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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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über das Normalbudget hinausgehenden Ausgaben verweigern können. Für
die Finanzperiode 1860--62 hatte die Negierung indessen hinsichtlich Dänemarks
und Schleswigs von dem "Reichsrathe", der mit ihrer Politik übereinstimmt,
die eingebrachten Forderungen bewilligt erhalten. In Betreff Holsteins hatte
nun der Leiter des dänischen Cabinets in seiner Circulardepcsche vom 22. März
sich dahin geäußert: daß nach seiner Ansicht die Regierung des Königs, wenn
die holsteinischen Stände die ihnen mitgetheilte Verordnung derart amendirt
hätten, "es vorgezogen haben würde, auf die Quote Holsteins an den ge¬
meinschaftlichen Ausgaben zu verzichten und sich in Betreff dieses Herzogthums
in den Grenzen des Normalbudgets zu halten, ehe sie sich einer Bundes-
execution für ein verhältnißmäßig so geringes Interesse ausgesetzt haben
würde."

Lord Loftus stellte nun dem Freiherrn v. Schleinitz die Frage, ob nicht
in einer ähnlichen Erklärung, wenn sie jetzt von der dänischen Regierung auf¬
genommen würde, eine Handhabe zu finden wäre, um das augenblicklich
drohende Executionsversahren abzuwenden. Nachdem Herr v. Schleinitz die
Frage bejaht hatte, empfahl der britische Staatssecretär für die auswärtigen
Angelegenheiten der dänischen Negierung, in Betreff des Budgets für 1861 die
gewünschte Erklärung zu geben, wofür Preußen und Oestreich sich ihrerseits
bei der Bundesversammlung für Aussetzung der Execution und Einleitung von
diplomatischen Unterhandlungen Behufs endlicher Ausgleichung des langjährigen,
immer erbitterter werdenden Streits verwenden wollten.

Was durch die von der dänischen Regierung verlangte Erklärung bezweckt
wurde, ist ohne Schwierigkeit zu ersehen. Sie sollte die Frage wegen des
Bewilligungsrechts der holsteinischen Stände, über welche zur Zeit noch Zwie¬
spalt herrschte, hinsichtlich des Budgets für 1861 bis zum Schlüsse der diplo¬
matischen Verhandlungen, durchaus offen halten. Die Frage sollte für 1861
auf die Seite geschoben, und dem Bundesbeschlusse vom 7. Februar, der eine
Feststellung des Budgets ohne Genehmigung der holsteinischen Stände für un¬
zulässig erklärte, nicht zuwider gehandelt werden. Holstein sollte deshalb für
1861 vorerst jedes Antheils an den das Normalbudget übersteigenden Aus¬
gaben, da die Bewilligung der Stände für diesen Antheil nicht verlangt war,
enthoben sein.

Die dänische Regierung konnte, um dies ins Werk zu setzen, zwei Wege
wählen: entweder konnte sie die Ausgaben um so viel, als der desfallsige Bei¬
trag Holsteins ausmachte, herabsetzen, oder sie mußte den Betrag, den sie zur
Zeit von Holstein nicht erhalten konnte, von den Repräsentanten der andern
Landestheile zu erhalten suchen. Es war weder Englands, noch Preußens und
Oestreichs Sache, sich darüber mit der dänischen Regierung zu vereinbaren, wel¬
chen von den beiden Wegen sie einzuschlagen haben würde; nur Eines konnten


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über das Normalbudget hinausgehenden Ausgaben verweigern können. Für
die Finanzperiode 1860—62 hatte die Negierung indessen hinsichtlich Dänemarks
und Schleswigs von dem „Reichsrathe", der mit ihrer Politik übereinstimmt,
die eingebrachten Forderungen bewilligt erhalten. In Betreff Holsteins hatte
nun der Leiter des dänischen Cabinets in seiner Circulardepcsche vom 22. März
sich dahin geäußert: daß nach seiner Ansicht die Regierung des Königs, wenn
die holsteinischen Stände die ihnen mitgetheilte Verordnung derart amendirt
hätten, „es vorgezogen haben würde, auf die Quote Holsteins an den ge¬
meinschaftlichen Ausgaben zu verzichten und sich in Betreff dieses Herzogthums
in den Grenzen des Normalbudgets zu halten, ehe sie sich einer Bundes-
execution für ein verhältnißmäßig so geringes Interesse ausgesetzt haben
würde."

Lord Loftus stellte nun dem Freiherrn v. Schleinitz die Frage, ob nicht
in einer ähnlichen Erklärung, wenn sie jetzt von der dänischen Regierung auf¬
genommen würde, eine Handhabe zu finden wäre, um das augenblicklich
drohende Executionsversahren abzuwenden. Nachdem Herr v. Schleinitz die
Frage bejaht hatte, empfahl der britische Staatssecretär für die auswärtigen
Angelegenheiten der dänischen Negierung, in Betreff des Budgets für 1861 die
gewünschte Erklärung zu geben, wofür Preußen und Oestreich sich ihrerseits
bei der Bundesversammlung für Aussetzung der Execution und Einleitung von
diplomatischen Unterhandlungen Behufs endlicher Ausgleichung des langjährigen,
immer erbitterter werdenden Streits verwenden wollten.

Was durch die von der dänischen Regierung verlangte Erklärung bezweckt
wurde, ist ohne Schwierigkeit zu ersehen. Sie sollte die Frage wegen des
Bewilligungsrechts der holsteinischen Stände, über welche zur Zeit noch Zwie¬
spalt herrschte, hinsichtlich des Budgets für 1861 bis zum Schlüsse der diplo¬
matischen Verhandlungen, durchaus offen halten. Die Frage sollte für 1861
auf die Seite geschoben, und dem Bundesbeschlusse vom 7. Februar, der eine
Feststellung des Budgets ohne Genehmigung der holsteinischen Stände für un¬
zulässig erklärte, nicht zuwider gehandelt werden. Holstein sollte deshalb für
1861 vorerst jedes Antheils an den das Normalbudget übersteigenden Aus¬
gaben, da die Bewilligung der Stände für diesen Antheil nicht verlangt war,
enthoben sein.

Die dänische Regierung konnte, um dies ins Werk zu setzen, zwei Wege
wählen: entweder konnte sie die Ausgaben um so viel, als der desfallsige Bei¬
trag Holsteins ausmachte, herabsetzen, oder sie mußte den Betrag, den sie zur
Zeit von Holstein nicht erhalten konnte, von den Repräsentanten der andern
Landestheile zu erhalten suchen. Es war weder Englands, noch Preußens und
Oestreichs Sache, sich darüber mit der dänischen Regierung zu vereinbaren, wel¬
chen von den beiden Wegen sie einzuschlagen haben würde; nur Eines konnten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/51>, abgerufen am 28.11.2024.