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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Möge hier noch eine Bemerkung über die verschiedenen Lesarten der Ab¬
schriften und Drucke der Ng.tin6es Platz finden.

Abgesehen von jenen beiden Classen von Zusätzen, welche in den 1765
zu Paris circulirenden Abschriften noch nicht existirten. bieten die uns vorliegenden
Abschriften und Drucke auch sonst eine außerordenliche Mannigfaltigkeit von Les¬
arten. Dieselben rühren zum Theil aus offenbaren Fehlen der Abschreiber her,
zum Theil aber scheinen sie aus verschiedenen Gründen absichtlich in die älteren
Texte hineingetragen zu sein.

Wenn Herr Acton die ihm vorliegende Handschrift für die beste hält,
so irrt er auch hierin. Sie ist voll einer Menge unrichtiger Lesarten, vielleicht
kann man nur sagen, daß sie als die jüngste bekannte, die meisten Abwei¬
chungen von den vierzig Jahr älteren Handschriften ausweist. Es würde ermü-
dend sein, hier auf das Einzelne einzugehen.

Es charakterisirt aber die Kenntniß des Herrn Acton über die Art Friedrich
des Großen, wenn er die Andeutung macht, daß die zahlreichen grammatischen
und orthographischen Fehler seines Abdrucks zum Theil aus Friedrichs Feder ge¬
flossen seien. Um von Friedrich herzustammen, müßten der orthographischen
Fehler nicht nur zehnfach mehr, sondern sie müßten auch viel befremd¬
licher sein.

Wir glauben getreulich Alles angeführt zu haben, was zum Beweise der
Autorschaft Friedrich des Großen vorgebracht worden ist. Oder ist eS unsere
Pflicht noch hervorzuheben, daß Herr Nadault de Buffon die Nadir^s deshalb
dem Könige zuschreibt, weil dieser auch den Antimacchiave! geschrieben habe?
Offenbar weiß Herr Nadault de Buffon nicht, daß der Antimacchiavel die Wider¬
legung des Macchiavellismus ist. "dieser verabscheuungswürdigen und falschen
Weisheit", wie Friedrich der Große denselben bezeichnete. Oder ist es noch
nöthig, der ingeniösen Idee des Herrn Acton zu erwähnen daß von den drei
im berliner Archive befindlichen Handschriften eine das Originalmanuscript des
Königs sei? Herr Preuß erwähnt nämlich in einer Notiz, daß zwei dieser
Abschriften als von Grimm für den König aus Paris eingesandt bezeichnet
sind, und beschreibt die dritte nicht näher. Statt anzunehmen, daß diese Hand¬
schrift, wie in der That der Fall sein soll, nichts Merkwürdiges bietet, sucht
Herr Acton jene Vermuthung wahrscheinlich zu machen und baut darauf wieder
die weitere Vermuthung, daß Meneval gerade diese Handschrift abschrieb.

So steht es mit der Beweisführung für die Autorschaft Friedrich des
Großen. Dieselbe bietet nicht eine einzige Thatsache, aus der auch nur die
entfernteste Vermuthung hergenommen werden könnte, der König habe diese
Schrift verfaßt. Es liegt nur ein Anzeichen vor. welchem diese Richtung ge¬
geben werden könnte, die allerdings unläugbare Thatsache, daß Buffon, so¬
wie sein Secretär, daß der Herausgeber seiner Korrespondenz, daß Herr Acton


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Möge hier noch eine Bemerkung über die verschiedenen Lesarten der Ab¬
schriften und Drucke der Ng.tin6es Platz finden.

Abgesehen von jenen beiden Classen von Zusätzen, welche in den 1765
zu Paris circulirenden Abschriften noch nicht existirten. bieten die uns vorliegenden
Abschriften und Drucke auch sonst eine außerordenliche Mannigfaltigkeit von Les¬
arten. Dieselben rühren zum Theil aus offenbaren Fehlen der Abschreiber her,
zum Theil aber scheinen sie aus verschiedenen Gründen absichtlich in die älteren
Texte hineingetragen zu sein.

Wenn Herr Acton die ihm vorliegende Handschrift für die beste hält,
so irrt er auch hierin. Sie ist voll einer Menge unrichtiger Lesarten, vielleicht
kann man nur sagen, daß sie als die jüngste bekannte, die meisten Abwei¬
chungen von den vierzig Jahr älteren Handschriften ausweist. Es würde ermü-
dend sein, hier auf das Einzelne einzugehen.

Es charakterisirt aber die Kenntniß des Herrn Acton über die Art Friedrich
des Großen, wenn er die Andeutung macht, daß die zahlreichen grammatischen
und orthographischen Fehler seines Abdrucks zum Theil aus Friedrichs Feder ge¬
flossen seien. Um von Friedrich herzustammen, müßten der orthographischen
Fehler nicht nur zehnfach mehr, sondern sie müßten auch viel befremd¬
licher sein.

Wir glauben getreulich Alles angeführt zu haben, was zum Beweise der
Autorschaft Friedrich des Großen vorgebracht worden ist. Oder ist eS unsere
Pflicht noch hervorzuheben, daß Herr Nadault de Buffon die Nadir^s deshalb
dem Könige zuschreibt, weil dieser auch den Antimacchiave! geschrieben habe?
Offenbar weiß Herr Nadault de Buffon nicht, daß der Antimacchiavel die Wider¬
legung des Macchiavellismus ist. „dieser verabscheuungswürdigen und falschen
Weisheit", wie Friedrich der Große denselben bezeichnete. Oder ist es noch
nöthig, der ingeniösen Idee des Herrn Acton zu erwähnen daß von den drei
im berliner Archive befindlichen Handschriften eine das Originalmanuscript des
Königs sei? Herr Preuß erwähnt nämlich in einer Notiz, daß zwei dieser
Abschriften als von Grimm für den König aus Paris eingesandt bezeichnet
sind, und beschreibt die dritte nicht näher. Statt anzunehmen, daß diese Hand¬
schrift, wie in der That der Fall sein soll, nichts Merkwürdiges bietet, sucht
Herr Acton jene Vermuthung wahrscheinlich zu machen und baut darauf wieder
die weitere Vermuthung, daß Meneval gerade diese Handschrift abschrieb.

So steht es mit der Beweisführung für die Autorschaft Friedrich des
Großen. Dieselbe bietet nicht eine einzige Thatsache, aus der auch nur die
entfernteste Vermuthung hergenommen werden könnte, der König habe diese
Schrift verfaßt. Es liegt nur ein Anzeichen vor. welchem diese Richtung ge¬
geben werden könnte, die allerdings unläugbare Thatsache, daß Buffon, so¬
wie sein Secretär, daß der Herausgeber seiner Korrespondenz, daß Herr Acton


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[0491] Möge hier noch eine Bemerkung über die verschiedenen Lesarten der Ab¬ schriften und Drucke der Ng.tin6es Platz finden. Abgesehen von jenen beiden Classen von Zusätzen, welche in den 1765 zu Paris circulirenden Abschriften noch nicht existirten. bieten die uns vorliegenden Abschriften und Drucke auch sonst eine außerordenliche Mannigfaltigkeit von Les¬ arten. Dieselben rühren zum Theil aus offenbaren Fehlen der Abschreiber her, zum Theil aber scheinen sie aus verschiedenen Gründen absichtlich in die älteren Texte hineingetragen zu sein. Wenn Herr Acton die ihm vorliegende Handschrift für die beste hält, so irrt er auch hierin. Sie ist voll einer Menge unrichtiger Lesarten, vielleicht kann man nur sagen, daß sie als die jüngste bekannte, die meisten Abwei¬ chungen von den vierzig Jahr älteren Handschriften ausweist. Es würde ermü- dend sein, hier auf das Einzelne einzugehen. Es charakterisirt aber die Kenntniß des Herrn Acton über die Art Friedrich des Großen, wenn er die Andeutung macht, daß die zahlreichen grammatischen und orthographischen Fehler seines Abdrucks zum Theil aus Friedrichs Feder ge¬ flossen seien. Um von Friedrich herzustammen, müßten der orthographischen Fehler nicht nur zehnfach mehr, sondern sie müßten auch viel befremd¬ licher sein. Wir glauben getreulich Alles angeführt zu haben, was zum Beweise der Autorschaft Friedrich des Großen vorgebracht worden ist. Oder ist eS unsere Pflicht noch hervorzuheben, daß Herr Nadault de Buffon die Nadir^s deshalb dem Könige zuschreibt, weil dieser auch den Antimacchiave! geschrieben habe? Offenbar weiß Herr Nadault de Buffon nicht, daß der Antimacchiavel die Wider¬ legung des Macchiavellismus ist. „dieser verabscheuungswürdigen und falschen Weisheit", wie Friedrich der Große denselben bezeichnete. Oder ist es noch nöthig, der ingeniösen Idee des Herrn Acton zu erwähnen daß von den drei im berliner Archive befindlichen Handschriften eine das Originalmanuscript des Königs sei? Herr Preuß erwähnt nämlich in einer Notiz, daß zwei dieser Abschriften als von Grimm für den König aus Paris eingesandt bezeichnet sind, und beschreibt die dritte nicht näher. Statt anzunehmen, daß diese Hand¬ schrift, wie in der That der Fall sein soll, nichts Merkwürdiges bietet, sucht Herr Acton jene Vermuthung wahrscheinlich zu machen und baut darauf wieder die weitere Vermuthung, daß Meneval gerade diese Handschrift abschrieb. So steht es mit der Beweisführung für die Autorschaft Friedrich des Großen. Dieselbe bietet nicht eine einzige Thatsache, aus der auch nur die entfernteste Vermuthung hergenommen werden könnte, der König habe diese Schrift verfaßt. Es liegt nur ein Anzeichen vor. welchem diese Richtung ge¬ geben werden könnte, die allerdings unläugbare Thatsache, daß Buffon, so¬ wie sein Secretär, daß der Herausgeber seiner Korrespondenz, daß Herr Acton 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/491>, abgerufen am 23.11.2024.