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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Es ist nicht nöthig, sich auf eine Erörterung der Mängel in dieser Schlu߬
folgerung einzulassen, Friedrich will nach Herrn Acton in vortheilhafteren
Lichte erscheinen, und hätte die Stelle, worin er widernatürliche Laster ein¬
gesteht, stehen lassen?

Herr Acton würde uns vielleicht antworten, Friedrich der Große sei ein wunder¬
licher Mann gewesen. Jedenfalls schreibt er wörtlich - "Jede der beiden Abschriften
gibt das weiteste und ausreichendste Zeugniß zu Gunsten der Echtheit der anderen."

Zum Glück sind wir hier in der Lage, Herrn Acton einen recht handgreif¬
lichen Beweis zu geben, daß es mitunter wohlgethan ist. vorsichtiger und ^-
logischer zu verfahren, als von ihm geschehen, und daß es namentlich gut ist,
leichtfertige Vermuthungen nicht für Thatsachen auszugeben. '

Auch wir haben eine Abschrift und selbst zwei Abschriften der N-rtinees
und zwar Abschriften vor uns, welche, -- wir sagen nicht von dem Originale,
aber welche von den beiden ältesten überhaupt sicher bekannten Hand¬
schriften genommen sind.

Beide Abschriften wurden fast ein Jahr früher, als der erste Druck erschien,
Von dem bekannten Grimm, -- die eine mit den fünf gewöhnlich abgedruckten
Kg.tin6<Z8 am 25. April 1765, die zweite sogar mit sieben Natinöös einige
Monate später -- aus Paris an die Herzogin Louise Dorothea von Gotha ein¬
geschickt. Grimm sagt in dem ersten Briefe, daß diese Schrift seit einiger Zeit
handschriftlich in Paris circulire.

Nun wohl, diese beiden Abschriften, deren Alter feststellt, haben dieselben
Auslassungen, wie der buffvnsche Abdruck.

Wie steht es nun mit jenem Beweise, daß die buffonsche Abschrift die Echtheit
der menevalschen, die menevalsche die Echtheit der buffvnschen Handschrift verbürge?

Die buffonsche Handschrift stammt aus dem Jahre 1782. Wenn nun die
aus dem Jahre 1765 stammenden grimmschen Handschriften in den fraglichen
Auslassungen der buffvnschen gleich sind, so folgt daraus doch wohl, daß
Friedrich der Große nicht im Jahre 1782, um vor Buffon ein wenig
besser zu erscheinen, nöthig hatte, diese Lesarten zu constituiren.

Was schon 1765 fehlte, kann nicht zuerst 1782 weggelassen sein.

Sollte Herr Acton hiernach nicht den wirklichen Zusammenhang ahnen?
Was indem buffvnschen Abdruck nach den fraglichen Beziehungen fehlt, ist nicht
Auslassung, aber was sich in seinem Texr mehr findet, ist Zusatz, der ent¬
weder von dem ursprünglichen Fälscher, oder von Anderen gemacht wurde, UM
den Haß der Katholiken, der Freisinnigen, der Literaten und der gewöhnlichen
Fürsten seiner Zeit noch ganz besonders gegen den König wach zu rufen. Auf
einigen Stellen tritt in diesen Zusätzen übrigens auch die Absicht hervor, die
Autorschaft des Königs dadurch etwas wahrscheinlicher zu machen, daß derselbe
ausncibmsweise bessere Grundsätze ausspricht.


Es ist nicht nöthig, sich auf eine Erörterung der Mängel in dieser Schlu߬
folgerung einzulassen, Friedrich will nach Herrn Acton in vortheilhafteren
Lichte erscheinen, und hätte die Stelle, worin er widernatürliche Laster ein¬
gesteht, stehen lassen?

Herr Acton würde uns vielleicht antworten, Friedrich der Große sei ein wunder¬
licher Mann gewesen. Jedenfalls schreibt er wörtlich - „Jede der beiden Abschriften
gibt das weiteste und ausreichendste Zeugniß zu Gunsten der Echtheit der anderen."

Zum Glück sind wir hier in der Lage, Herrn Acton einen recht handgreif¬
lichen Beweis zu geben, daß es mitunter wohlgethan ist. vorsichtiger und ^-
logischer zu verfahren, als von ihm geschehen, und daß es namentlich gut ist,
leichtfertige Vermuthungen nicht für Thatsachen auszugeben. '

Auch wir haben eine Abschrift und selbst zwei Abschriften der N-rtinees
und zwar Abschriften vor uns, welche, — wir sagen nicht von dem Originale,
aber welche von den beiden ältesten überhaupt sicher bekannten Hand¬
schriften genommen sind.

Beide Abschriften wurden fast ein Jahr früher, als der erste Druck erschien,
Von dem bekannten Grimm, — die eine mit den fünf gewöhnlich abgedruckten
Kg.tin6<Z8 am 25. April 1765, die zweite sogar mit sieben Natinöös einige
Monate später — aus Paris an die Herzogin Louise Dorothea von Gotha ein¬
geschickt. Grimm sagt in dem ersten Briefe, daß diese Schrift seit einiger Zeit
handschriftlich in Paris circulire.

Nun wohl, diese beiden Abschriften, deren Alter feststellt, haben dieselben
Auslassungen, wie der buffvnsche Abdruck.

Wie steht es nun mit jenem Beweise, daß die buffonsche Abschrift die Echtheit
der menevalschen, die menevalsche die Echtheit der buffvnschen Handschrift verbürge?

Die buffonsche Handschrift stammt aus dem Jahre 1782. Wenn nun die
aus dem Jahre 1765 stammenden grimmschen Handschriften in den fraglichen
Auslassungen der buffvnschen gleich sind, so folgt daraus doch wohl, daß
Friedrich der Große nicht im Jahre 1782, um vor Buffon ein wenig
besser zu erscheinen, nöthig hatte, diese Lesarten zu constituiren.

Was schon 1765 fehlte, kann nicht zuerst 1782 weggelassen sein.

Sollte Herr Acton hiernach nicht den wirklichen Zusammenhang ahnen?
Was indem buffvnschen Abdruck nach den fraglichen Beziehungen fehlt, ist nicht
Auslassung, aber was sich in seinem Texr mehr findet, ist Zusatz, der ent¬
weder von dem ursprünglichen Fälscher, oder von Anderen gemacht wurde, UM
den Haß der Katholiken, der Freisinnigen, der Literaten und der gewöhnlichen
Fürsten seiner Zeit noch ganz besonders gegen den König wach zu rufen. Auf
einigen Stellen tritt in diesen Zusätzen übrigens auch die Absicht hervor, die
Autorschaft des Königs dadurch etwas wahrscheinlicher zu machen, daß derselbe
ausncibmsweise bessere Grundsätze ausspricht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/490>, abgerufen am 24.11.2024.