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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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und Willen in eine Affaire von so zweideutiger Beschaffenheit zu verwickeln.
Und doch -- ein Drittes ist nach der Depesche des Grafen Bernstorff vom
27. Juni 1862 nicht möglich.

Uebrigens liegt ein Zeugniß aus der Feder des dänischen Conseilpräsiden¬
ten selbst vor, aus dem zu ersehen ist, daß das dänische Cabinet den Grafen
Russell glauben ließ, daß die dänische Erklärung vom 29. Juli nicht eine bloße
"Buchhaltereifrage", eine "leere Förmlichkeit" betreffe.

In demselben Augenblick nämlich, wo die bezeichnete Erklärung in Berlin
und Wien übergeben wurde, expedirte der dänische Conseilpräsident und Minister
des Auswärtigen eine auch in London übergebene Circulardepesche, in welcher
er die um den Preis des "neuen Zugeständnisses" der dänischen Regierung in
Aussicht gestellten directen Verhandlungen zwischen Dänemark und Deutschland
als "theuer erkauft" bezeichnet. Selbst ein dänisches Organ konnte nicht umhin
hervorzuheben, wie seltsam es sich aufnehme, daß Herr Hall, nachdem er nicht
blos die angedeuteten internationalen Verhandlungen, sondern auch die Aus-
setzung der Bundeser,caution für eine bloße Umpvstirung, also sür einen "wahren
Spottpreis" erlangt habe, trotz dessen diese Losung in seiner Circulardepesche
vom 2. August 1861 als "theuer erkauft" bezeichne.

Auch noch in den späteren Stadien der diplomatischen Correspondenz be¬
zeichnet der dänische Conseilpräsident die Erklärung vom 29. Juli als ein
"Opfer". Mit Bezug hierauf äußert der Graf Bernstorff in seiner Circular¬
depesche vom 27. Juni d. I. "Die Zeit wird kommen, wo jedermann sieht,
was dieses Opfer bedeutet, von dem man ohne Scheu mit vollem Munde
redet, und welches der Chef des dänischen Ministeriums an einem andern
Orte, und zwar in seiner Rede vom Is. April d. I. sehr gut dahin definirt
hat, daß wegen der Concession vom 29. Juli nicht ein Heller weniger in die
Staatskasse geflossen sei."

Aber die Verhandlungen des NeichSraths von 1862 haben gleichwohl
noch andere Thatsachen ans Licht gebracht, welche das Verhalten der dänischen
Regierung in der Budgetsache noch vorwurfsvoller erscheinen lassen. Mit Be¬
zug hierauf fährt der Graf Bernstorff in dem angeführten Schriftstücke fort:
"Indem ich diese Erklärung des Herrn Hall Ihrer Aufmerksamkeit empfehle,
will ich ein anderes Factum erwähnen, das in der letzten Session des Rcichs-
raths aufgedeckt worden ist. Der dänische Minister ist nämlich durch drei
königliche Erlasse ermächtigt worden, aus dem Reservefonds die Summe von
etwa 2,400,000 Nthlr. zu entnehmen, um die Kosten der Rüstung zu Land und
Meer und den Aufwand sür Möblirung der königlichen Schlösser zu decken.
Der Reservefonds ist eine gemeinsame Kasse, die allen Ländern, welche die Monarchie
bilden, gehört. Der Reichsrath hat dieses Verfahren der Negierung gebilligt,
aber Niemand hat die Zustimmung dazu von Holstein eingeholt, für welches die


und Willen in eine Affaire von so zweideutiger Beschaffenheit zu verwickeln.
Und doch — ein Drittes ist nach der Depesche des Grafen Bernstorff vom
27. Juni 1862 nicht möglich.

Uebrigens liegt ein Zeugniß aus der Feder des dänischen Conseilpräsiden¬
ten selbst vor, aus dem zu ersehen ist, daß das dänische Cabinet den Grafen
Russell glauben ließ, daß die dänische Erklärung vom 29. Juli nicht eine bloße
„Buchhaltereifrage", eine „leere Förmlichkeit" betreffe.

In demselben Augenblick nämlich, wo die bezeichnete Erklärung in Berlin
und Wien übergeben wurde, expedirte der dänische Conseilpräsident und Minister
des Auswärtigen eine auch in London übergebene Circulardepesche, in welcher
er die um den Preis des „neuen Zugeständnisses" der dänischen Regierung in
Aussicht gestellten directen Verhandlungen zwischen Dänemark und Deutschland
als „theuer erkauft" bezeichnet. Selbst ein dänisches Organ konnte nicht umhin
hervorzuheben, wie seltsam es sich aufnehme, daß Herr Hall, nachdem er nicht
blos die angedeuteten internationalen Verhandlungen, sondern auch die Aus-
setzung der Bundeser,caution für eine bloße Umpvstirung, also sür einen „wahren
Spottpreis" erlangt habe, trotz dessen diese Losung in seiner Circulardepesche
vom 2. August 1861 als „theuer erkauft" bezeichne.

Auch noch in den späteren Stadien der diplomatischen Correspondenz be¬
zeichnet der dänische Conseilpräsident die Erklärung vom 29. Juli als ein
„Opfer". Mit Bezug hierauf äußert der Graf Bernstorff in seiner Circular¬
depesche vom 27. Juni d. I. „Die Zeit wird kommen, wo jedermann sieht,
was dieses Opfer bedeutet, von dem man ohne Scheu mit vollem Munde
redet, und welches der Chef des dänischen Ministeriums an einem andern
Orte, und zwar in seiner Rede vom Is. April d. I. sehr gut dahin definirt
hat, daß wegen der Concession vom 29. Juli nicht ein Heller weniger in die
Staatskasse geflossen sei."

Aber die Verhandlungen des NeichSraths von 1862 haben gleichwohl
noch andere Thatsachen ans Licht gebracht, welche das Verhalten der dänischen
Regierung in der Budgetsache noch vorwurfsvoller erscheinen lassen. Mit Be¬
zug hierauf fährt der Graf Bernstorff in dem angeführten Schriftstücke fort:
„Indem ich diese Erklärung des Herrn Hall Ihrer Aufmerksamkeit empfehle,
will ich ein anderes Factum erwähnen, das in der letzten Session des Rcichs-
raths aufgedeckt worden ist. Der dänische Minister ist nämlich durch drei
königliche Erlasse ermächtigt worden, aus dem Reservefonds die Summe von
etwa 2,400,000 Nthlr. zu entnehmen, um die Kosten der Rüstung zu Land und
Meer und den Aufwand sür Möblirung der königlichen Schlösser zu decken.
Der Reservefonds ist eine gemeinsame Kasse, die allen Ländern, welche die Monarchie
bilden, gehört. Der Reichsrath hat dieses Verfahren der Negierung gebilligt,
aber Niemand hat die Zustimmung dazu von Holstein eingeholt, für welches die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/55>, abgerufen am 27.11.2024.