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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Was in den Matinees von Verdoppeln der Armee, von den jährlich wieder¬
kehrenden Uebungen, von den Anstrengungen, um Europas Aufmerksamkeit auf
diese Manöver zu lenken, von der schon damals in Europa eingetretenen Nach¬
ahmung des preußischen Exercitiums, von dem Herumtappen nach einem Gegen¬
stande der Eroberung gesagt wird, gehört Alles der Flüchtigkeit und Unwissen¬
heit des Fälschers an. der sich nicht die Mühe nahm, das erste beste Compen-
dium der Geschichte anzusehen. Schon ein Blick auf die Chronologie zeigt die
Unrichtigkeit der Erzählung: Am 31. Mai 1740 bestieg Friedrich den Thron,
am 20. October 1740 starb Karl der Sechste und schon am 16. December
desselben Jahres standen Friedrichs Truppen auf schlesischen Boden.

Und dann das Project eines von Voltaire, Alembert. Maupertuis und
Rousseau unter Leitung des Königs bearbeiteten Buchs gegen die Religion
und eines von Argens und Former)*) vorbereiteten Concils, wovon die Nati-
nees auf zwei vollen Seiten erzählen!!

Das Leben und der Briefwechel Friedrichs und der anderen Betheiligten
liegen doch so offen vor uns, daß es für Herrn Acton möglich sein müßte,
uns das Nähere über diese Projecte mitzutheilen. Zunächst wird es genügen
anzuführen, daß der König mit Voltaire zur Zeit der Abfassung der Matinees
seit vier Jahren außer Verbindung, mit Rousseau gar nicht in Verbindung
gewesen war.

Schließlich noch die Vergiftungen politischer Gegner, welche nach den
Matinees von Friedrich dem Großen bewirkt worden sein sollen!

In dieser Schrift läßt man Friedrich sagen, "er kenne aus Erfah¬
rung alle Vortheile, die man daraus ziehen könne, wenn man politische
Aerzte und Schlosser besitze."

Dem englischen Herausgeber wolle es gefallen, die Person zu nennen,
welche der König hat Vergiften lassen. Er wolle, wenn auch nicht die Beweise,
so doch gefälligst nur seine Vermuthungen vorbringen, oder wenn nicht Ver¬
muthungen, irgendwelche Menevals, welche Vermuthungen gehegt haben. Hier
Würde es sich um ein wirkliches Oxnseule menue handeln.

Ebenso wie mit den Thatsachen ist es mit den Urtheilen in dieser Schrift.

Kann Friedrich der Große geschrieben haben, daß seine Vorfahren, um
den Kaisern zu gefallen, im neunten Jahrhundert zum Christenthum über¬
getreten seien? Es liegt dabei die fabelhafte Abstammung des Hauses Hohen-
zollern von Wittekind zum Grunde. In seinen Memoires xvui- servir a l'nistoire
^e Lranäendonrg' macht er diese wie andere Genealogien lächerlich und nennt
sie "ebenso frivole als unnütze Untersuchungen". Die Matinees sollen ja aber



') Nicht "N. as lserue/' wie Acton liest. Die ältesten Handschriften haben "I^oiinox".

Was in den Matinees von Verdoppeln der Armee, von den jährlich wieder¬
kehrenden Uebungen, von den Anstrengungen, um Europas Aufmerksamkeit auf
diese Manöver zu lenken, von der schon damals in Europa eingetretenen Nach¬
ahmung des preußischen Exercitiums, von dem Herumtappen nach einem Gegen¬
stande der Eroberung gesagt wird, gehört Alles der Flüchtigkeit und Unwissen¬
heit des Fälschers an. der sich nicht die Mühe nahm, das erste beste Compen-
dium der Geschichte anzusehen. Schon ein Blick auf die Chronologie zeigt die
Unrichtigkeit der Erzählung: Am 31. Mai 1740 bestieg Friedrich den Thron,
am 20. October 1740 starb Karl der Sechste und schon am 16. December
desselben Jahres standen Friedrichs Truppen auf schlesischen Boden.

Und dann das Project eines von Voltaire, Alembert. Maupertuis und
Rousseau unter Leitung des Königs bearbeiteten Buchs gegen die Religion
und eines von Argens und Former)*) vorbereiteten Concils, wovon die Nati-
nees auf zwei vollen Seiten erzählen!!

Das Leben und der Briefwechel Friedrichs und der anderen Betheiligten
liegen doch so offen vor uns, daß es für Herrn Acton möglich sein müßte,
uns das Nähere über diese Projecte mitzutheilen. Zunächst wird es genügen
anzuführen, daß der König mit Voltaire zur Zeit der Abfassung der Matinees
seit vier Jahren außer Verbindung, mit Rousseau gar nicht in Verbindung
gewesen war.

Schließlich noch die Vergiftungen politischer Gegner, welche nach den
Matinees von Friedrich dem Großen bewirkt worden sein sollen!

In dieser Schrift läßt man Friedrich sagen, „er kenne aus Erfah¬
rung alle Vortheile, die man daraus ziehen könne, wenn man politische
Aerzte und Schlosser besitze."

Dem englischen Herausgeber wolle es gefallen, die Person zu nennen,
welche der König hat Vergiften lassen. Er wolle, wenn auch nicht die Beweise,
so doch gefälligst nur seine Vermuthungen vorbringen, oder wenn nicht Ver¬
muthungen, irgendwelche Menevals, welche Vermuthungen gehegt haben. Hier
Würde es sich um ein wirkliches Oxnseule menue handeln.

Ebenso wie mit den Thatsachen ist es mit den Urtheilen in dieser Schrift.

Kann Friedrich der Große geschrieben haben, daß seine Vorfahren, um
den Kaisern zu gefallen, im neunten Jahrhundert zum Christenthum über¬
getreten seien? Es liegt dabei die fabelhafte Abstammung des Hauses Hohen-
zollern von Wittekind zum Grunde. In seinen Memoires xvui- servir a l'nistoire
^e Lranäendonrg' macht er diese wie andere Genealogien lächerlich und nennt
sie „ebenso frivole als unnütze Untersuchungen". Die Matinees sollen ja aber



') Nicht „N. as lserue/' wie Acton liest. Die ältesten Handschriften haben „I^oiinox".
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[0515] Was in den Matinees von Verdoppeln der Armee, von den jährlich wieder¬ kehrenden Uebungen, von den Anstrengungen, um Europas Aufmerksamkeit auf diese Manöver zu lenken, von der schon damals in Europa eingetretenen Nach¬ ahmung des preußischen Exercitiums, von dem Herumtappen nach einem Gegen¬ stande der Eroberung gesagt wird, gehört Alles der Flüchtigkeit und Unwissen¬ heit des Fälschers an. der sich nicht die Mühe nahm, das erste beste Compen- dium der Geschichte anzusehen. Schon ein Blick auf die Chronologie zeigt die Unrichtigkeit der Erzählung: Am 31. Mai 1740 bestieg Friedrich den Thron, am 20. October 1740 starb Karl der Sechste und schon am 16. December desselben Jahres standen Friedrichs Truppen auf schlesischen Boden. Und dann das Project eines von Voltaire, Alembert. Maupertuis und Rousseau unter Leitung des Königs bearbeiteten Buchs gegen die Religion und eines von Argens und Former)*) vorbereiteten Concils, wovon die Nati- nees auf zwei vollen Seiten erzählen!! Das Leben und der Briefwechel Friedrichs und der anderen Betheiligten liegen doch so offen vor uns, daß es für Herrn Acton möglich sein müßte, uns das Nähere über diese Projecte mitzutheilen. Zunächst wird es genügen anzuführen, daß der König mit Voltaire zur Zeit der Abfassung der Matinees seit vier Jahren außer Verbindung, mit Rousseau gar nicht in Verbindung gewesen war. Schließlich noch die Vergiftungen politischer Gegner, welche nach den Matinees von Friedrich dem Großen bewirkt worden sein sollen! In dieser Schrift läßt man Friedrich sagen, „er kenne aus Erfah¬ rung alle Vortheile, die man daraus ziehen könne, wenn man politische Aerzte und Schlosser besitze." Dem englischen Herausgeber wolle es gefallen, die Person zu nennen, welche der König hat Vergiften lassen. Er wolle, wenn auch nicht die Beweise, so doch gefälligst nur seine Vermuthungen vorbringen, oder wenn nicht Ver¬ muthungen, irgendwelche Menevals, welche Vermuthungen gehegt haben. Hier Würde es sich um ein wirkliches Oxnseule menue handeln. Ebenso wie mit den Thatsachen ist es mit den Urtheilen in dieser Schrift. Kann Friedrich der Große geschrieben haben, daß seine Vorfahren, um den Kaisern zu gefallen, im neunten Jahrhundert zum Christenthum über¬ getreten seien? Es liegt dabei die fabelhafte Abstammung des Hauses Hohen- zollern von Wittekind zum Grunde. In seinen Memoires xvui- servir a l'nistoire ^e Lranäendonrg' macht er diese wie andere Genealogien lächerlich und nennt sie „ebenso frivole als unnütze Untersuchungen". Die Matinees sollen ja aber ') Nicht „N. as lserue/' wie Acton liest. Die ältesten Handschriften haben „I^oiinox".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/515>, abgerufen am 22.11.2024.