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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Indessen die Briefe Grimms an die Herzogin von Gotha, seine Be¬
schützerin und Freundin, konnten nicht von der Befürchtung einer Indiscretion
begleitet sein. Ueberdies enthalten andere Briefe ungünstige Aeußerungen über
Voltaire. Auch war die fortdauernde Feindschaft Voltaires gegen Friedrich
schwerlich damals schon so allgemein bekannt, daß diese Kenntniß schlechthin
vorausgesetzt werden konnte.

Es gab aber ein offenkundiges Verhältniß der Feindschaft gegen Friedrich.
Es gab andere Personen, deren Namen Grimm in seinen officiellen Bezie¬
hungen einem durch die französische Post beförderten Briefe nicht anzuvertrauen
alle Ursache hatte.

Grimm wollte in jenem Briefe ohne Zweifel als die Quelle der Nadir^s
die französischen Regierungskreise, vielleicht speciell den Herzog v. Choiseul,
bezeichnen. Und in der That dürfte ihr Ursprung dort zu suchen sein.

Wir müssen hier einen Blick auf die Verhältnisse werfen, wie sie sich in
eigenthümlicher Weise schon seit lange zwischen Friedrich dem Großen und
Frankreich ausgebildet hatten. Friedrich hätte den siebenjährigen Krieg ver¬
meiden tonnen, wenn er das ablaufende französische Bündniß erneuert hätte.
Nicht achtend des einstimmigen Rathes seiner kriegserprobtcn Generals, welche
vor dieser übermenschlichen Ausgabe zurückschreckten, wählte und begann der
König den Krieg, weil sein Preußen auf dem Wege dieses Bündnisses eine
Macht zweiten Ranges bleiben mußte und er es zu der Stellung einer Gro߬
macht erheben wollte.

Die Zurückweisung des Bündnisses war nur eme politische Verschmähung
Frankreichs. Aber Friedrichs nach Paris berichtete Aeußerungen über den
französischen Hof gaben den Feindseligkeiten einen persönlichen Stachel. Die
Schlacht bei Roßbach nahm den französischen Waffen ihren Glanz, bedrohte
aber dadurch zugleich die persönliche Stellung der Pompadour und ihrer Feld'
Herrn und Staatsmänner in Paris. Die Fäulniß dieser Maitressenwirthschaft,
welche die Armeen einer kriegerischen Nation zum Spott Europas machte,
lag vor Aller Augen aufgedeckt. Die Pariser singen an sich über die Siege
des Königs zu freuen. Und dieser steigerte die Gefühle des Hasses, welche
man in Versailles gegen ihn hegte, nicht blos durch seine Siege.

Nach vollbrachtem militärischem Tagewerk setzt sich der König hin und
schreibt Flugblätter gegen seine Feinde, oder Verse, die bald ihren Weg an
die französischen Machthaber finden. Unter den ersteren heben wir nur den
"Brief der Marquise v. Pompadour an die Königin von Ungarn" hervor.

Mit der verzweifelten Lage des Königs wächst seine leidenschaftliche Bitter¬
keit. In einem zur Mittheilung nach Versailles bestimmten Briefe an Voltaire
vom 12. Mai 1760 schreibt er: "Ich werde den Krieg künftig mit allen Waffen
führen. In die Bastille können sie mich nicht schicken. Nach allem dem, was


Indessen die Briefe Grimms an die Herzogin von Gotha, seine Be¬
schützerin und Freundin, konnten nicht von der Befürchtung einer Indiscretion
begleitet sein. Ueberdies enthalten andere Briefe ungünstige Aeußerungen über
Voltaire. Auch war die fortdauernde Feindschaft Voltaires gegen Friedrich
schwerlich damals schon so allgemein bekannt, daß diese Kenntniß schlechthin
vorausgesetzt werden konnte.

Es gab aber ein offenkundiges Verhältniß der Feindschaft gegen Friedrich.
Es gab andere Personen, deren Namen Grimm in seinen officiellen Bezie¬
hungen einem durch die französische Post beförderten Briefe nicht anzuvertrauen
alle Ursache hatte.

Grimm wollte in jenem Briefe ohne Zweifel als die Quelle der Nadir^s
die französischen Regierungskreise, vielleicht speciell den Herzog v. Choiseul,
bezeichnen. Und in der That dürfte ihr Ursprung dort zu suchen sein.

Wir müssen hier einen Blick auf die Verhältnisse werfen, wie sie sich in
eigenthümlicher Weise schon seit lange zwischen Friedrich dem Großen und
Frankreich ausgebildet hatten. Friedrich hätte den siebenjährigen Krieg ver¬
meiden tonnen, wenn er das ablaufende französische Bündniß erneuert hätte.
Nicht achtend des einstimmigen Rathes seiner kriegserprobtcn Generals, welche
vor dieser übermenschlichen Ausgabe zurückschreckten, wählte und begann der
König den Krieg, weil sein Preußen auf dem Wege dieses Bündnisses eine
Macht zweiten Ranges bleiben mußte und er es zu der Stellung einer Gro߬
macht erheben wollte.

Die Zurückweisung des Bündnisses war nur eme politische Verschmähung
Frankreichs. Aber Friedrichs nach Paris berichtete Aeußerungen über den
französischen Hof gaben den Feindseligkeiten einen persönlichen Stachel. Die
Schlacht bei Roßbach nahm den französischen Waffen ihren Glanz, bedrohte
aber dadurch zugleich die persönliche Stellung der Pompadour und ihrer Feld'
Herrn und Staatsmänner in Paris. Die Fäulniß dieser Maitressenwirthschaft,
welche die Armeen einer kriegerischen Nation zum Spott Europas machte,
lag vor Aller Augen aufgedeckt. Die Pariser singen an sich über die Siege
des Königs zu freuen. Und dieser steigerte die Gefühle des Hasses, welche
man in Versailles gegen ihn hegte, nicht blos durch seine Siege.

Nach vollbrachtem militärischem Tagewerk setzt sich der König hin und
schreibt Flugblätter gegen seine Feinde, oder Verse, die bald ihren Weg an
die französischen Machthaber finden. Unter den ersteren heben wir nur den
„Brief der Marquise v. Pompadour an die Königin von Ungarn" hervor.

Mit der verzweifelten Lage des Königs wächst seine leidenschaftliche Bitter¬
keit. In einem zur Mittheilung nach Versailles bestimmten Briefe an Voltaire
vom 12. Mai 1760 schreibt er: „Ich werde den Krieg künftig mit allen Waffen
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[0524] Indessen die Briefe Grimms an die Herzogin von Gotha, seine Be¬ schützerin und Freundin, konnten nicht von der Befürchtung einer Indiscretion begleitet sein. Ueberdies enthalten andere Briefe ungünstige Aeußerungen über Voltaire. Auch war die fortdauernde Feindschaft Voltaires gegen Friedrich schwerlich damals schon so allgemein bekannt, daß diese Kenntniß schlechthin vorausgesetzt werden konnte. Es gab aber ein offenkundiges Verhältniß der Feindschaft gegen Friedrich. Es gab andere Personen, deren Namen Grimm in seinen officiellen Bezie¬ hungen einem durch die französische Post beförderten Briefe nicht anzuvertrauen alle Ursache hatte. Grimm wollte in jenem Briefe ohne Zweifel als die Quelle der Nadir^s die französischen Regierungskreise, vielleicht speciell den Herzog v. Choiseul, bezeichnen. Und in der That dürfte ihr Ursprung dort zu suchen sein. Wir müssen hier einen Blick auf die Verhältnisse werfen, wie sie sich in eigenthümlicher Weise schon seit lange zwischen Friedrich dem Großen und Frankreich ausgebildet hatten. Friedrich hätte den siebenjährigen Krieg ver¬ meiden tonnen, wenn er das ablaufende französische Bündniß erneuert hätte. Nicht achtend des einstimmigen Rathes seiner kriegserprobtcn Generals, welche vor dieser übermenschlichen Ausgabe zurückschreckten, wählte und begann der König den Krieg, weil sein Preußen auf dem Wege dieses Bündnisses eine Macht zweiten Ranges bleiben mußte und er es zu der Stellung einer Gro߬ macht erheben wollte. Die Zurückweisung des Bündnisses war nur eme politische Verschmähung Frankreichs. Aber Friedrichs nach Paris berichtete Aeußerungen über den französischen Hof gaben den Feindseligkeiten einen persönlichen Stachel. Die Schlacht bei Roßbach nahm den französischen Waffen ihren Glanz, bedrohte aber dadurch zugleich die persönliche Stellung der Pompadour und ihrer Feld' Herrn und Staatsmänner in Paris. Die Fäulniß dieser Maitressenwirthschaft, welche die Armeen einer kriegerischen Nation zum Spott Europas machte, lag vor Aller Augen aufgedeckt. Die Pariser singen an sich über die Siege des Königs zu freuen. Und dieser steigerte die Gefühle des Hasses, welche man in Versailles gegen ihn hegte, nicht blos durch seine Siege. Nach vollbrachtem militärischem Tagewerk setzt sich der König hin und schreibt Flugblätter gegen seine Feinde, oder Verse, die bald ihren Weg an die französischen Machthaber finden. Unter den ersteren heben wir nur den „Brief der Marquise v. Pompadour an die Königin von Ungarn" hervor. Mit der verzweifelten Lage des Königs wächst seine leidenschaftliche Bitter¬ keit. In einem zur Mittheilung nach Versailles bestimmten Briefe an Voltaire vom 12. Mai 1760 schreibt er: „Ich werde den Krieg künftig mit allen Waffen führen. In die Bastille können sie mich nicht schicken. Nach allem dem, was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/524>, abgerufen am 22.11.2024.