glaube, das ist ein Mädchen,
Mutter!" Die wunderte sich sehr über diese Rede und sagte: "Wie kann das
sein, mein Sohn? Wie kann ein Mädchen in den Krieg ziehn?" Er aber
blieb bei seiner Meinung, und um ins Klare zu kommen, rieth ihm die Mutter:
"Führe sie in den Wald und schlafe mit ihr zusammen auf dem Grase, und
wenn Du beim Aufstehn siehst, daß der Platz, wo Du gelegen, frischer ist,
dann ist es ein Mädchen."

Da gingen sie zusammen in den Wald und schliefen auf dem Grase. Als
aber der Prinz eingeschlafen war, da schlich sich das Mädchen weg und schlief
an einer andern Stelle und kehrte erst kurz vor Tagesanbruch an seinen ersten
Platz zurück. Als sie aufgestanden waren, untersuchte der Prinz die Plätze und
sah, daß der, wo die Prinzessin gelegen, grüner war als der seinige; und bei
der Rückkehr gestand er seiner Mutter, daß sein Platz am dürrsten gewesen sei.
Da erwiderte diese: Hab' ich Dir's nicht gesagt, daß es ein Mann sei?" Er
aber blieb bei seiner Meinung.

Als nun das Mädchen Abschied nahm, um in sein Reich zurückzukehren
und aus der Stadt hinausgeritten war, da rief es: "Ein Mädchen im Kriege!
Als Mädchen bin ich in den Krieg gezogen zur Schande des Esels von König!"

Als das der Prinz hörte, sagte er zu seiner Mutter: "Siehst Du, Mutter,
daß ich Recht hatte, und daß es ein Mädchen war! Aber ich will hinziehen
in ihr Reich und sie zur Frau nehmen."

Der Prinz zog also alte Kleider an. kaufte sich eine Anzahl Spindeln,
Kunkeln und Halsbänder, ging nach der Stadt der Prinzessin und bot seine
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„Nein, nein! das thue ich gewiß nicht; sage es mir, ich beschwöre
Dich!"

„Also, mein Töchterchen! Du willst wissen, warum ich so traurig bin?
Man hat mich zum Kriege aufgeboten, und ich bin alt geworden und kann
nicht mitziehen."

„Und das kümmert Dich so sehr? Weißt Du was! Laß mir schöne Manns-
Neider machen und gib mir ein gutes Pferd, und ich will statt Deiner in den
Krieg ziehen."

„Ach, geh' doch! Du bist ein Mädchen und willst in den Krieg ziehen?"

„Das laß Dich nicht kümmern! Ich will nicht blos hingehn, sondern
auch siegen."

„Nun denn, in Gottes Namen!" sagte der König, ließ ihr Mannskleider
machen und gab ihr ein gutes Pferd. Das Mädchen zog in den Krieg und
überwand die Feinde.

Bei diesem Feldzuge war auch ein Prinz aus einem andern Königreiche;
und als sie zusammen nach Hause zogen, kehrten sie in dem Schlosse dieses
Prinzen ein, und da kam es ihm vor, als ob sein Gast kein Mann wäre.
Er ging also zu seiner Mutter und sprach: „Ich glaube, das ist ein Mädchen,
Mutter!" Die wunderte sich sehr über diese Rede und sagte: „Wie kann das
sein, mein Sohn? Wie kann ein Mädchen in den Krieg ziehn?" Er aber
blieb bei seiner Meinung, und um ins Klare zu kommen, rieth ihm die Mutter:
„Führe sie in den Wald und schlafe mit ihr zusammen auf dem Grase, und
wenn Du beim Aufstehn siehst, daß der Platz, wo Du gelegen, frischer ist,
dann ist es ein Mädchen."

Da gingen sie zusammen in den Wald und schliefen auf dem Grase. Als
aber der Prinz eingeschlafen war, da schlich sich das Mädchen weg und schlief
an einer andern Stelle und kehrte erst kurz vor Tagesanbruch an seinen ersten
Platz zurück. Als sie aufgestanden waren, untersuchte der Prinz die Plätze und
sah, daß der, wo die Prinzessin gelegen, grüner war als der seinige; und bei
der Rückkehr gestand er seiner Mutter, daß sein Platz am dürrsten gewesen sei.
Da erwiderte diese: Hab' ich Dir's nicht gesagt, daß es ein Mann sei?" Er
aber blieb bei seiner Meinung.

Als nun das Mädchen Abschied nahm, um in sein Reich zurückzukehren
und aus der Stadt hinausgeritten war, da rief es: „Ein Mädchen im Kriege!
Als Mädchen bin ich in den Krieg gezogen zur Schande des Esels von König!"

Als das der Prinz hörte, sagte er zu seiner Mutter: „Siehst Du, Mutter,
daß ich Recht hatte, und daß es ein Mädchen war! Aber ich will hinziehen
in ihr Reich und sie zur Frau nehmen."

Der Prinz zog also alte Kleider an. kaufte sich eine Anzahl Spindeln,
Kunkeln und Halsbänder, ging nach der Stadt der Prinzessin und bot seine
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[0075] „Nein, nein! das thue ich gewiß nicht; sage es mir, ich beschwöre Dich!" „Also, mein Töchterchen! Du willst wissen, warum ich so traurig bin? Man hat mich zum Kriege aufgeboten, und ich bin alt geworden und kann nicht mitziehen." „Und das kümmert Dich so sehr? Weißt Du was! Laß mir schöne Manns- Neider machen und gib mir ein gutes Pferd, und ich will statt Deiner in den Krieg ziehen." „Ach, geh' doch! Du bist ein Mädchen und willst in den Krieg ziehen?" „Das laß Dich nicht kümmern! Ich will nicht blos hingehn, sondern auch siegen." „Nun denn, in Gottes Namen!" sagte der König, ließ ihr Mannskleider machen und gab ihr ein gutes Pferd. Das Mädchen zog in den Krieg und überwand die Feinde. Bei diesem Feldzuge war auch ein Prinz aus einem andern Königreiche; und als sie zusammen nach Hause zogen, kehrten sie in dem Schlosse dieses Prinzen ein, und da kam es ihm vor, als ob sein Gast kein Mann wäre. Er ging also zu seiner Mutter und sprach: „Ich glaube, das ist ein Mädchen, Mutter!" Die wunderte sich sehr über diese Rede und sagte: „Wie kann das sein, mein Sohn? Wie kann ein Mädchen in den Krieg ziehn?" Er aber blieb bei seiner Meinung, und um ins Klare zu kommen, rieth ihm die Mutter: „Führe sie in den Wald und schlafe mit ihr zusammen auf dem Grase, und wenn Du beim Aufstehn siehst, daß der Platz, wo Du gelegen, frischer ist, dann ist es ein Mädchen." Da gingen sie zusammen in den Wald und schliefen auf dem Grase. Als aber der Prinz eingeschlafen war, da schlich sich das Mädchen weg und schlief an einer andern Stelle und kehrte erst kurz vor Tagesanbruch an seinen ersten Platz zurück. Als sie aufgestanden waren, untersuchte der Prinz die Plätze und sah, daß der, wo die Prinzessin gelegen, grüner war als der seinige; und bei der Rückkehr gestand er seiner Mutter, daß sein Platz am dürrsten gewesen sei. Da erwiderte diese: Hab' ich Dir's nicht gesagt, daß es ein Mann sei?" Er aber blieb bei seiner Meinung. Als nun das Mädchen Abschied nahm, um in sein Reich zurückzukehren und aus der Stadt hinausgeritten war, da rief es: „Ein Mädchen im Kriege! Als Mädchen bin ich in den Krieg gezogen zur Schande des Esels von König!" Als das der Prinz hörte, sagte er zu seiner Mutter: „Siehst Du, Mutter, daß ich Recht hatte, und daß es ein Mädchen war! Aber ich will hinziehen in ihr Reich und sie zur Frau nehmen." Der Prinz zog also alte Kleider an. kaufte sich eine Anzahl Spindeln, Kunkeln und Halsbänder, ging nach der Stadt der Prinzessin und bot seine .....''''^"' 9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/75>, abgerufen am 25.11.2024.